POLITIK
Wiederbeginn mit vielen offenen Fragen
Oberberg – Schulen arbeiten mit Hochdruck an Lösungen für den angestrebten Start nächste Woche – Schülerschaft übt Kritik an Wiedereröffnung.
Von Peter Notbohm und Lars Weber
Viele Schüler, Lehrer und Leiter der Schulen dürften am Mittwochabend gespannt auf die Nachrichten aus Berlin und Düsseldorf gewartet haben. Dem gemeinsamen Beschluss der Bundesregierung und der Ministerpräsidenten der Länder, den Abschlussklassen Prüfungen und vorbereitenden Unterricht zu ermöglichen, folgte nur wenig später die Ankündigung von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, dass das Land Nordrhein-Westfalen bereits am kommenden Montag, 20. April, alle Schulen für Lehrkräfte und anderes Personal wieder öffne, damit ab dem 23. April die Abschlussklassen der Mittleren Reife und der Abiturklassen sich auf ihre Prüfungen vorbereiten können.
Die vierten Klassen der Grundschulen sollen ab dem 4. Mai wieder in die Schule gehen. Alle weiteren Schüler sollen bis zu den Sommerferien in die Schulen zurückkehren können, müssen sich allerdings für einen längeren Zeitraum auf einen Ausnahmezustand einrichten. Das teilte NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer am heutigen Donnerstag in Düsseldorf mit. Es sei absehbar, dass die Klassen und Kurse nicht in der ursprünglichen Größe unterrichtet werden könnten, stattdessen müssten die Schulen zu einem rollierenden Verfahren mit aufgeteilten Lerngruppen kommen, sagte die FDP-Politikerin.
Welchen Unterricht die Prüflinge in Vorbereitung auf ihre Abschlüsse erhalten, wie Abstandsregeln eingehalten werden können, das werden die Schulleiter gemeinsam mit den Trägern der Schulen in den kommenden Tagen noch genau erarbeiten müssen. „Aber wir stehen bereit“, sagt Gummersbachs Schul- und Sportdezernent Raoul Halding-Hoppenheit. 509 Schüler werden am Donnerstag in den vier weiterführenden Gummersbacher Schulen erwartet, in einer Telefonkonferenz am morgigen Freitag wollen Halding-Hoppenheit, Schulamtsleiter Frank Hüttebreucker und Bürgermeister Frank Helmenstein gemeinsam mit den vier Schulleitern Lösungen für genau diese Fragen erarbeiten.
Bereits vor Ausbruch des Corona-Pandemie seien Hygienepläne aufgestellt worden, zudem seien die Gebäude alle grundgereinigt worden. Die Räume, in denen künftig der Unterricht stattfinden soll, werden einer weiteren gesonderten Reinigung unterzogen. Auch Desinfektionsspender gebe es in ausreichender Anzahl. Geschlossen bleiben in jedem Fall die beiden Mensen am Lindengymasium sowie an der Gesamtschule Derschlag – hier müssen sich die Schüler selbst versorgen. Weitere Themen der Telefonkonferenz dürften neben den Abstandsregeln auch die Inhalte des Unterrichts sein. An der Realschule Steinberg plant man, nur prüfungsrelevante Fächer zu unterrichten. Lehrer stehen laut Halding-Hoppenheit aber an allen vier Schulen zur Verfügung, um auch in stark verkleinerten Kursen zu lehren. „Was die Stadt Gummersbach als Schulträger machen kann, ist gewährleistet“, so der Schuldezernent.
Thorgai Wilmsmann, Leiter des Homburgischen Gymnasiums Nümbrecht, hält es für sinnvoll und richtig, die Schulen schrittweise wieder zu öffnen. Auch die Entscheidung, mit den Abschlussjahrgängen anzufangen, findet er gut. Doch durch die „Sondersituation in NRW“, schon kommende Woche Donnerstag zu beginnen, sei der zeitliche Druck jetzt sehr hoch. Gleichzeitig seien viele Fragen offen, da die Regularien gerade bei der Hygiene von der Kultusministerkonferenz erst Ende des Monats bestimmt werden sollen. „Wir entscheiden nun mit dem Schulträger nach bestem Wissen“, sagt Wilmsmann.
Genau 100 Schüler werden am Gymnasium nächste Woche wieder starten. Da die Schule aufgrund eines Verdachtsfalls bereits am 10. März schließen musste, werden zunächst zwei Vorabi-Klausuren nachgeschrieben. „Das wird in der Turnhalle passieren.“ Denn wie genau zum Beispiel Abstandsregeln im Schulgebäude eingehalten werden sollen, weiß auch Wilmsmann noch nicht. Auch wie der Unterricht genau gestaltet werden soll, müsse erst noch entschieden werden. Generell hält er es aber für sinnvoll, dass die Schüler und Lehrer Masken tragen.
Wolfgang Krug, Leiter der Gesamtschule Marienheide, macht sich ebenfalls Gedanken, wie man Schulunterricht und Corona-Maßnahmen in einen möglichst sinnvollen Einklang bringen kann. Er begrüßt, dass die Öffnung der Schulen nur schrittweise passiert und die Schüler erst am Donnerstag wieder in die Gebäude dürfen, während die Lehrerschaft drei Tage zur Vorbereitung erhält. Von Landes- und Bezirksregierung erwartet er Vorgaben, auf deren Basis die Schulen nun planen können. Seine Gedankenspiele umfassen mögliche Schutzmasken und zeitlich verschobene Pausen, um größere Menschenansammlungen zu verhindern. „Bei Klausuren kann man die Tische weit auseinanderstellen, Unwägbarkeiten gibt es bei der Frage, wie wir die Abstandsregeln einhalten können“, weiß er, dass es in vielen Fluren überhaupt nicht möglich ist, die zwei Meter mit so vielen Menschen einzuhalten.
Die Hygiene einzuhalten sei an der Marienheider Gesamtschule dagegen kein Problem, da die sanitären Anlagen vorhanden und in einem guten Zustand seien. Probleme sieht er allerdings in einigen Fächern kommen: Sport, Technik oder Hauswirtschaft seien unter Einhaltung der Corona-Maßnahmen definitiv nicht durchführbar „und noch können wir nicht sagen, ob nur die prüfungsrelevanten Fächer unterrichtet werden".
Auch die Frage, was mit dem Lehrpersonal ist, das zur Risikogruppe gezählt wird, treibt ihn um. Am Mittwochabend gab es von Seiten der Bezirksregierungen eine landesweite Anfrage an alle Schulen, welche Lehrer zu dieser wegen des Alters oder Vorerkrankungen gehören. Hieß es heute morgen zunächst noch, auch diese Lehrkräfte dürften auf freiwilliger Basis Unterricht geben, gab Schulministerin Gebauer mittlerweile bekannt, dass diese den Schulen fernbleiben sollen. Die Bundesländer müssten allerdings noch eine gemeinsame Linie erarbeiten, ab welchem Alter dies gelte – nach OA-Informationen soll die Grenze 59 Jahre sein.
Offene Kritik an der Wiedereröffnung aller Schulen übt die Schülervertretung der Gesamtschule Marienheide. In einem offenen Brief wird der klassische Präsenz-Unterricht kritisiert, stattdessen für weiteren Online-Unterricht plädiert. „Das Risiko ist zu einfach zu hoch“, heißt es vonseiten der Schülervertretung. Zum einen bestehe bis zum 4. Mai weiterhin das Kontaktverbot, zum anderen sollen erst am 29. April in der Kultusministerkonferenz Maßnahmen zu Hygiene und Schutz vereinbart werden. Durch den bereits am 23. April startenden Unterricht würden sich mehrere Probleme ergeben. In der Gesamtschule Marienheide fehle es nicht nur an ausreichendem Platz, sondern auch an Waschbecken.
Zudem seien an der Schule mehrere Internatsschüler aus dem Ausland, sodass die Gefahr einer erneuten Ausbreitung des Virus gegeben sei, auch weil viele Schüler während der Schulschließung durch ehrenamtliche Arbeit häufig mit Menschen in Kontakt standen. Auch stört sich die Schülervertretung daran, dass wenig Rücksicht auf die Forderungen von Schülern, Eltern und Lehrern genommen wurde. „Wir fühlen uns hintergangen und unfair behandelt“, wird in dem Brief von einer großen psychischen Belastung gesprochen.
Zumindest in Sachen Schultransport gibt es aber bereits Antworten. Wie Corinna Güllner, Geschäftsführerin der OVAG, auf Nachfrage mitteilt, wird ab Montag der reguläre Fahrplan wieder hochgefahren. Ab Donnerstag fahren dann auch wieder bedarfsgerecht die Schulbusse. Das Vorgehen sei bereits mit der Kreisverwaltung abgestimmt worden. Wie aber in den Bussen alle Bestimmungen erfüllt werden sollen, wenn im Mai der Schulbetrieb nach und nach wieder hochgefahren wird, darüber mache sich die Geschäftsführerin nun „intensive Gedanken“. „Unsere Ressourcen sind nun einmal endlich.“
Zu den Gedanken gehört, den Fahrzeugpool mit Bussen anderer Busunternehmen zu erweitern, um einen Mindestabstand zwischen den Fahrgästen besser einhalten zu können. Außerdem sollte es eine Aufgabe für Schulen und Betriebe sein, dass nicht alle zwischen 7 und 8 Uhr den Bus nehmen müssen, sondern dass Anfangszeiten gestaffelt würden. Zudem appelliert Güllner an die Fahrgäste, der Empfehlung des Bunds zu folgen und nun Schutzmasken im Bus zu tragen. Die Stadt Gummersbach empfiehlt Eltern zudem – abweichend von ihrer üblichen Vorgehensweise – die Schüler zunächst möglichst mit dem Auto abzuholen.
KOMMENTARE
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Hier sollte dringend auch über unkonventionelle Lernmöglichkeiten nachgedacht werden: Lernen über die neuen Medien! Videokonferenzen und co. können hierbei sehr hilfreich sein und sowohl die Busunternehmen, die Lehrer und auch die Schüler massiv entlasten in der aktuellen Situation!
Andreas Reiter, 16.04.2020, 18:54 Uhr2
Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisiert die zu geringe Vorbereitungszeit und fehlende Vorgaben zu vielen Bereichen, z.B. den Hygienestandards und hat daher eine Petition gestartet: http://chng.it/KXY6b7pN
Jana Koch, 17.04.2020, 13:00 UhrLinks zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
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