POLITIK

Solarpark-Protest: Kritik, Enttäuschung und ein langer Atem

lw; 10.01.2025, 16:02 Uhr
Symbolfoto: PublicDomainPictures from Pixabay
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Solarpark-Protest: Kritik, Enttäuschung und ein langer Atem

lw; 10.01.2025, 16:02 Uhr
Morsbach – Viele Anwohner sind von den Plänen der RheinEnergie und der AggerEnergie im Asbachtal nicht begeistert – Drei PV-Parks auf 20 Hektar Fläche.

Von Lars Weber

 

Sachlich, engagiert und mit einem Ziel: So sitzen die neun Teilnehmer des sogenannten „Vorbereitungsteams“ kurz vor Weihnachten im Dorfbackes von Christoph Friedrichs in Niederasbach zusammen, um mit OA über das Thema zu sprechen, das sie bewegt. Inzwischen ist das „Vorbereitungsteam“ eine eingeschworene Truppe. Immerhin feiert das Team in gewisser Weise gerade Geburtstag. Vor gut einem Jahr, Anfang Dezember 2023, wurden vom Morsbacher Umwelt- und Entwicklungsausschuss die Aufstellungsbeschlüsse für das Großprojekt Solarpark Asbachtal I bis III einstimmig verabschiedet. Die Pläne dafür wurden damals ebenfalls erstmalig von RheinEnergie und AggerEnergie der Öffentlichkeit vorgestellt. Drei große Photovoltaik-Freiflächenanlagen, angesiedelt auf Flächen eines örtlichen Landwirts, sollen verteilt auf 30 Hektar rund um Oberasbach entstehen – etwa 30 Fußballfelder. Inzwischen, so sehen es die aktuellen Pläne vor, sind aus 30 Hektar 20 geworden (OA berichtete).

 

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Gegen erneuerbare Energien ist keiner des „Vorbereitungsteams“ – doch die schiere Größe des Projekts brachte sie vor über einem Jahr alle an einen Tisch zusammen, und zwar aus sämtlichen Orten rund um das geplante Vorhaben: Ober-, Über- und Niederasbach sowie Stippe. Um sich zum einen schlau zu machen über die Vorgänge vor ihrer Haustüre, aber auch um Veränderungen für das Projekt zu erwirken. Die Gruppe – insgesamt etwa zehn Männer und Frauen stark – spricht dabei vor allem für die rund 140 Menschen aus den Orten, die sich auf einer Unterschriftenliste verewigt hatten.

 

Wie haben die Anwohner von den Plänen erfahren?

 

So wie Peter Friese aus Oberasbach es erzählt, haben die Anwohner erst wenige Tage vor der Sitzung des Umwelt- und Entwicklungsausschusses von den Plänen erfahren, und zwar über Landwirt Klaus Schumacher, der seine Flächen für das Projekt zur Verfügung stellt. Es hätte sich zunächst aber nicht so groß angehört, wie es dann in der Sitzung vorgestellt wurde. „Wir waren alle geplättet, auch weil schon so viel geklärt schien. Nach draußen war nichts durchgesickert.“ Für Friese habe diese Vorgehensweise nichts mit seinem Demokratieverständnis zu tun. „Wäre es nicht normal gewesen, sich vorher auszutauschen und alle zu informieren?“

 

Manch anderer Anwohner stolperte nur zufällig über den Tagesordnungspunkt im Bürgerinformationssystem, ergänzt Norbert Schindler aus Niederasbach, der auf seinem Computer alle Vorgänge, die seitdem in Gang gesetzt wurden, säuberlich abspeichert. Die Asbacher hätten den Eindruck gehabt, dass auch die Fraktionen durchaus noch Bedenkzeit benötigt hätten vor der Abstimmung in derselben Sitzung. Doch so stand eine einstimmige Entscheidung bei zwei Enthaltungen und das Großprojekt durfte Fahrt aufnehmen.

 

[Grafik: RheinEnergie --- Oberhalb von Oberasbach befindet sich die größte Fläche. Eine weitere Fläche ist entlang der L 344 angedacht, eine dritte bei Überasbach und Lichtenberg (unten). Die RheinEnergie hat eine Projekt-Homepage freigeschaltet, über die man sich weiter informieren kann.]

 

Welche Bedenken haben sie?

 

„Wir sind nicht gegen erneuerbare Energien“, sagen alle neun anwesenden Mitglieder unisono. Neben Schindler und Friese sind das Marita Dreisbach, Christoph Friedrichs, Jens Jacobi, Christian Lang, Michael Mehlmann, Michael Schindler und Holger Thiele. Doch das angestrebte Projekt in dieser Größe und in dieser Konzentration auf die Flächen auf engem Raum, dies können sie nicht unterstützen. „Ist es nicht möglich, dies gerechter zu verteilen in der Gemeinde?“, fragt Friese.

 

Sie ziehen dabei auch den Leitfaden des Oberbergischen Kreises zur Steuerung der PV-Freiflächenanlagen heran. Darin wurde versucht, ein mögliches Ausbauziel für den OBK zu umreißen: Unter der Annahme, dass auf einem Hektar etwa 1 MW erzeugt werden könne und unter Berücksichtigung des Ausbauziels des Bunds seien bis 2030 im Oberbergischen Kreis 200 Hektar PV-Freiflächen nötig. Dies seien 15 Hektar pro Kommune (bis 2045 werden 34 Hektar empfohlen). Nun würden nach aktuellen Planungsstand bereits 20 Hektar in Morsbach an einer Stelle beplant, die Quote also übererfüllt. „Dabei gehören wir zu den sechs flächenmäßig kleinsten Gemeinden im Kreis, nach Einwohnern sind wir sogar die kleinste“, so Norbert Schindler.

 

Ihm fehlt in der Diskussion komplett der Abwägungsprozess, und zwar zwischen dem Landschaftsverbrauch bei der Energieerzeugung durch Freiflächenphotovoltaikanlagen, der durch kommunales Planungsrecht beeinflussbar sei, und der Energieerzeugung durch Windräder. Dieser Prozess sei nicht durchgeführt worden. Bei letzterem ist der kommunale Einfluss gering, die Festlegung von Vorranggebieten für Windenergie im Regionalplan ist im Gange. Dieser fehlende Abwägungsprozess „stört mich am meisten“, sagt Norbert Schindler.

 

Sie verweisen dabei auch auf das Konzept „Erneuerbare Energien“ der Gemeinde Morsbach, das Ende September vom Rat bei neun Gegenstimmen mehrheitlich verabschiedet wurde. Sie stört, dass bei den Energiezielen bis 2040 mit Zahlen gearbeitet werde, die sich durch die stetige Verbesserung der PV-Techniken noch stark verändern werden, gerade auch bei PV auf den Hausdächern – trotzdem sollen nun mit einem Schlag direkt 20 Hektar Fläche mit Anlagen bebaut werden. Die Bürger fordern da mehr Weitsicht, um Flächen zu schonen.

 

Was haben sie im vergangenen Jahr unternommen?

 

Direkt nach Bekanntwerden der Pläne sammelten die Asbacher Unterschriften und übergaben diese an Rat und Verwaltung: Von den vier Ortschaften mit etwa 90 Häusern mit rund 220 Einwohnern haben 136 Bürger unterschrieben. Darin forderten sie, sich „vor Ort ein Bild davon zu machen, wie sich unsere Dörfer mit diesem gigantischen Photovoltaikpark verändern werden“. Um dies zu veranschaulichen steckten sie im vergangenen Winter mithilfe von 4,50 Meter hohen Dachlatten die einzelnen Flächen ab (Anm.d.Red.: Laut aktuellen Plänen der RheinEnergie sollen die Panelen zwischen 3,2 und 3,7 Meter hoch sein), trugen dabei selbst gut sichtbare Warnwesten. „Ich glaube, die Räte waren beeindruckt davon“, sagt Schindler.

 

[Fotos: privat --- Mit vereinten Kräften versuchten die Asbacher vor einem Jahr die Ausmaße des Projekts greifbar zu machen.]

 

Es war die öffentlichkeitswirksamste Aktion. Ein Versuch, den Aufstellungsbeschluss aufheben zu lassen, scheiterte. Trotzdem ließen die Asbacher nicht locker und versuchten mit weiteren Eingaben vor allem, Politik und Rathaus für ihre Belange zu sensibilisieren, damit diese bei Diskussionen und Abstimmungen über den OBK-Leitfaden und das Energiekonzept gehört werden. Zudem gab es Treffen zwischen den Asbachern, Verwaltung, Politik und auch Projektierern.

 

Wie geht es mit dem Projekt weiter?

 

Aktuell wird die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen der Bauleitplanung vorbereitet, wie Benjamin Schneider, Fachbereichsleiter bei der Gemeinde Morsbach, bestätigt. „Wir befinden uns in der Abstimmung mit dem Projektierer.“ Die RheinEnergie arbeitet an der Erstellung der Bebauungspläne und des Umweltberichts. Nächste Woche soll es zu weiteren Abstimmungsgesprächen kommen. Laut RheinEnergie sind die im Dezember vorgestellten Pläne weiter aktuell. Schneider hält den Start der sogenannten frühzeitigen Bürgerbeteiligung im Februar für möglich, vorausgesetzt alle Unterlagen seien vollständig und es gebe keine weitere inhaltlichen Anpassungen. Er betont, dass sich die Pläne im Entwurfsstadium befinden.

 

Wenn die frühzeitige Beteiligung startet, gibt es für einen Monat öffentlich Einblicke in die Entwürfe und die textlichen Festsetzungen sowie den Umweltbericht und es sind Eingaben der Bürger möglich. Mit diesen müssen die Projektverantwortlichen sich dann auseinandersetzen. Falls nötig, müssen auch Änderungen vorgenommen werden. Anschließend geht es in die eigentliche Offenlage der B-Pläne. Je nach Eingaben und Einwendungen und dem Termin für die zweite Offenlage könnte bis Herbst Baurecht entstehen.

 

Schneider betont, dass sich das Projekt innerhalb des Leitfadens und des Energiekonzepts bewege, die die Politik beschlossen haben. So befänden sich die Asbacher Flächen auch bei den Vorrangflächen, die im Energiekonzept vorgesehen seien. Mit der Entwicklung im Bereich der Erneuerbaren Energien reagiere Morsbach darüber hinaus – wie andere Kommunen auch – auf den Willen der Bundes- und Landesgesetzgebung. Wenn sich Projektierer innerhalb der Gesetze bewegten und zudem sogar private Flächen zur Verfügung gestellt würden, könne die Verwaltung nicht ohne weiteres Projekte ablehnen.  Schneider verweist dabei auf das positive Votum der Politik, das jedoch auch nicht automatisch grünes Licht bedeutet hat, sondern der Startschuss für das Regelverfahren mit umfänglicher Beteiligung der Öffentlichkeit war.

 

Wird es eine Bürgerversammlung geben?

 

Bürgermeister Jörg Bukowski hatte in einer Ratssitzung vor einem Jahr eine Informationsveranstaltung mit Bürgerbeteiligung zugesagt. Zuständig dafür sind die Projektierer. Auf Nachfrage bestätigt ein Sprecher der RheinEnergie, dass eine Bürgerveranstaltung kommen soll. Nur der Zeitpunkt sei noch unklar. „Die Veranstaltung soll im Rahmen des Beteiligungsverfahrens stattfinden.“

 

Wie geht es mit dem Protest weiter?

 

Auf die erste Einsicht in die B-Plan-Entwürfe warten auch die Asbacher gespannt. Sie wollen das weitere Verfahren eng begleiten. Dass sie die Möglichkeit nutzen werden, um dabei Eingaben zu machen, ist sicher. „Welche wir machen, kommt auf die konkreten Inhalte an“, so Schindler. Unter anderem im Blick haben sie die Abstände zur Wohnbebauung oder auch die Sichtbeziehungen. Auch juristische Unterstützung und Schritte würden geprüft. Weiter im Blick behalten möchten sie auch die Möglichkeiten für Bürger, denen Beteiligungsoptionen zum Beispiel in Form von Energiegenossenschaften zugesagt wurden. Bei der Ausschusssitzung im Dezember blieben die Aussagen der AggerEnergie noch im Vagen. Generell wissen die Asbacher, dass es schwer wird, noch an vielen entscheidenden Rädchen zu drehen, nachdem der Aufstellungsbeschluss politisch eine Mehrheit fand. „Wir möchten weiter offen und ehrlich mit allen Beteiligten sprechen.“

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