RECHTECK

Corona-Virus und Betriebsschließungen

Red; 19.09.2020, 08:00 Uhr
RECHTECK

Corona-Virus und Betriebsschließungen

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Red; 19.09.2020, 08:00 Uhr
Oberberg-Aktuell informiert in dieser Rubrik über Rechtsfragen - Der Service wird präsentiert von Fincke Rechtsanwälte Bergneustadt - Diesmal geht es um Betriebsschließungen.

von Ole Jürges

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht

 

Die wirtschaftlichen Folgen der COVid-19-Pandemie sind weiterhin nicht absehbar. Die Pandemie war und ist für Unternehmen existenzbedrohend. Öffnungsverbote und Auflagen für Hotels, Gaststätten und Verkaufsbetriebe führen zu Einnahmeausfällen bei weiterlaufenden Betriebsausgaben. 

 

Juristisch stellt sich die Frage, ob hier Betriebsschließungs-, Betriebsunterbrechungs- oder Betriebsausfallversicherungen einspringen. Dies beschäftigt derzeit die Gerichte. Mittlerweile liegen erste Entscheidungen vor. 

 

In einem einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Landgericht Mannheim begehrte die Klägerin, die u.a. drei Hotels betreibt, von dem beklagten Versicherer Leistungen aus einer Betriebsunterbrechungsversicherung. 

 

Zwischen den Parteien bestehen für die Hotels jeweils Betriebsunterbrechungsverträge. In den Versicherungsbedingungen ist u.a. geregelt:

 

„§ 5 

1. Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) 

 

a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt.

 

(…)

 

2. Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die in den §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger.“

 

 

Bei Abschluss der Versicherungsverträge war die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVid-19) noch nicht bekannt und folglich nicht im Infektionsschutzgesetz genannt. Der Versicherer vertrat daher die Auffassung, dass eine Betriebsschließung wegen COVid-19 nicht vom Versicherungsschutz gedeckt ist. 

 

In der Entscheidung vom 29.04.2020, - 11 O 66/20 -, führt das Landgericht Mannheim dagegen aus, dass die Formulierung in Versicherungsbedingungen „die in den §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“ auch das Corona-Virus umfasst. 

 

Bei der gebotenen Auslegung der Regelung könnte die Formulierung „die in §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“ entweder eine statische Verweisung auf die bei Abschluss der Versicherungsverträge in diesen Normen aufgezählten Krankheiten und Krankheitserreger bedeuten oder im Sinne einer dynamischen Verweisung letztlich alle – auch bei nachträglichen Gesetzesänderungen – unter diese Vorschriften fallenden meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger umfassen.

 

Das Landgericht Mannheim kam zu dem Ergebnis, dass es sich um eine dynamische Verweisung auf alle zum Zeitpunkt der Betriebsschließung im Infektionsschutzgesetz genannten Krankheiten und Krankheitserreger handelt. Zur Begründung führte das Gericht u.a. an, dass in den Versicherungsbedingungen nur allgemein auf das Infektionsschutzgesetz - ohne Nennung einer bestimmten Gesetzesfassung - verwiesen wird. Da die Versicherungsbedingungen keine enumerative Aufzählung von verschiedenen Krankheitserregern bzw. Krankheiten enthält, kann ein verständiger Versicherungsnehmer darauf vertrauen, dass der Versicherungsschutz auch Betriebsschließungen wegen Krankheiten oder Krankheitserregern umfasst, die nach Abschluss des Versicherungsvertrages in das Infektionsschutzgesetz aufgenommen werden. 

 

Somit besteht nach der Auffassung des Landgerichts Mannheim in der vorliegenden Konstellation dem Grunde nach Versicherungsschutz. Der Versicherungsnehmer hat einen Anspruch auf die Versicherungsleistung gegen den Versicherer. Das Landgericht Mannheim wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung dennoch zurück, da die Klägerin nach Auffassung des Gerichts die erforderliche Eilbedürftigkeit für eine einstweilige Verfügung nicht nachweisen konnte. Sie muss den Anspruch daher erneut in einem Hauptsacheverfahren geltend machen. 

 

In einem anderen Fall hat das Oberlandesgericht Hamm – 20 W 21/20 – entschieden, dass kein Versicherungsschutz bei einer Betriebsschließung wegen COVID-19 besteht, da der Versicherer in den Versicherungsbedingungen die Fälle von Krankheiten und Krankheitserregern, für die Versicherungsschutz bestehen soll, konkret aufgeführt hatte. 

 

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass es für die Frage, ob Versicherungsschutz besteht, auf die konkrete Formulierung der jeweiligen Versicherungsbedingungen ankommen wird. Da zahlreiche gleichgelagerte Fälle rechtshängig sind, bleibt zudem die weitere Entwicklung der Rechtsprechung abzuwarten. 

 

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