POLITIK

Zwist im Rat – jetzt wird sogar der Gang vor Gericht wahrscheinlich

lw; 30.08.2024, 12:08 Uhr
Archivfoto: OA.
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Zwist im Rat – jetzt wird sogar der Gang vor Gericht wahrscheinlich

lw; 30.08.2024, 12:08 Uhr
Nümbrecht – Rat beschließt Ordnungsgeld gegen das Ratsmitglied Dr. Iris Kunadt – Verstieß sie mit der Veröffentlichung von Dokumenten gegen ihre Verschwiegenheitspflicht?

Von Lars Weber

 

Zwischen der Verwaltung und der inzwischen fraktionslosen Dr. Iris Kunadt als Ratsmitglied gibt es schon länger unterschiedliche Sichtweisen auf die finanzielle Situation der Gemeinde Nümbrecht. Dass diese nicht optimal ist, ist klar, schließlich hat die Kommunalaufsicht Kämmerer Reiner Mast nicht umsonst unlängst angewiesen, in jeder Sitzung des Rates einen aktuellen Stand zum Thema Finanzen vorzulegen, um das Langzeitziel im Rahmen des Haushaltssicherungskonzepts bis 2031 nicht aus den Augen zu verlieren: Genug Gewinne erwirtschaften, um wieder Eigenkapital zu kreieren. Kunadt ist der Meinung – und hat dies in Diskussionen auch häufig kundgetan – dass die Verwaltung und auch die Fraktionen CDU, FDP und GUD die ernste Situation runterspielten und ein falsches Bild nach außen vermittelten. Etwas, dem allen voran Bürgermeister Hilko Redenius schon oft und vehement widersprochen hat. Nun wird dieser Streit wohl auch vor einem Gericht landen. Der Rat hat gestern mehrheitlich Kunadt ein Ordnungsgeld aufgebrummt. Diese will sich dagegen wehren. Grund dafür sind veröffentlichte Dokumente auf einer Webseite, die Kunadt betreibt.

 

Worum geht’s?

 

Die Seite hallorathaus.de hat Kunadt voll und ganz der finanziellen Situation der Gemeinde gewidmet. Dort spricht sie auch Themen wie zum Beispiel die wirtschaftliche Lage des Parkhotels an und berichtet aus ihrer Ratsarbeit. Kunadt lädt auf die Seite zudem Dokumente, Tabellen und Screenshots hoch. Und zumindest an Ausschnitten aus Dokumenten stört sich die Verwaltung. Dazu gehört eine Stellungnahme der Gemeinde Nümbrecht an die Kommunalaufsicht aus dem Sommer, die dem Rat im nichtöffentlichen Teil zur Kenntnis vorgelegt worden war. Auch Auszüge aus einer nichtöffentlichen Beschlussvorlage waren auf der Webseite einzusehen.

 

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Was wirft die Verwaltung Kunadt vor?

 

Die Verwaltung ist der Überzeugung, dass Kunadt damit nachweislich auf ihrer Internetseite widerrechtlich nichtöffentliche Inhalte aus Ratssitzungen veröffentlicht und damit nach Auffassung der Verwaltung gegen die Verschwiegenheitspflicht und das Verwertungsverbot verstoßen hat. Die Verschwiegenheitspflicht und die Rechte und Pflichten sind in der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen festgehalten. Unter anderem geht es darum, dass Ratsmitglieder die nichtöffentlichen Sitzungsunterlagen so aufbewahren, dass Dritte keinen Zugriff auf diese Unterlagen haben. Erstmals im Mai habe die Verwaltung sie aufgefordert, die Dokumente nicht weiter zu veröffentlichen – sie blieben jedoch online. Ein weiteres Schreiben mit der Aufforderung einer Stellungnahme sei verpufft. Da die Verwaltung von Vorsatz ausgeht, hat sie dem Rat vorgeschlagen, ein Ordnungsgeld über 200 Euro festzusetzen.

 

Wie argumentiert Kunadt?

 

Dr. Iris Kunadt sieht sich im Recht, wie aus einer Stellungnahme hervorgeht. Diese hätte sie gerne fristgerecht eingereicht, die entsprechende Schreiben des Rathauses hätte sie aber erst nach ihrem Urlaub erreicht, als die Frist schon verstrichen gewesen sei. Deshalb verteilte sie ihr Statement gestern im Rat, obwohl Bürgermeister Redenius sie aufgrund Befangenheit bereits Richtung Zuschauerplätze verwiesen hatte.

 

Ein Fachjurist habe ihr bestätigt, dass die Veröffentlichung der Dokumente rechtmäßig sei, da der Rat die Nichtöffentlichkeit nie hergestellt habe. „Die Gemeindeordnung NRW schreibt zwingend vor, dass nichtöffentliche Teile einer Ratssitzung nur auf Antrag beschlossen werden können und begründet werden müssen.“ Dies sei bei den diskutierten Drucksachen und in ihrer Gegenwart bislang bei keiner nichtöffentlichen Angelegenheit vollzogen worden. In Nümbrecht wird – wie in anderen Kommunen ebenfalls üblich – die Tagesordnung von Verwaltung und den Ausschussvorsitzenden vorbereitet und im ersten Tagesordnungspunkt von den Ratsmitgliedern anerkannt oder noch verändert.

 

Kunadt zweifelt dieses Vorgehen prinzipiell an. „Herr Bürgermeister, Sie beziehen sich bei Ihrem Vorwurf alleine auf die von Ihnen vorgegebene Tagesordnung. Beide Drucksachen wurden im nichtöffentlichen Teil behandelt. Das allein ist jedoch nicht hinreichend, um die Nichtöffentlichkeit herzustellen“, so Kunadt. Sie schiebt nach, dass weitere Dokumente existierten, so ein Brief der Kommunalaufsicht zum Thema Kommunales medizinisches Versorgungszentrum, die dem Rat nicht vorgelegt worden seien. „Die Herstellung der Öffentlichkeit über diese Vorgänge verursacht keinen Schaden, sondern ist zwingend erforderlich, um Schaden von der Gemeinde abzuwenden.“

 

Was hat der Rat entschieden?

 

22 Ratsmitglieder stimmten für die Festsetzung des Ordnungsgelds über 200 Euro. Darüber hinaus beauftragte der Rat die Verwaltung, gegen Kunadt öffentlich-rechtliche oder zivilrechtliche Unterlassungsansprüche geltend zu machen. Die Grünen, wo Kunadt noch bis vor kurzem Fraktionsmitglied war, enthielten sich. Gegen das Ordnungsgeld stimmte lediglich Rainer Galunder (WGHL). Er stellte das Vorgehen der Verwaltung infrage.

 

Wie geht’s weiter?

 

Dr. Iris Kunadt hat angekündigt, den Beschluss gerichtlich anzufechten. Das Thema ist also noch nicht erledigt.

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