POLITIK
Wo das Rad eine Auto-Alternative sein könnte
Oberberg – In wenigen Monaten soll das Mobilitätskonzept des Kreises stehen – Potenzialanalyse zeigt Optionen auf.
Von Lars Weber
Vor anderthalb Jahren begab sich der Oberbergische Kreis gemeinsam mit Vertretern aus Städten und Gemeinden, Mobilitätsbetrieben, Verbänden und anderer Organisationen auf den Weg, ein kreisweites Mobilitätskonzept zu erarbeiten. Alle Verkehrsmittel und Verkehrsnetze sollen dabei berücksichtigt werden. Dass das Auto im Kreis wohl seine bedeutende Rolle im ländlichen Raum bis auf Weiteres behalten wird, wurde früh deutlich (OA berichtete). Was im Umkehrschluss aber nicht bedeuten soll, so manchen Oberberger nicht doch dazu bewegen zu können, das Auto häufiger stehen zu lassen, indem zum Beispiel Radwege ausgebaut, die ÖPNV-Verbindungen angepasst oder mehr Sharing-Modelle an den Start gebracht werden. Im Kreisentwicklungsausschuss ist der aktuelle Sachstand vorgestellt worden. Auf das Spannendste müssen Politik und Öffentlichkeit weiter warten: Welche Maßnahmen wird das Konzept konkret beinhalten?
„Im letzten Drittel“ der Konzepterarbeitung sei man inzwischen angekommen, wie Kreisdezernent Frank Herhaus vor dem Vortrag von Lennart Bruhn des beauftragten Büros „stadtVerkehr“ einleitete. Auch der Wiehler Bürgermeister Ulrich Stücker war bei der Sitzung auf Metabolon in Lindlar zugegen als Mitglied der Steuerungsgruppe des integrierten Mobilitätskonzepts. Dem Kreis-Konzept soll dabei die „Scharnierfunktion“ zwischen Land, Region und Kommunen zukommen. Zu den kommunalen Verkehrskonzepten gebe es zwar Schnittmengen, so Stücker, die Unterschiede seien aber ebenso deutlich. Vor allem stoppt das Kreis-Konzept nicht an der Stadtgrenze, beschäftigt sich aber zum Beispiel nicht mit deutlich kommunalen Fragen wie der Parkraumsituation, grenzte Herhaus ab.
Die Potenzialanalyse, die Bruhn vorstellte, basierte auf der Haushaltsbefragung aus dem vergangenen Jahr. Primäres Ziel: die realistische Abschätzung, wie hoch die Potenziale einer Verlagerung von Auto auf Rad oder ÖPNV sind. Am häufigsten sind die Oberberger zu ihrer Arbeitsstelle unterwegs (27 Prozent der zurückgelegten Wege), und schon ab Wegen ab 2,5 Kilometer nutzen 75 Prozent das Auto. Mit einem verbesserten ÖPNV-Angebot, so die Analyse, könne vor allem auf den Achsen mit mehr als 2.000 Pendlern pro Tag gepunktet werden: Sowohl von Marienheide bis Nümbrecht als auch Engelskirchen bis Bergneustadt würden diese Zahlen erreicht. Dreh- und Angelpunkt ist stets Gummersbach.
Beim Radverkehr sieht Bruhn aufgrund der Statistik hauptsächlich bei sehr kurzen Wegen unter 2,5 Kilometern „sehr hohes“ Verlagerungspotenzial, bei Wegen bis fünf Kilometern noch „hohes“. Hieran ist die Verknüpfung von Kommunen und Kreis auch sichtbar: Es sei im Freizeitverkehr teils schon ein hoher Radverkehrsanteil vorhanden, mit der Verbesserung der Radverkehrsinfrastruktur in den Gemeinden und Städten bestehe aber die Chance zur Erhöhung des Radverkehrsanteils auch im Alltagsverkehr. Diese Infrastruktur sei aber hauptsächlich kommunales Aufgabengebiet. Kümmern sich die Kommunen darum, könnten davon wiederum die Bahntrassenradwege im Kreisgebiet profitieren.
Aktuell würden für das Konzept sogenannte Maßnahmensteckbriefe erarbeitet, die unter anderem auch behinhalten sollen, wer sich an den jeweiligen Projekten beteiligen muss, wie viel es kosten könnte und wie lange eine Umsetzung in Anspruch nimmt. Außer dem Beispiel, das CarSharing-Angebot im Kreis auszuweiten, gab es bei der Sitzung noch keine konkreteren Optionen zu hören. All das soll dann Inhalt des Konzeptentwurfs sein, der der Politik im ersten Quartal 2025 vorgelegt werden soll. „Wir wollen umsetzbare Maßnahmen, kein Wolkenkuckucksheim“, betonte Herhaus.
KOMMENTARE
1
Wo soll denn bitte der ÖPNV eine Alternative bieten? Natürlich klingt meine Fragestellung zunächst provokant. Bahnausfälle von beinahe einem Jahr, drohende neue Streckensperrungen. SEV von 2 h je Strecke bieten keine Alternative. Mangelndes Fahrpersonal der Busunternehmen tun ihr übriges. Dementsprechend kann ich aus Erfahrungswerten (und kostenlos) einschätzen, dass der Individualverkehr via PKW alternativer bleiben wird.
Da muss noch einiges getan werden, insbesondere an der Zuverlässigkeit des ÖPNV, dass es eine ernsthafte Alternative wird.
2
"Wie bist du denn ohne Auto DAHIN gekommen?" Ja, irgendwie unvorstellbar, wie soll das gehen? Tipp: Wenn man ganz an sich runterblickt, sieht man da ein Verkehrsmittel, womit Fortbewegung möglich ist - selbst eine so unglaublich lange Strecke von noch mehr als 2,5 km! Nicht nur EIN Beitrag zum Klimaschutz, sondern auch zur Gesundheitsförderung / -erhaltung. Und dann noch: Einfach mal das Angebot des ÖP(N)V studieren, manch eine*r wird sicher staunen, was auch im ländlichen Raum möglich ist!
Cornelia Lang, 25.09.2024, 18:26 Uhr3
Die Radweg-Situation im Oberbergischen "ist auf dem Stand eines Entwicklungslandes". Es werden seit Jahren immer wieder Gründe gesucht, um nichts zu machen. Es ist beispielsweise ein Unding, dass es von der Marienheider Bahntrasse keine vernünftige Verbindung nach Niedersessmar zur dortigen Bahntrasse und zur Aggerschiene gibt, weil u.a. eine fahrradfreundliche und vor allem sichere Querung durch die Stadt Gummersbach fehlt.
PL, 27.09.2024, 09:04 UhrLinks zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
ARTIKEL TEILEN