RECHTECK

Betriebsgefahr? – Nie gehört

Red; 02.11.2024, 10:30 Uhr
RECHTECK

Betriebsgefahr? – Nie gehört

Red; 02.11.2024, 10:30 Uhr
Oberberg - Oberberg-Aktuell informiert in dieser Rubrik über Rechtsfragen - Der Service wird präsentiert von Fincke Rechtsanwälte Bergneustadt.

Von Uwe Middelhauve, Fachanwalt für Verkehrsrecht

 

Ein Fahrzeug fährt in Schrittgeschwindigkeit die Fahrgasse eines Parkplatzes entlang, als unvermittelt aus einem der quer in Fahrtrichtung rechts angeordneten Stellplätze ein anderer Verkehrsteilnehmer rückwärts sein Fahrzeug ausparkt und gegen das langsam hinter ihm vorbeifahrende Fahrzeug fährt. Der Schaden: 5.000 €. Die Sache ist doch klar, sollte man denken. Umso ärgerlicher, wenn die Versicherung des rückwärts Ausparkenden den Schaden nicht vollständig reguliert und 20 % in Abzug bringt. Bei einem Schaden von 5.000 € sind das immerhin 1.000 €, die man selbst zahlen muss.

 

Das ist doch unfair. Kann das denn wirklich sein? Leider ja. Das Stichwort lautet Betriebsgefahr. Sie betrifft das eigene Fahrzeug und wird im Falle eines Verkehrsunfalls, an dem zwei Kraftfahrzeuge beteiligt sind, von den Gerichten im Regelfall mit 20 % anspruchskürzend in Ansatz gebracht. Bei der Abwicklung der Schadensersatzansprüche aus Anlass eines Verkehrsunfalls sind grundsätzlich sämtliche Verursachungsbeiträge zu berücksichtigen, die zu dem Unfall geführt haben – und hierzu gehört auch die Betriebsgefahr für das eigene Fahrzeug. Wichtig ist dabei zu wissen, dass die Betriebsgefahr nichts mit eigenem Verschulden zu tun hat. Sie trifft im Grundsatz jeden Fahrzeugführer.

 

Aber warum ist das so? Nun, es gibt Unfälle, für die niemand etwas kann, die also niemand verschuldet hat. Stellen wir uns den Autofahrer vor, bei dem vorne rechts während der Fahrt aufgrund von Materialermüdung ein Radbolzen bricht. Das Vorderrad springt ab und trifft – tragischerweise - ein Kleinkind auf dem Gehweg, das für den Rest seines Lebens dadurch schwer geschädigt wird. Niemand kann etwas dafür. Ein Unglücksfall. Aber jetzt? Sagt man dem Kind und seinen Eltern sinngemäß, dass es leider Pech gehabt hat, oder lässt man den Autofahrer haften, der ja auch nichts falsch gemacht hat? Wer kommt für den Schaden auf? Die Wertung des Gesetzes geht dahin, dass in diesen Fällen der Autofahrer haftet. Nicht, weil er etwas falsch gemacht hat. Aber anders als das Kind hat sich der Autofahrer dazu entschieden, seine eigene Mobilität zu erweitern, indem er nicht auch zu Fuß geht, sondern ein Fahrzeug führt und damit eine Maschine in Betrieb nimmt, die halt auch unverschuldet einen technischen Defekt erleiden und andere Menschen dadurch gefährden und schädigen kann.

 

Durch seinen Wunsch mobiler zu sein als ein Fußgänger, schafft der Autofahrer für sich und andere also eine zusätzliche Gefahr. Und wenn sich diese Gefahr realisiert, dann ist es auch nur fair, ihn deswegen eher haften zu lassen als das Kind. Das ist der Grund, weswegen ein Fahrzeugführer sich grundsätzlich die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs anrechnen lassen muss. Allerdings gibt es auch hier Ausnahmen. Die Betriebsgefahr entfällt dann, wenn der Unfall für einen besonders vorausschauend fahrenden Verkehrsteilnehmer nicht zu vermeiden war. In der juristischen Praxis ist das allerdings die Ausnahme, da sich dies nur selten nachweisen lässt. Kommt es zu einem Verkehrsunfall zwischen zwei Fahrzeugen, muss man als Fahrer daher immer damit rechnen, seinen Schaden zumindest in Höhe der Betriebsgefahr selbst tragen zu müssen. Je nach Höhe des Schadens ist es dann gut, zusätzlich vollkaskoversichert zu sein.

 

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