RECHTECK

Das brennende E-Bike – „Thermal Runaway“ in der Lagerhalle

Red; 29.11.2025, 10:30 Uhr
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Das brennende E-Bike – „Thermal Runaway“ in der Lagerhalle

Red; 29.11.2025, 10:30 Uhr
Oberberg - Oberberg-Aktuell informiert in dieser Rubrik über Rechtsfragen - Der Service wird präsentiert von Fincke Rechtsanwälte Bergneustadt.

Von Andreas Günther, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht und Familienrecht

 

Heute befassen wir uns mit einem Urteil des LG Lübeck. Wer kommt für den Schaden auf, wenn ein E-Bike beim Laden des Akkus in Flammen aufgeht? Dieser Frage kommt immer größere Bedeutung zu. Mittlerweile befinden sich in fast jedem Haushalt oder Gewerbebetrieb E-Bikes, Pedelecs, Akku-Werkzeuge oder ein E-Auto. Alle sind mit einem Akku versehen und müssen regelmäßig aufgeladen werden. Dabei können sie überhitzen und in Brand geraten – mit gravierenden Folgen und großen Herausforderungen für die Feuerwehr (siehe hierzu auch diesen OA-Artikel).

 

Was war in der Marzipan-Stadt geschehen? Ein E-Bike-Händler hatte in seiner angemieteten Halle mehrere E-Bikes und andere Fahrzeuge abgestellt. Darunter war auch ein E-Bike des Herstellers Denzel, Fabrikat Sparta. Das ist ein „echtes“ E-Bike und erreicht eine Geschwindigkeit von fast 85 km/h. Der Händler steckte das Ladekabel des Denzel-Bike in die Steckdose und wollte den verbauten Akku aufladen. Dann machte er Feierabend – dies genau vor 6 Jahren, am 29.11.2019. Es kam, wie es kommen musste: über Nacht ging die gemietete Lagerhalle in Flammen auf. Der Brand-Sachverständige stellte später fest, dass das Denzel-Bike Brandursache war – es lag ein „Thermal Runaway“ vor. Durch diese chemische Kettenreaktion im Akku entstand ein Schaden von über 200.000 EUR. Der Eigentümer verlangte daraufhin Schadenersatz und wirft dem Mieter vor, dieser habe vergessen, den Ladestecker zu ziehen und damit eine Obhutspflicht verletzt.

 

Das Gericht gab dem Vermieter Recht: Der Mieter haftet für den Schaden, und zwar nicht nur, weil er den Stecker nicht abgezogen hat, sondern auch wegen einer sogenannten Gefährdungshaftung nach dem StVG. Das E-Bike wird vom Gericht als Kraftfahrzeug im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) eingeordnet. Begründung: Es kann eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 85 km/h erreichen. Damit greift § 7 StVG, der eine verschuldensunabhängige Haftung des Fahrzeughalters vorsieht („Betriebsgefahr“).  Dazu führen die Richter aus, dass sich die Betriebsgefahr des Fahrzeugs realisiert hat, weil der Brand durch den fest verbauten Akku verursacht wurde. Der Begriff des Betriebs eines Kraftfahrzeuges ist weit auszulegen. Es kommt nicht darauf an, ob es fährt oder überhaupt zum Straßenverkehr zugelassen ist.

 

Zusätzlich sieht das LG Lübeck ein fahrlässiges Verhalten des Mieters: Dieser hat aus dem Mietvertrag die Nebenpflicht, alles zu unterlassen, was Schaden an der Mietsache verursachen kann. Diese Pflicht hat der Mieter hier verletzt. Er hätte den Ladevorgang überwachen bzw. sicherstellen müssen, dass kein Risiko beim Laden besteht. Konkret hätte er den Ladevorgang beenden müssen, als er die Halle verließ.

 

Muss man jetzt jeden Ladevorgang „rund um die Uhr“ überwachen? Hierzu merken die Richter aus Lübeck an: „Zwar kann eine Pflicht, jeden Ladevorgang eines Akkus zu überwachen, nicht angenommen werden. Bei der Vielzahl an technischen Geräten mit einem Akku, die sich in jedem Haushalt, jedem Betrieb und jeder öffentlichen Einrichtung befinden, wäre eine solche Überwachung rein praktisch nicht zu leisten und kann daher auch nichtgefordert werden.“

 

Aber: bei dem Denzel-Bike handelte es sich um ein gebrauchtes Produkt aus China, es war keine Neuware. Dem Mieter war auch bekannt, dass es bei Probefahrten zu Stürzen mit dem E-Bike gekommen war. Erschütterungen sind immer schädlich für einen Akku. Unter diesen Umständen hätte „ein besonnener und gewissenhafter E-Bike-Händler“ den Ladevorgang bis zum Ende überwachen und später den Akku vom Netz nehmen müssen.

Ob andere Gericht der Auffassung des LG Lübeck (Urteil vom 26.07.2024 Az. 5 O26/23) ist nicht klar. Eine Überwachung von Ladevorgängen ist aber sinnvoll, nicht das der Satz gilt: „Aus dem E-Auto wird ein Verbrenner!“

 

 

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