POLITIK
Stücker möchte sich finanziellem Spagat stellen – und Bürgermeister bleiben
Wiehl – Bei der Haushaltseinbringung verkündet der Amtsinhaber seine erneute Kandidatur im kommenden Jahr – Defizit über 3,4 Millionen Euro in 2025 erwartet – Stücker beschwört gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Von Lars Weber
In vielen Rathäusern im Oberbergischen Kreis werden im Herbst kommenden Jahres die Chefsessel neu besetzt werden, da die Amtsinhaber sich wahlweise neuen Herausforderungen widmen möchten oder in den Ruhestand gehen. In Wiehl hat der amtierende Bürgermeister Ulrich Stücker nun gestern in seiner Haushaltsrede angekündigt, ein drittes Mal kandidieren zu wollen und sich den Herausforderungen in seiner Kommune zu stellen. Diese sind angesichts der Rahmenbedingungen weiterhin vielfältig, was sich auch im aktuellen Haushaltsplanentwurf widerspiegelt. Die nächsten Jahre erwartet die Verwaltung defizitäre Ergebnisse, die von der Kommunalaufsicht genehmigt werden müssen - in 2025 wird ein Minus über 3,4 Millionen Euro prognostiziert. Stücker glaubt trotzdem an eine „gute Ausgangssituation Wiehls in unsicheren Zeiten“.
Angesichts der vielen Krisen – von Corona, über Klimaveränderungen, Finanzkrisen bis zu Kriegen – seien die Menschen „maximal verunsichert“. Entscheidungen, die getroffen wurden, hätten auch zu einer Vertrauenskrise in die Demokratie geführt. Er könne den Menschen das Gefühl der Krise nicht nehmen, sondern wolle überlegen, „was wir für Wiehl tun können“. Ganz oben auf Stückers Liste der priorisierten Handlungsfelder steht deshalb auch der gesellschaftliche Zusammenhalt. Deshalb müsse das Ehrenamt weiter gefördert und unterstützt werden, es decke alle gesellschaftlichen Themen ab. Seit 2022 wurden 14 Millionen Euro in Infrastruktur gesteckt, von der das Ehrenamt profitiere – dies solle weiterhin geschehen.
Stücker betonte angesichts steigender Flüchtlingszahlen, dass „eine vielfältige Gesellschaft eine gute Gesellschaft“ sei. Trotzdem nehme auch er die Tendenz wahr, dass Bürger immer mehr auf Distanz gingen. „Aufkommende Konflikte müssen wir ernstnehmen, wir müssen über alles offen sprechen können“, so der Bürgermeister. „Pauschale Stigmatisierungen sind aber dumm und töricht.“ Er verwies darauf, dass die dezentrale Unterbringung bislang funktioniert habe. Ungeachtet dessen, wie sich die Flüchtlingszahlen entwickelten, erinnerte Stücker zudem daran, dass es ohne qualifizierte Zuwanderung nicht möglich sein werde, den Wohlstand aufrecht zu erhalten.
Kein saisonales Thema werden dürfe der Klimaschutz. „Er ist essenziell wichtig“, so Stücker. Die kommunale Wärmeplanung, energetische Sanierung städtischer Gebäude, der Sporthalle und des Schulzentrums Bielstein, PV-Freiflächenanlagen – so möchte die Stadt unter anderem Beiträge leisten; 1,6 Millionen Euro sind dafür veranschlagt. Bei den Themen Infrastruktur sollen neben der Sicherheit (1,6 Millionen für die Feuerwehr) die Schulen eine große Rolle spielen. Die Planung des Gymnasiums natürlich, aber auch die Umstrukturierung des Grundschulstandorts Marienhagen oder die mögliche Gesamtschule in Bielstein – mehr als vier Millionen Euro seien für Schulen vorgesehen.
4,5 Millionen Euro sollen allein in Straßen und Brücken fließen, das ISEK abgeschlossen werden. Stücker setzt weiter darauf, dass der Grunderwerb durch die BEW Grundlagen schaffen wird, um bezahlbaren Wohnraum und neue Arbeitsplätze zu kreieren. 1,9 Millionen Euro nimmt die Stadt für den Grunderwerb in die Hand. Weitergehen sollen darüber hinaus die Planungen für das Baugebiet Brächen und das Seequartier am Wiehlpark – der alte ProMarkt soll Anfang 2025 abgerissen werden.
Der Haushaltsentwurf in Zahlen (Euro)
Erträge: 80,2 Millionen
Aufwendungen: 83,6 Millionen
Steuern: Grundsteuer A: 260 v.H., Grundsteuer B: 631 v.H., Gewerbesteuer: 480 v.H.
Einnahmen:
Gewerbesteuer: 28,2 Millionen
Einkommenssteueranteil: 15,1 Millionen
Schlüsselzuweisungen: 0 €
Grundsteuer B: 5,2 Millionen
Ausgaben:
Personal: 16,9 Millionen
Investitionen: 22,5 Millionen
Kreisumlage: 21,7 Millionen
Entnahme Ausgleichsrücklage: 3,2 Millionen + 0,2 Millionen aus der allgemeinen Rücklage
Kreditaufnahmeermächtigung: 18 Millionen (für Investitionen)
Was die schwierigen Rahmenbedingungen angeht, wolle er mit dem Finger nicht auf andere zeigen. Auch wenn – dies war dann doch an Bund und Land gerichtet - eine solide Finanzausstattung für die Kommunen zwingend nötig sei. Und jene Finanzstabilität sei zugleich ebenfalls eines der priorisierten Handlungsfelder für die kommenden Jahre. „Alle Handlungsfelder bedingen sich gegenseitig“, so Stücker. Einnahmengenerierung zum Beispiel durch Fördermittel auf der einen Seite, aber auch Ausgabenreduzierung und Einschnitte auf der anderen Seite, diesen Spagat müsse die Verwaltung schaffen – und zwar ohne, dass die Einnahmen nur über die steuerliche Seite gestärkt werden.
Stücker ist überzeugt, dass die Verwaltung dies schaffen kann und dankte seinen Mitarbeitern. „Und ich möchte dieses Team weiter begleiten und beabsichtige, wieder zu kandidieren“, hielt er diese Informationen knapp. Die Wiehler SPD kündigte noch am Abend in einer Mitteilung ihre Unterstützung an. „Wir sind überzeugt, dass Bürgermeister Stücker mit seiner Erfahrung die richtige Wahl für die Zukunft Wiehls ist“, heißt es unter anderem darin.
Die Zahlen zum Haushalt stellten der Beigeordnete und Kämmerer Peter Madel sowie Fachbereichsleiter Alf Karsten vor. Unter den schwierigen Bedingungen bezeichnete Madel den Haushaltsentwurf als solide. Erträge über 80,2 Millionen Euro stehen Aufwendungen über 83,6 Millionen Euro gegenüber, die zu dem Defizit über 3,4 Millionen Euro führen.
Neben der bundesweiten wirtschaftlichen Entwicklung sorgten die weiter steigenden Kosten im Bereich der Hilfen zur Erziehung und Kindpauschalen oder auch die steigende Kreisumlage (von 18,7 auf 21,7 Millionen Euro) für die angespannte Situation. Um dem entgegenzuwirken, seien alle Ausgaben kritisch geprüft worden. Genutzt werde zudem weiter das Instrument des „globalen Minderaufwands“, der auf zwei Prozent erhöht werde. Die Ausgleichsrücklage (3,2 Millionen Euro) würde rechnerisch zwar aufgebraucht, da sich der aktuelle Haushalt aber dank zehn Millionen Euro höherer Gewerbeeinnahmen gut entwickelt habe, werde die Rücklage 2025 wieder gefüllt. Nicht zu vergessen bei den Defiziten, die auch bis 2028 erwartet werden und jeweils bei rund drei Millionen Euro liegen: der Einfluss des Baumaßnahme Gymnasium, die da schon eingepreist ist.
Gerechnet wurde bei der Grundsteuer B mit einheitlichem Hebesatz von 631 Prozent (OA berichtete). Ob dies so bleibe oder der Rat sich trotz Rechtsunsicherheiten für einen differenzierten Hebesatz entscheide, werden die Beratungen zeigen. Die Grundsteuer A soll unverändert bei 260 Prozent bleiben, die Gewerbesteuer leicht steigen von 475 bis 480 Prozent.
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