POLITIK

Schuleingangsuntersuchungen: „In Distanz, aber nicht nur nach Aktenlage!“

lw; 04.10.2021, 16:05 Uhr
Symbolfoto: Orzalaga auf Pixabay.
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Schuleingangsuntersuchungen: „In Distanz, aber nicht nur nach Aktenlage!“

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lw; 04.10.2021, 16:05 Uhr
Oberberg – Kaija Elvermann, Leiterin des Kreisgesundheitsamts, verteidigte das Vorgehen in diesem Jahr – Pandemie habe Einfluss auf die Entwicklung der Kinder.

Von Lars Weber

 

Eine Begutachtung nur nach Aktenlage. Viele Kinder werden durch das Raster fallen. Aus fachlicher Sicht ein völlig unakzeptables Defizit. Die kritischen Stimmen zum Vorgehen des Kreises bei den Schuleingangsuntersuchungen im Laufe des vergangenen Schuljahrs waren vielfältig. Aufgrund der Pandemie im Kreis wurden keine Einschulkinder zu Präsenzuntersuchungen eingeladen. Das alternative Prozedere (OA berichtete) kam ohne direkten Kontakt zwischen Eltern, Kindern und Amtsarzt aus, war mit dem Landeszentrum Gesundheit abgeklärt und entsprach der Erlasslage des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen. Bei der jüngsten Sitzung des Gesundheitsausschusses erläuterten Kinderärztin Natalia Jörg, Leiterin des Sachgebiets „Kinder- und jungendärztlicher Dienst“ beim Kreis, und Gesundheitsamtsleiterin Kaija Elvermann das Vorgehen noch einmal – und wehrten sich vehement gegen die Vorwürfe.

 

Denn Kritik wurde auch nach dem Bericht von Natalia Jörg wieder laut. Dr. Ralph Krolewski, für die Grünen im Kreistag und auch Vorsitzender des Hausärzteverbands Oberberg, sagte, dass man nicht beruhigt sein könne, wenn man auf die Situation der Kinder blicke. Dr. Roland Adelmann (SPD), der Chefarzt der Kinderklinik in Gummersbach ist, meinte, dass man nicht „drum herumreden sollte, dass man viele Kinder nicht gesehen habe und man nicht wisse, wie es ihnen gehe“. Aus seiner täglichen Praxis und auch aus dem kinderpsychiatrischen Bereich wisse er, dass die Pandemie, der Lockdown und der Kontaktentzug großen Einfluss auf die Kinder hatte. Einmal mehr kritisierte er die Entscheidungen über den Förderbedarf bei den Kindern, indem man nach Akten entschieden hätte.

 

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Elvermann platzte dabei fast der Kragen. Normalerweise gebe es 2.500 etwa zweistündige Screenings der Einschulkinder. „Das sind Untersuchungen von gesunden Kindern, um vorher nicht erkannte Bedarfe festzustellen.“ 80 Prozent dieser Kinder blieben unauffällig. In diesem Jahr habe der Kreis 700 Begutachtungen von Kindern vorgenommen, bei denen bei Fragebögen und Abfragen bereits Auffälligkeiten gemeldet worden seien. Diese Begutachtungen hätten zwar in Distanz, aber nicht nur nach Aktenlage stattgefunden. Stattdessen hätte es aufwendige Rücksprachen mit Ärzten, Therapeuten und vor allem den Eltern gegeben. Diese Vorgehensweise habe teils sehr lange gedauert. „Statt nur zwei Stunden manchmal auch zwei Wochen“, so Elvermann.

 

Das Angebot an die Eltern, die Eingangsuntersuchungen nachzuholen – dieses Angebot war in diesem Jahr freiwillig und nicht wie bei den Schuleingangsuntersuchungen sonst üblich verpflichtend -, hätten zum Bedauern Elvermanns nur wenige Eltern wahrgenommen, obwohl das Gesundheitsamt die Familien aktiv angerufen habe. Die Nachmeldungen aus den Schulen, wozu die Leitungen angehalten waren, seien aber überschaubar gewesen, was dafür sprechen würde, dass ihr Team gut gearbeitet hätte. Der aktuelle Einschuljahrgang soll wieder in Präsenz und erstmals digital erfasst werden. Dabei wird es drei Standorte geben, sodass die Wege für Eltern kürzer werden. So sollen die Kinder in Waldbröl, Gummersbach und Hückeswagen untersucht werden (OA berichtete).

 

Trotzdem sehe auch das Gesundheitsamt, dass durch die Pandemie Lücken bei der Entwicklung der Kinder entstanden seien. „Diese Lücken wollen wir versuchen zu definieren“, sagte Natalia Jörg. Ein sehr wichtiges Instrument hierbei seien die Reihenuntersuchungen in den Kindergärten, die seit 2007 stattfinden und viele Erkenntnisse über den Entwicklungsstand der Kinder lieferten. Diese seien sogar aussagekräftiger als die Schuleingangsuntersuchungen. Aufgrund der Pandemie fanden aber auch diese seit zwei Jahren nicht mehr statt. „Wir erwarten eine hohe Inanspruchnahme von Hilfsangeboten für Sprache und Motorik“, so Jörg weiter. Dabei sei auch der Wegfall des Vereinssports in der Pandemie ein entscheidender Faktor. „Es bleibt unser Ziel“, versicherte Elvermann, „weiterhin möglichst viel über alle Einschuljahrgänge zu erfahren, um früh reagieren zu können und die Kinder, die es benötigen, so zu fördern, wie es ihnen hilft.“  

KOMMENTARE

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Frau Elvermann hat die Kritik an dem Vorgehen bis heute nicht verstanden. Und wie aus einem "Wir konnten aufgrund von Überlastung und Personalmangel die Untersuchungen nicht durchführen." plötzlich ein "Es war so unglaublich aufwendig, teilweise 2 Wochen Bearbeitungszeit anstatt 2 Stunden." wird......das kann sie leider nicht erläutern, da ihr der Kragen dabei platzt.

Simone, 06.10.2021, 15:35 Uhr
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