POLITIK

Von Wasserschäden, Haushaltsschocks und viel Herzblut

lw; 17.10.2025, 14:14 Uhr
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Foto: Lars Weber --- Hilko Redenius war 16 Jahre lang Bürgermeister der Gemeinde Nümbrecht - jetzt geht der 64-Jährige in Rente.
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Von Wasserschäden, Haushaltsschocks und viel Herzblut

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lw; 17.10.2025, 14:14 Uhr
Nümbrecht – Nach 16 Jahren endet die Zeit von Hilko Redenius als Bürgermeister der Gemeinde Nümbrecht – OA hat mit ihm vor seinem Abschied gesprochen.

Von Lars Weber

 

„Ich habe mir morgens immer gesagt: Heut Abend möchte ich mich noch im Spiegel anschauen können.“ Und wenn Hilko Redenius Ende des Monats nach 16 Jahren als Bürgermeister der Gemeinde Nümbrecht seinen Hut nimmt und sich in die Rente verabschiedet, dann wird dieser Satz Bestand haben. Vom Wasserschaden über Haushaltsschocks, von Flüchtlingskrisen bis zur Pandemie, von erfolgreichen Großprojekten bis zum Scheitern ambitionierter Pläne. OA hat mit dem 64-Jähirgen gesprochen und mehr als anderthalb Jahrzehnte Revue passieren lassen.

 

Dass er als Beigeordneter in der Gemeinde Neunkirchen-Seelscheid überhaupt in Nümbrecht gelandet ist, haben die Nümbrechter in gewisser Weise den Grünen zu verdanken. Denn es war nicht die Idee des Friesen, es bei der Wahl 2009 im Oberbergischen zu versuchen. „Karl-Heinz Schillings von den Grünen war der erste, der mich angerufen hat“, erinnert sich Redenius. Erst dann seien seine Parteikollegen der CDU auf ihn zugekommen. „So bin ich ans Überlegen gekommen.“ Zuvor hatte er den Ratsmitgliedern einen Vortrag über neues kommunales Finanzmanagement gehalten und sie so kennengelernt – und man sei sich sympathisch gewesen. Auch Nümbrecht kannte er schon. „Ich habe dann mit meiner Frau überlegt. Ein Jahr vorher hatte es schonmal eine Anfrage gegeben aus dem Rhein-Sieg-Kreis, das passte aber nicht. Bei Nümbrecht waren wir beide der Auffassung, ja, das könnte passen. Da war so eine Grundsympathie da.“

 

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Das Gefühl täuschte ihn nicht. Er überzeugte auch die Nümbrechter Bürgerinnen und Bürger und wurde 2009 zum ersten Mal gewählt. Der Start im Rathaus war aber eine nasse Angelegenheit. „Kurz, bevor ich gekommen bin, hat man hier das Dach neu gemacht, man hat auch die Photovoltaik draufgesetzt und auch einen neuen Anschluss. Und der Anschluss hat sich wohl an einem Novemberwochenende gelöst. Und es hat das ganze Wochenende geregnet und wir hatten hier alles voll Wasser.“ Die Lampen, die damals im Foyer hingen, waren zur Hälfte mit Wasser gefüllt. „Das war mein toller Start“, erinnert sich Redenius und lacht.

 

In gewisser Weise ging es dann vom Regen in die Traufe, als die Derivate-Verträge der Gemeinde um die Ohren flogen – der „Swap-Schock“, wie Redenius es nennt. Ein Schock, von dem sich die Gemeinde aber erholt habe. „Ich glaube, wir haben einen sehr guten Weg gefunden, aus moderaten Steuererhöhungen, das war ja immer nur der Inflationsausgleich, und einschneidenden Sparmaßnahmen.“ Der Rat und die Verwaltung hätten da an einem Strang gezogen. „Und 2018 hatten wir den ausgeglichenen Haushalt geschafft.“ Dass dann die Pandemie kam und nicht nur Verwaltung und Bürger im Griff hatte, sondern der Wirtschaft solchen Schaden zufügte, dass die Gemeinde direkt wieder in Schieflage geriet, sei frustrierend gewesen. „Unsere Arbeit war mit einem Wusch weg.“

 

Noch schlimmer seien aber die Folgen der Ukraine-Krise gewesen, da einige große Nümbrechter Unternehmen ihre Produktionsstätten in Russland abschreiben mussten – was die Gemeinde wiederum in den Gewerbesteuereinnahmen spürte. 2023 gab es sieben Millionen Euro weniger als geplant. „Das hat natürlich reingehauen, das hat wehgetan.“ Die Gemeinde befindet sich im Haushaltssicherungskonzept und ist auf dem Weg, wieder ausgeglichene Haushalte hinzubekommen und dann auch Eigenkapital bilden zu können. Dabei unterstützen wird auch die Altschuldenhilfe.

 

Um nicht nur Nümbrecht, sondern allen NRW- Kommunen auf lange Sicht strukturell zu helfen, müsste das Land wie zum Beispiel in Hessen oder Rheinland-Pfalz die sogenannte überörtliche Sozialhilfe übernehmen. „Das sehe ich als eine gesamtstaatliche Aufgabe an, die nicht aus den kommunalen Steuern zu zahlen ist.“ Bemerkbar macht sich dies an der Kreisumlage. So muss Nümbrecht 100 Prozent der Gewerbesteuer und Grundsteuer an den Kreis überweisen.

 

Obwohl die Gemeinde mit ihren Finanzen kämpfen muss, ist viel in Nümbrecht passiert in den Redenius-Jahren. Investitionen in die Feuerwehr, ins Schulzentrum, in die Ortsmitte, das Stadion ist gerade eingeweiht, Sporthallen wurden saniert, die Kurpark-Umgestaltung steht an, mehr Platz für Gewerbe wurde geschaffen, ebenso wie Wohngebiete und auch die Gemeindetochter GWN hat mit dem Breitbandausbau eine besondere Erfolgsgeschichte geschrieben. „Ich bin stolz darauf, dass wir mit der Akquise von Fördermitteln unsere Infrastruktur derart gut in Schuss bringen konnten.“ Praktisch alle Gebäude im Bestand der Gemeinde seien durchsaniert.  

 

Redenius hofft, dass nun auch aus den Infrastrukturmittel-Milliarden Geld nach Nümbrecht fließt. Das könnte die Gemeinde gebrauchen für das Schulzentrum zum Beispiel, oder für die Feuerwehrhäuser in Marienberghausen und in Bierenbachtal – „und natürlich für Straßen“.

 

Alle Pläne, Visionen und Ideen, die im Laufe von 16 Jahren verfolgt wurden, konnten aber nicht umgesetzt werden. Man erinnere sich an die Gespräche, dass Investoren das Parkhotel der Gemeinde übernehmen und sogar noch ein zweites Hotel bauen könnten. Während Corona wurden diese Pläne aber ad acta gelegt. Letztlich ist Redenius hier gar nicht so traurig. Wenn neue Betreiber noch während der Pandemie hätten starten müssen: „Hätten die überhaupt eine Chance gehabt oder hätten wir da heute Ruinen stehen? Von daher: Alles hat seine Zeit.“ Im Zusammenhang mit dem Parkhotel und dessen Finanzen steht auch die Strafanzeige gegen den Bürgermeister. Hier gibt es noch keine weitere Entwicklung (OA berichtete).

 

Weh tut es Redenius, dass das kommunale medizinische Versorgungszentrum nicht an den Start gehen konnte, weil die Suche nach neuen Allgemeinmedizinern am Ende des Tages trotz einigen aussichtsreichen Gesprächen erfolglos blieb. „Da muss ich mit Fug und Recht sagen, das habe ich nicht gelöst. Obwohl die Gemeinde die besten Voraussetzungen gehabt hätte.“ Die medizinische Versorgung vor Ort sei ein Eckpfeiler der Daseinsfürsorge. „Wenn wir heute schon mitkriegen, dass hier Familien herziehen und die Eltern mit den Kindern immer noch nach Leverkusen zum Kinderarzt fahren müssen, weil sie hier keinen Kinderarzt kriegen: Das ist traurig und das ist nicht gerade ein Standortvorteil.“ Aktuell versucht unter anderem der Oberbergische Kreis, in Waldbröl ein MVZ aufzubauen. „Ich wäre froh, wenn dem Kreis das gelingt. Jede Arztstelle, die zusätzlich kommt in unserer Region, ist wichtig.“

 

Die Menschen im Rathaus, in der Politik und in der Bevölkerung, die ihn einst hierherzogen, sind auch jene, die er nun vermissen wird, wenn sein Schreibtisch geräumt ist. „Dieser Kontakt hat mir immer sehr viel Freude gemacht.“ Nicht vermissen wird Redenius dagegen den Terminkalender. „In den ersten beiden Jahren habe ich meinen Terminkalender ausgedruckt und dann die Tage gezählt, wo ich Termine hatte. Ich hatte sowohl in 2010 als auch 2011 einmal 295 Arbeitstage und ein Jahr später 285 Arbeitstage Das ist schon sehr, sehr intensiv.“ Aber für Nümbrecht war er gerne unterwegs.

 

Jetzt freut er sich auf Zeit mit seiner Frau, aufs Golfspielen oder dass er beim Fußball häufiger mal am Rand stehen kann. „Ich habe mich mit der Rente auseinandergesetzt, auch wenn ich mir jetzt nichts Bestimmtes vorgenommen habe. Ich bin aber mit mir überein, dass ich bereit bin.“ So ganz aus Nümbrecht weg ist er aber nicht. Vorsitzender vom Förderverein Jugendzentrum wird Redenius bleiben.

 

„Ich bin rundum zufrieden und sage: Die Gemeinde ist gut aufgestellt, ich hinterlasse hier etwas, da kann man weitermachen. Alles ist im Fluss.“ Dabei sei er stets er selbst geblieben. „Ich rede nunmal viel und bin auch manchmal ein Hau-drauf, so bin ich authentisch.“ Redenius Nachfolger ist Thomas Hellbusch, für den schon kurz nach der Wahl der Computer eingerichtet wurde. Er soll seinen eigenen Weg finden. „Hauptsache, er bleibt authentisch in dem, was er tut“, sagt Redenius. „Er soll versuchen, auch abends in den Spiegel gucken zu können.“

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