POLITIK
Wenn der Nicht-Transport teuer wird: Kreis und Krankenkassen ringen um Rettungsdienstleistungen
Oberberg – Sparkurs der Krankenkassen – Sehr unterschiedliche Auffassungen über „Fehlfahrten“.
Von Lars Weber
Der Oberbergische Kreis und die Krankenkassen ringen aktuell um die Preise für die Rettungsdienstleistungen. Hintergrund ist, dass der Kreis seit 2022 im Gebührenhaushalt des Rettungsdienstes Überschüsse erwirtschaftet. Die derzeit gültige Gebührensatzung basiert auf den Vorgaben des Rettungsdienstbedarfsplans 2020 und berücksichtigt sämtliche kostenrelevanten Faktoren. Unter anderem wurde damals damit gerechnet, schon früher in die Bauphasen für die neuen Rettungswachen einzutreten, was sich stellenweise aber noch hinzieht (OA berichtete). Gemäß des Kommunalabgabengesetzes müssen Kostenüberdeckungen am Ende eines Kalkulationszeitraums innerhalb von vier Jahren abgebaut werden. Daher hat der Kreis das Gespräch mit den Kostenträgern gesucht und eine neue Gebührenkalkulation vorgelegt. Um eine Position streiten die Krankenkassen aber mit dem Kreis. Und zuletzt war noch keine Einigung in Sicht. Kreisdirektor Klaus Grootens hat zuletzt in mehreren Ausschüssen seinem Ärger über die Situation Luft gemacht.
„Es geht um richtig viel Geld“, so Grootens im Finanzausschuss. Sein Ärger dreht sich um die sogenannten Fehleinsätze. „Fehleinsätze“ liegen laut Sozialgesetzbuch dann vor, wenn ein Transport zum Krankenhaus nicht erfolgt. „Das kann verschiedene Gründe haben“, so Grootens. Mal geht es dem Patienten besser, wenn er durch den Rettungsdienst versorgt wurde. Oder jede Hilfe kommt für den Patienten zu spät und er verstirbt noch am Einsatzort. Zu Fehleinsätzen gehörten aber auch beispielsweise die Bereitstellung des Rettungsdienstes bei Brandeinsätzen der Feuerwehr – auch hier verletzt sich zum Glück nicht immer jemand. Dann bleibt ein Transport aus – und der Einsatz ist streng genommen ein Fehleinsatz.
„Die Regelung stammt noch aus den 70er- oder 80er-Jahren, seitdem erfüllt der Rettungsdienst ganz andere Aufgaben und Funktionen als damals“, so Grootens. Nur: Angepasst wurde die Regelung im Sozialgesetzbuch vom Gesetzgeber nie.
Und so war man in den Verhandlungen mit den Krankenkassen immer davon abhängig, Lösungen dafür zu finden, sodass man die Fahrt nicht komplett selbst bezahlen oder sie gar dem Patienten in Rechnung stellen muss. Nun aber geht es den Krankenkassen aktuell finanziell nicht so gut. „Und nun gucken sie richtig aufs Geld.“
Im März schrieben die Kostenträger dem Kreis, dass sie eine Berücksichtigung der Fehleinsätze in der bisherigen Form künftig nicht mehr akzeptierten. Ab dem Jahr 2024 sollten diese Kosten nach Auffassung der Kostenträger vollständig vom Träger des Rettungsdienstes getragen werden. Für den Oberbergischen Kreis würde dies – basierend auf den Berechnungsmethoden der Kostenträger – eine finanzielle Belastung in Höhe von rund 3,2 Millionen Euro pro Jahr bedeuten. Der Oberbergische Kreis vertritt nach umfassender interner und externer rechtlicher Prüfung eine grundsätzlich andere Rechtsauffassung, so Grootens.
Diese Position wurde den Kostenträgern im Mai mitgeteilt, inklusive einer überarbeiteten Gebührenkalkulation, in der die Kosten für Fehleinsätze in der genannten Höhe nicht anerkannt werden. Seitdem sei einige Male gesprochen worden. „Die Positionen sind verhärtet“, so Grootens. Ziel bleibe es dennoch, eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen. Erfahrungswerte aus benachbarten Kreisen ließen jedoch annehmen, dass die Thematik der sogenannten Fehlfahrten weiteres Konfliktpotenzial in sich birgt. „In vergleichbaren Fällen haben Kostenträger bereits Rettungsdienstgebühren einseitig gekürzt oder eigenständig festgesetzt.“ Dies könne auch in Oberberg nicht ausgeschlossen werden.
„Es geht hier um grundsätzliche, systemische Fragen“, so Grootens. Daher hat der Oberbergische Kreis unter anderem den Landkreistag NRW um Unterstützung gebeten. „Im Zweifel ist es allerdings auch Aufgabe des Bundesgesetzgebers, klarstellende Regelungen ins SGB V aufzunehmen, um zu verhindern, dass bestimmte Kosten des Rettungsdienstes dauerhaft auf kommunaler Ebene verbleiben“, so die Verwaltung im Einklang mit der Politik. Für den Fall, dass die Kostenträger die Gebühren – wie bereits in anderen Kreisen geschehen – in den kommenden Wochen einseitig kürzen sollten, wird von der Verwaltung vorgeschlagen, auf eine unmittelbare Abrechnung des Differenzbetrages mit den Kostenschuldnern zu verzichten. Heißt mit anderen Worten: Die Patienten sollen keinesfalls belastet werden. Am Ende würde sich zweimal überlegt, ob überhaupt der Notruf gewählt wird – eine Situation, die niemand in Verwaltung und Politik möchte.
Für die Anpassung der Gebührensatzung und für das Vorgehen gab es zuletzt unter anderem vom Finanzausschuss grünes Licht. Entschieden wird vom Kreistag am Donnerstag.
KOMMENTARE
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"Die Patienten sollen keinesfalls belastet werden. Am Ende würde sich zweimal überlegt, ob überhaupt der Notruf gewählt wird - eine Situation, die niemand in Verwaltung und Politik möchte." Darf ich Zweifel anmelden? Wenn eine derartige "Diskussion" schon möglich geworden ist, frage ich mich, wie weit es noch gehen soll mit der "Kostenersparnis"; was lässt sich die Politik noch einfallen? Es geht um Menschenleben! Bisher habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Einsatzstelle 112 absolut zuverlässig und seriös handelt - es ging nicht um mich, sondern andere Menschen. Bisher galt: Besser einmal zu oft als einmal zu wenig anrufen. Künftig dann: Wer bezahlen kann, soll ruhig anrufen, andere nicht? Warum fällt mir jetzt gerade der geplante Glaspalast ein....
Cornelia Lang, 11.06.2025, 20:46 UhrLinks zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
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