REICHSHOF
Für Reichshofs Hausbesitzer wird es richtig teuer
Reichshof - Grundsteuer soll um 350 Prozentpunkte rauf - Einbrechende Gewerbesteuern, steigende Kreisumlage und ein ausufernder Sozialstaat - Reichshofs Bürgermeister Rüdiger Gennies und sein Kämmerer Gerd Dresbach haben viele Gründen für steigende Steuern.
Von Peter Notbohm
Reichshofs Bürger dürften bereits im Sommer geahnt haben, dass ihnen zum Ende des Jahres Ungemach droht. Auf 702 Prozentpunkte (bisher: 570 %) müsse die Grundsteuer B steigen, damit die Gemeinde die Grundsteuerreform aufkommensneutral umsetzen kann – so die Berechnung der NRW-Finanzverwaltung (OA berichtete). Ein fiktiver Hebesatz, der nur dazu diente, dieselben Einnahmen wie vor der Grundsteuerreform zu erzielen.
Doch für Hauseigentümer in der Gemeinde wird es noch viel teurer! Auf 920 Prozentpunkte soll der Grundsteuer B-Satz im Haushaltsjahr 2025 steigen – ein sattes Plus von 350 Prozentpunkten. Das geht aus dem Haushaltsplanentwurf vor, den Kämmerer Gerd Dresbach am Montag der Reichshofer Politik vorgestellt hat. Der Gemeinde würden Hausbesitzer damit über 2,3 Millionen Euro mehr in die Kassen spülen (bislang 3,9 Millionen Euro).
Das ist allerdings auch notwendig. Denn: Die Zeiten der sprudelnden Gewerbesteuer in Reichshof sind vorerst wohl vorbei. Schon im ersten Quartalsbericht 2024 fehlten zwischenzeitlich beinahe sieben Millionen Euro (OA berichtete). Im dritten Quartal waren es noch 4,1 Millionen Euro (OA berichtete) – und das obwohl Dresbach Ende 2023 nach einem neuen Rekordwert durchaus vorsichtig geplant hatte.
Die Erwartungen für 2025 korrigiert er nun noch weiter nach unten. Obwohl die Gewerbesteuer um 15 Prozentpunkte auf 490 Prozentpunkte erhöht werden soll, rechnet der Kämmerer nur noch mit Einnahmen von 17,46 Millionen Euro, ein Minus von über einer Million Euro. „Die Erwartung an die Wirtschaftskraft der örtlichen Unternehmen darf nicht so hoch angesetzt werden“, sagt der Kämmerer. Nur die Grundsteuer A soll bei 445 Prozentpunkten unangetastet bleiben.
Insgesamt plant Dresbach für 2025 aktuell mit Einnahmen in Höhe von 54,78 Millionen Euro. Dem gegenüber stehen Aufwendungen in Höhe von 56,25 Millionen Euro – ein Minus von rund 1,5 Millionen Euro. Den Fehlbetrag kann die Gemeinde durch eine genehmigungsfreie Entnahme aus der 10,4 Millionen Euro starken Ausgleichsrücklage auffangen.
Aber: Im gesamten Planungszeitraum bis 2028 beträgt der Fehlbedarf 9,4 Millionen Euro. In der Kämmerei rechnet man unter Berücksichtigung der Fehlbetragsentwicklung im aktuellen Haushaltsjahr damit, dass die Ausgleichsrücklage bis 2027 aufgezehrt sein wird. Das übrige Eigenkapital wird sich 2028 vermutlich um weitere 13 Prozent verringern.
Die finanzielle Lage in den Kommunen nennt Dresbach „prekär“, ein wesentliches Wirtschaftswachstum sei nicht zu erwarten. Und: „Folgt man den neuesten Berechnungen der Steuerschätzer, wird dies auf absehbare Zeit so bleiben.“ Vor allem die wachsenden Sozialetats würden die Kommunen besonders hart treffen. Dresbach spricht von einem „ausufernden Sozialstaat in noch nicht gekanntem Ausmaß“.
Sowohl er als auch Bürgermeister Rüdiger Gennies (CDU) kritisieren in diesem Zusammenhang vor allem die Kreisumlage, deren Mehrbelastung sich für die Gemeinde bis Ende 2028 auf über 15 Millionen summiere. Im Vergleich zum Vorjahr erhöhe sich die Abgabe auf ein Allzeithoch von 25,1 Millionen Euro, obwohl die Steuerkraft der Gemeinde gleichzeitig um 2,6 Millionen Euro gesunken sei.
Zwar habe der Kreis mit dem Einsatz aus dem Sockelbetrag aus der Ausgleichsrücklage ein „kleines Opfer“ gebracht. Aber: „Andere Kostenfaktoren, die von den kreisangehörigen Kommunen schon seit Jahren kritisiert werden, treten vollkommen in den Hintergrund, ohne dass auch nur ansatzweise an einer Lösung gearbeitet wird.“ Deutlich gestiegen ist erneut zudem der Personalaufwand. Allein hierfür müssen in Reichshof im kommenden Jahr 8,87 Millionen Euro (+ 680.000 Euro) aufgewendet werden.
Bürgermeister Gennies klagt: „Unser Dasein wird maßgeblich aus Brüssel, Berlin und Düsseldorf beeinflusst, gefordert, aber nicht immer gefördert.“ Die Folge: Die gesellschaftliche Schere gehe immer weiter auseinander und die Belastungen der Bürger werde immer größer. „Diese negative Entwicklung kann sich auch deutlich in den Wahlergebnissen niederschlagen“, warnt er vor Angeboten populistischen Parteien in Form von Scheinlösungen und verlangt, dass die Gesetzgeber, die Kommunen endlich dauerhaft finanziell angemessen ausstatten.
Investieren will die Gemeinde aber auch in diesem Jahr wieder und ihren „zukunftsorientierten, sparsamen und wirtschaftlichen Kurs“ fortsetzen. 2,6 Millionen Euro fließen in die Fortführung der städtebaulichen Maßnahmen. 1,2 Millionen Euro werden für die Straßeninfrastruktur bereitgestellt. 1,6 Millionen Euro sollen in Schul- und Sportinfrastruktur gesteckt werden und für Fahrzeuge der Feuerwehr rund 400.000 Euro ausgegeben werden.
Ein Thema, das unter dem Geldmangel leidet, ist der Glasfaserausbau in der Gemeinde. Die Gewerbegebiete sind dank Fördermaßnahmen inzwischen zwar versorgt, es bleiben aber noch 4.500 Adressen übrig. Zwar befinde man sich in Gesprächen mit einem Anbieter zum Eigenausbau, „aber wir haben ein großes finanzielles Problem, da wir je nach Ausgestaltung der Projektumsetzung einen erheblichen Eigenanteil in mehrfacher Millionenhöhe erbringen müssen“, so Gennies.
Laut Dresbach werde es immer schwieriger, die fortzuführenden Baumaßnahmen der Vorjahre, die dringenden neuen Investitionserfordernisse und die immer neuen Wünsche für ‚dies und das‘ mit der Reichshofer Schuldenbremse in Einklang zu bringen. Noch gelte der Ratsbeschluss von 2017, der keine Netto-Neuverschuldung vorsieht. Mittelfristig sei das aber nicht mehr haltbar. Durch die Kreditermächtigung der Haushaltssatzung wird sich der Darlehensstand Ende 2025 auf 18,5 Millionen Euro summieren. Im gesamten Finanzplanungszeitraum bis 2028 könnte er auf bis zu 23 Millionen Euro ansteigen. Dresbach deutlich: „Die neuen Schulden von heute sind die Steuern von morgen!“
Steigen sollen auch die Gebühren für die Frischwasserversorgung. Hier schlägt die Kämmerei eine Anpassung auf acht Cent je Kubikmeter und eine Erhöhung der Grundgebühr um 40 Cent pro Monat vor. Die Abwassergebühren bleiben unangetastet.
Verabschiedet werden soll der Haushalt am 10. Dezember.
Eckdaten des Haushalts
Erträge (In Klammern: Vergleich zum Vorjahr)
Insgesamt: 54.783.842 Euro (+3.584.710 Euro)
Darin unter anderem enthalten:
Gewerbesteuer: 17.460.000 Euro (-1.040.000 Euro)
Grundsteuern: 6.144.500 Euro (+2.302.000 Euro)
Anteile an den Bundessteuern: 14.722.700 Euro (+831.700 Euro)
Schlüsselzuweisungen: 383.000 Euro (+383.000 Euro)
Aufwendungen
Insgesamt: 56.245.180 Euro (+2.587.623 Euro)
Darin unter anderem enthalten:
Kreisumlage: 25.087.000 Euro (+ 485.100 Euro)
Personal- und Sachaufwand: 8.875.442 Euro (+682.019 Euro)
Investitionsauszahlungen: 6.535.690 Euro (-4.077.464 Euro)
Darlehensaufnahme 1.083.751 Euro (-1.457.761 Euro)
Darlehensbestand (voraussichtlicher Stand 31.12.25) 18.494.000 Euro (-11.000 Euro)
Liquiditätskredit (voraussichtlicher Stand 31.12.25) -9.000.000 Euro (+9.000.000 Euro)
KOMMENTARE
1
Von der Politik wurde stets postuliert, die Grundsteuerreform wäre aufkommensneutral. Wie das gewährleistet werden soll, wenn es pauschal für alle Hausbesitzer in der Gemeinde teurer wird, erschließt sich mir (und sicher auch anderen) nicht.
Tobias Schneider, 06.11.2024, 15:11 Uhr2
Eine Steigerung von 350 % werde ich mit Sicherheit nicht hinnehmen und auch nicht bezahlen! Zudem habe ich im Vorfeld bereits Einspruch erhoben und halte mir natürlich auch noch rechtliche Schritte vor!
Wurm, Christoph, 06.11.2024, 16:22 UhrLinks zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
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