POLITIK
Umweltkatastrophe: „Wir haben ein Loch im Güllebehälter gefunden“
Oberberg – Kreisdirektorin des Märkischen Kreises berichtete im Umweltausschuss ausführlich über den aktuellen Stand der Erkenntnisse, die zu dem neuerlichen Gülle-Eintrag im Neyegebiet geführt haben könnten.
Von Lars Weber
Zwei Monate ist es nun her, dass von einem landwirtschaftlichen Betrieb in Halver-Kotten im Märkischen Kreis mehrere 100.000 Liter Gülle in einen Nebenarm der Neye flossen und die oberbergische Neyetalsperre kontaminierten. Aufwendigen Reinigungsarbeiten zum Trotz war der Schaden bereits passiert: Nach Einschätzung von Fachleuten kann es mehrere Jahre dauern, bis sich das Gebiet von dem Gülleeintrag wieder vollständig erholt – gerade existiert dort so gut wie kein Leben mehr, es sei biologisch tot (OA berichtete). Schon die Gülle-Katastrophe von 2015 hatte ihren Ursprung bei jenem Landwirt, der auch dieses Mal im Fokus steht. Die oberbergische Politik hatte daher dem Märkischen Kreis Behördenversagen und mangelnde Kontrollen vorgeworfen (OA berichtete). Nachdem es nach einer ersten Einladung nicht funktioniert hatte, hat nun Barbara Dienstel-Kümper, Kreisdirektorin beim Märkischen Kreis, im Umweltausschuss ausführlich über den aktuellen Stand der Erkenntnisse gesprochen, die zum neuerlichen Gülle-Eintrag geführt haben könnten – und über die vielfältigen Kontrollen des Hofs in den vergangenen Jahren.
Auf Spurensuche
Dienstel-Kümper gab den Abgeordneten anhand eines Luftbilds des landwirtschaftlichen Betriebs, der tatsächlich direkt an der Grenze zum Oberbergischen Kreis liege, Einblicke in die Gedankengänge während der kreislichen Ermittlungen. Zuletzt gab es 460 Rinder auf dem Hof, die drei Haltern gehören. Auch ein Oberberger sei dabei. Drei Güllebehälter unterschiedlicher Größe befinden sich auf dem Gelände. Aus dem Größten von ihnen – er fasst 6.000 Kubikmeter – sei 2015 unkontrolliert Gülle ausgelaufen, nachdem ein Schieberegler nachts geöffnet wurde. Ein Strafverfahren gegen den Landwirt endete mit einem Freispruch aus Mangel an Beweisen, erinnerte die Kreisdirektorin. „Er hatte damals gesagt, dass Fremdarbeiter sich an ihm rächen wollten und die Schuld von sich gewiesen.“
Die Errichtung dieses großen Güllebehälters sei gebunden gewesen an den Bau eines weiteren Stalls – der jedoch nie errichtet worden sei, weshalb der Kreis eine Rückbauverfügung für den Güllebehälter aussprach. Diese Sache wurde beklagt, weshalb der Behälter weiter auf dem Gelände steht. „Er ist seit 2015 aber nachweislich nur mit Regenwasser gefüllt.“ Damit scheidet er aus, wenn es darum geht, die Ursprünge des neuerlichen Gülle-Eintrags zu ergründen.
Der kleinste und älteste Güllebehälter mit 400 Kubikmetern steht auf dem abschüssigen Gelände des Hofs schlicht auf der falschen Seite. Von dort hätte die Gülle quer über den Hof laufen müssen. Im Fokus sei daher der dritte Behälter mit einem Volumen von 2.000 Kubikmetern, dessen Standort auch zu den Vorfällen passt. „Dort haben wir ein Loch gefunden“, so Dienstel-Kümper.
Schon diverse juristische Auseinandersetzungen
Wann dieses Loch in den Behälter gekommen ist, ob und wieviel Gülle dort hinausgelaufen sein könnte? Dies solle eine gutachterliche Überprüfung der Standsicherheit und Dichtigkeit zeigen. Die Kreisdirektorin ist froh, zumindest bauordnungsrechtlich schon einmal was gegen den Landwirt in der Hand zu haben – denn das Loch hätte da auf keinen Fall hingehört. Gerichtliche Auseinandersetzungen gebe es bereits zuhauf mit dem Mann. Neben den strafrechtlichen und zivilrechtlichen Prozessen rund um die Katastrophe 2015 (Schadenersatzzahlungen über 200.000 Euro an den Talsperrenbetreiber stünden noch aus. Wenn es nach Dienstel-Kümper geht, sollen 100.000 Euro für die nun erfolgte, aufwendige Reinigung noch obendrauf kommen) sei der Landwirt zuletzt auch der Bedrohung gegen Mitarbeiter des Kreises schuldig gesprochen worden, erzählte Dienstel-Kümper.
Man kennt sich also, wenn man so möchte. Daher wundert sich die Kreisdirektorin auch nicht darüber, dass der Mann seine eigene Theorie über den Gülle-Eintrag habe. Wie Dienstel-Kümper erklärte, solle demnach die Gülle, die die Rinder auf der Weide ausgeschieden hätten, von Starkregen verflüssigt worden und quer über den Hof Richtung Gewässer geflossen sein. Viel Glauben schenken möchte der Kreis dieser Theorie nicht. Die Wetterdaten überprüft hätten sie trotzdem. „Es gab keinen Starkregen in dem von ihm angegebenen Zeitraum.“ Letztlich müssten die ermittelnde Polizei und Staatsanwaltschaft sehen, was sie aus diesen Aussagen machten.
Momentan seien die Güllebehälter leer, dies sei für die Überprüfungen notwendig. Da natürlich trotzdem weiter Gülle anfalle und diese nicht mehr auf die Felder ausgebracht werden dürfe, habe der Landwirt nun bei befreundeten Landwirten – unter anderem im Oberbergischen Kreis, im Rheinland oder auch Hessen – Behälter gemietet, wohin die Gülle per Tanklaster transportiert werde. „Nachweise dazu hat er uns freiwillig zur Verfügung gestellt.“ Freiwillig deshalb, weil der Märkische Kreis nicht mehr zuständig ist, sobald die Gülle den Hof verlässt. Dies sei dann Sache der Landwirtschaftskammer. Lukas Miebach (CDU) kritisierte das "Dilemma bei den Zuständigkeiten": "Der Staat wird düpiert".
Jede Woche wird kontrolliert
Der Märkische Kreis kontrolliere den Hof nun wieder sehr engmaschig. Zwei Mitarbeiter schauten einmal die Woche vorbei, besonderes Augenmerk hätten sie natürlich auf die Güllebehälter. Ähnlich lief es nach dem Vorfall 2015. Mehr als 50 unangekündigte Kontrollen gab es danach in sieben Jahren. „Nie wurde etwas gefunden“, so die Kreisdirektorin, weshalb diese Art der Kontrollen November 2022 eingestellt worden seien.
Die Mitglieder des Umweltausschusses dankten den Ausführungen der Kreisdirektorin. „Ich habe den Eindruck, der Märkische Kreis hat sorgfältig gehandelt“, sagte Seb Schäfer (Grüne). Tobias Schneider (SPD) nahm den Vorwurf des Behördenversagens offiziell zurück. Dr. Friedrich Wilke (FDP/FWO/DU) hinterfragte allerdings nachdrücklich, weshalb das Loch im Güllebehälter nicht schon früher aufgefallen war – Dienstel-Kümper hoffte, weitere Antworten nach der genauen Überprüfung liefern zu können.
Eine Nutzungsuntersagung, also sozusagen eine Schließung des Betriebs nach den Vorfällen 2015, sei indes nicht möglich gewesen, sagte sie auf Nachfrage. Zunächst habe es keine Beweise für eine Schuld des Landwirts gegeben. Und auch wenn es sich angesichts des entstandenen Umweltschadens nicht schön anhöre: „Es war nur Sachschaden, es sind keine Menschen zu Schaden gekommen.“ Eine Betriebsschließung müsse verhältnismäßig sein. Dies sei hier nicht der Fall gewesen, wenn durch eine Schließung die Existenz einer ganzen landwirtschaftlichen Familie zerstört worden wäre. „Dies hätte vor keinem Gericht Bestand gehabt.“
ARTIKEL TEILEN