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Von stud.iur. Merve Altin
Wenn ein Bauwerk nicht meinen Anforderungen entspricht, kann ich doch vom Vertrag zurücktreten, sodass ich mein Geld zurückerhalte, oder? Diese Frage ist leider nicht so einfach zu beantworten.
Gemäß §323 I BGB muss dem Bauunternehmen zunächst eine Frist zur Nachbesserung seiner Leistung gesetzt werden. Es gibt auch Fälle, wo diese Frist entbehrlich sein kann, wie zum Beispiel, wenn das Unternehmen sich grundsätzlich weigert, Nachbesserungen vorzunehmen.
Erst nach diesem ersten Schritt der Fristsetzung (oder der Entbehrlichkeit der Fristsetzung) kann ein Rücktritt in Frage kommen. Hierzu darf kein Bagatellschaden vorliegen. Ein Rücktritt ist nicht gestattet, wenn gemäß §323 V 2 BGB die Pflichtverletzung, also die nicht vertragsgemäße Leistung des Unternehmers, unerheblich ist. Wann handelt es sich um eine erhebliche Pflichtverletzung, sodass ein Rücktritt möglich wäre?
Die Antwort lautet wie so üblich in den Rechtswissenschaften: Es kommt darauf an! Die Beurteilung dieser Frage erfordert eine umfassende Interessenabwägung der Umstände im Einzelfall. In der Regel kann die Erheblichkeit des Mangels bejaht werden, wenn die Kosten der Beseitigung mindestens 5% der Vergütung ausmachen (BGH NJW 14,3229, 22, 463). Bei Vorliegen besonderer Umstände kann dies aber auch anders sein (BGH DAR 18,78), sodass es stets einer Einzellfallbetrachtung erfordert, wie es im folgenden Fall aus dem Jahre 2013 deutlich wird: Was war geschehen? Ein Kunde hat einen Bauunternehmer mit der Errichtung eines Swimmingpools mit Überdachung beauftragt, wobei die Auftragssumme 50.000 Euro betrug. Es kam wie es kommen musste: Nach Fertigstellung des Pools zeigten sich einige Mängel, sodass der Kunde wegen der Mängel den Rücktritt vom Bauvertrag erklärt hat. Zu Recht?
Das Landgericht geht von der Wirksamkeit des Rücktritts aus. Theoretisch müsste es also zu einem Austausch der erbrachten Leistungen kommen: der Unternehmer müsste das Geld des Kunden zurückgeben und der Kunde müsste den eingebauten Pool „zurückgeben“. Da die Rückgewähr einer eingebauten Poolanlage nicht möglich ist, entschied das Landgericht auch, dass der Bauunternehmer gegen den Kunden stattdessen einen Anspruch auf Wertersatz hat.
Das Kammergericht bestätigt das Ergebnis des Landgerichts, begründet jedoch die Entscheidung anders: Es entschied, dass der Kunde nicht wirksam zurückgetreten ist. Der Rücktritt sei unwirksam, da die Pflichtverletzung, also die mangelhafte Fertigstellung der Poolanlage, unerheblich sei gemäß §323 V 2 BGB.
Bei einem Rücktritt vom Bauvertrag sei es von erheblicher Bedeutung, ob das Bauwerk bereits mit dem Baugrundstück verbunden ist, da es bei einer Rückgewähr der gegenseitigen Leistungen zu Schwierigkeiten komme. Aufgrunddessen ist nach dem Kammergericht bei Bauverträgen die Schwelle für eine unerhebliche Pflichtverletzung höher anzusetzen als bei anderen Vertragstypen. Der Mangel in Höhe von ca. 6000 Euro bei einem Pool im Wert von 50.000 Euro, was mehr als 5% der Vergütung darstellt, wurde durch das Kammergericht als unerheblich bewertet, sodass es für einen Rücktritt nicht ausgereicht hat.
Bei der Bewertung der Unerheblichkeit des Mangels im Rahmen eines Bauvertrages kommt es also nicht nur auf den materiellen Wert des Mangels an, sondern auch auf äußere Umstände, wie zum Beispiel den Zeitpunkt des Rücktritts (BGH IBR 2009,77) und auch, ob der Kunde bei Kenntnis des Mangels den Vertrag zu einem niedrigeren Preis geschlossen hätte, was regelmäßig zu bejahen sein wird. Erst unter Beachtung dieser Kriterien ist ein Rücktritt von einem Bauvertrag möglich, sodass die Rückabwicklung eines solchen gar nicht so einfach ist.
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