RECHTECK

Chaos am Flughafen – Personalmangel als Ausrede?

Red; 25.06.2022, 10:30 Uhr
RECHTECK

Chaos am Flughafen – Personalmangel als Ausrede?

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Red; 25.06.2022, 10:30 Uhr
Oberberg - Oberberg-Aktuell informiert in dieser Rubrik über Rechtsfragen - Der Service wird präsentiert von Fincke Rechtsanwälte Bergneustadt.

Von Rechtsanwalt Devin Dick

 

Der Beginn der Sommerferien ist auch der Beginn der Reisezeit. Die Menschen zieht es gerade in diesem Jahr nach zwei Jahren Pandemie wieder in die Ferne.

Der große Ansturm an Reisenden führt momentan insbesondere an den Flughäfen zu Schwierigkeiten. Schon in den Wochen vor dem Ferienbeginn in NRW sind die Flughäfen, besonders der Flughafen Düsseldorf und der Flughafen Köln/Bonn an ihre Belastungsgrenzen gekommen. Flüge wurden kurzfristig gestrichen oder hatten massive Verspätungen und Passagiere haben ihre Flüge aufgrund von sehr langen Wartezeiten beim Sicherheitscheck nicht rechtzeitig erreicht. Für manchen Urlauber verwandelte sich die Vorfreude auf den Urlaub in Frust über die Vorgänge am Flughafen. Als Grund für dieses Chaos wird vor allem genannt, dass sowohl die Sicherheitsfirmen als auch die Fluggesellschaften aufgrund des „Stillstands“ in der Corona-Zeit Personal abgebaut haben und dieses Personal jetzt fehlt.

 

Rechtlich gesehen stellt sich die Frage, ob die Fluggesellschaft sich damit rausreden kann, dass sie zu wenig Personal hat. Nach der sogenannten EU-Fluggastrechteverordnung stehen Fluggästen, deren Flug kurzfristig annulliert wird oder deren Flug sich deutlich verspätet, umfangreiche Ansprüche zu. Bei Verspätung müssen beispielsweise Essen und Trinken zur Verfügung gestellt werden, ggf. muss auch eine Hotelübernachtung gezahlt werden. Außerdem erhalten Fluggäste – je nach Dauer der Verspätung und Länge der Flugstrecke – eine Ausgleichszahlung von bis zu 600 Euro.

 

Diese Rechte haben Fluggäste grundsätzlich. Eine Ausnahme gibt es aber: Nämlich dann, wenn die Verspätung oder Annullierung „auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären“ (Art. 5 Abs. 3 EU-FluggastrechteVO). Als solche Umstände hat die Rechtsprechung beispielsweise einen Ausfall einer Maschine durch Vogelschlag in der Turbine (AG Frankfurt aM, Az. 30 C 2462/13), Ausfall des Flugzeugs aufgrund von Blitzschlag (AG Hamburg, Az. 20a C 219/14) oder Streik der Fluglotsen (BGH, Az. X ZR 121/13) angesehen.

 

Entscheidend ist, ob die Umstände, aufgrund derer es zur Verspätung oder zum Ausfall des Fluges kommt, von der Fluggesellschaft beherrschbar sind. Hat die Fluggesellschaft keinerlei Einfluss auf die auslösenden Umstände und hat sie selbst alles ihr Mögliche getan, damit der Flug trotz der Umstände rechtzeitig starten kann, haftet sie nicht, wenn es trotzdem zu Problemen kommt.

Bei der aktuellen Personalnot kann man aber wohl kaum davon sprechen, dass die Fluggesellschaften hier keine Möglichkeiten haben, gegenzusteuern. Dass es unter keinen Umständen möglich ist, neues Personal einzustellen, werden die Fluggesellschaften nicht behaupten können.

 

Es ist also davon auszugehen, dass die aktuellen Probleme an den Flughäfen zu einer Vielzahl von Forderungen gegen die Fluggesellschaften führen. Sollten die Fluggesellschaften die Forderungen nicht außergerichtlich begleichen – wovon auszugehen ist – werden sich die Gerichte mit dem aktuellen Reisechaos beschäftigen müssen. Das aktuelle Chaos an den Flughäfen wird die juristische Welt also noch lange beschäftigen und auch noch dann Thema in den Gerichtssälen sein, wenn auch der letzte Ferienflieger wieder in Deutschland gelandet ist.

 

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