REICHSHOF
25 Millionen Euro futsch: Herber Rückschlag für Reichshofs Glasfaserausbau
Reichshof - Die Gemeinde muss einen vorläufigen Förderbescheid zurückgeben - Der notwendige Eigenanteil kann nicht gestemmt werden.
Von Peter Notbohm
Reichshofs CDU spricht von einem Trauerspiel, die SPD nennt es beschämend und die Grünen sehen die ländliche Bevölkerung von der großen Politik im Stich gelassen. Die Gemeinde Reichshof muss einen vorläufigen Förderbescheid in Höhe von 25 Millionen Euro an den Bundes-Fördermittelgeber zurückgeben. Einem entsprechenden Vorschlag aus dem Rathaus stimmte der Haupt- und Finanzausschuss am Dienstag einstimmig zu.
Das Geld war für den flächendeckenden Glasfaserausbau in der Gemeinde gedacht. 4.500 Adressen sind von dieser Entscheidung betroffen. Insgesamt 50 Millionen Euro hätten für den Glasfaserausbau aufgewendet werden müssen. Die restlichen 50 Prozent dieser Summe hatte man sich in Reichshof durch Fördermittel aus dem Landestopf erhofft, hier liegt die Förderhöchstsumme allerdings bei 15 Millionen Euro. Die verbleibenden zehn Millionen Euro hätte die Gemeinde selbst stemmen müssen.
Doch um den Förderantrag beim Land überhaupt stellen zu können, hätte zunächst auch eine europaweite Ausschreibung durchgeführt werden müssen. Das ist allerdings erst möglich, wenn die Finanzierung des Eigenanteils gesichert ist. Und das ist angesichts leerer Kassen und hoher Defizite in den kommenden Jahren nicht darstellbar.
In Reichshofs Kämmerei hat man nachgerechnet. Bei einer angenommenen Bauzeit von vier Jahren hätten jährlich 2,5 Millionen Euro im Haushalt miteingeplant werden müssen. Eine Gegenfinanzierung würden zusätzlich 385 Prozentpunkte bei der Grundsteuer B bedeuten. Rechnet man diese „Glasfaserausbauerhöhung“ in den für 2025 ohnehin geplanten Grundsteuer B-Hebesatz von 920 Prozentpunkten ein, wäre man bei 1.305 Prozentpunkten. „Eine Erhöhung dieser Größenordnung ist weder durchführbar noch vermittelbar“, sagte Bürgermeister Rüdiger Gennies.
Auch alternative Finanzierungsmöglichkeiten hat man im Rathaus geprüft. Sonderzuweisungen als ländliche Kommune waren nicht zu bekommen. Aus einer gutachterlichen Stellungnahme zu den Bilanzierungs- und Finanzierungsmöglichkeiten des kommunalen Eigenanteils bei gefördertem Glasfaserausbau des NRW-Wirtschaftsministerium geht aber hervor, dass Wirtschaftlichkeitslücken im Ergebnisplan dargestellt werden können, wenn man die Gegenleistungsverpflichtung als aktiven Rechnungsabgrenzungsposten als Aufwand einstellt – ein Bilanzierungstrick, mit dem man jährlich 2 Millionen Euro gewinnen könnte.
Das würde allerdings immer noch bedeuten, dass die Gemeinde Kredite über eine Dauer von fünf Jahren (aktueller Zinssatz 3,25 Prozent) aufnehmen müsste. Bei einer Laufzeit von 30 Jahren würde das eine Rückzahlung von über 15,6 Millionen Euro bedeuten. Für die Grundsteuer B würde das ebenfalls einen jährlichen Aufschlag bedeuten, der im Jahr 2029 80 Prozentpunkte erreichen würde.
Noch nicht geklärt wäre hierbei, ob der Glasfaserausbau überhaupt fünf Jahre in Anspruch nimmt. Wenn nicht, müssten gegebenenfalls weitere Zwischenfinanzierungsvereinbarungen getroffen werden. Auch diese Option nannte Gennies „nicht realistisch“: „Vor allem nicht für einen Glasfaserausbau, an dem am Ende Dritte Profite erzielen wollen.“
Der letzte Strohhalm der Gemeinde waren Gespräche mit Telekommunikationsunternehmen, die den Ausbau in Eigenregie hätten übernehmen können. Die hätten der Gemeinde allerdings weitgehend die kalte Schulter gezeigt, berichtete Gennies. Auch der einzige Anbieter, mit dem es Gespräche gab, habe mittlerweile eröffnet, dass es schlicht zu teuer sei und auch die vorangekündigte Untersuchung der Siedlungsschwerpunkte nur noch vage in Aussicht gestellt.
Zumindest für Denklingen und Brüchermühle bestehe durch die Nähe zu Waldbröl aber noch Hoffnung, dass die beiden Ortschaften an den dortigen Ausbau mit angebunden werden. Nähere Details hierzu soll es seitens des Anbieters aber erst in den nächsten Wochen geben.
„Dem Bürger kann man die Förderpolitik nicht mehr vermitteln. Ich kann nicht verstehen, dass der Bund sich nicht von Anfang an um einen flächendeckenden Ausbau gekümmert hat. Man sieht das Problem in Waldbröl, wo Leitungen parallel verlegt werden. Das ist schlicht irrational“, meinte Thomas Funke (CDU).
Anja Theis (SPD) schloss sich der Kritik an: „Es ist beschämend, dass wir den Förderbescheid zurückgeben müssen. Die Alternative für unsere Bürger ist es, nach Kenia oder Rumänien umzuziehen. Dort hat ein besserer Ausbau als in Deutschland stattgefunden.“ In dasselbe Horn stieß auch Jürgen Barth (Grüne): „In Städten ist das alles kein Problem. Der Verdruss der ländlichen Bevölkerung gegenüber der Politik erhält hierdurch weiteren Nährboden.“
Wie es in Reichshof nun mit dem Glasfaserausbau weitergeht, skizzierte Bürgermeister Gennies: „Wir werden abwarten müssen, was 2030 passiert, wenn im ländlichen Raum die Ausbauziele nicht erfüllt werden. Uns bleibt nur die Hoffnung, dass NRW dann die Förderbeträge anhebt.“
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