REICHSHOF
Reichshofs Politik setzt den Spar-Hammer an
Reichshof – Ratsmehrheit aus CDU und FDP beschließt geringere Steuererhöhungen – Nicht nur das Schwimmbad Bergerhof in Wildbergerhütte fällt dem Rotstift zum Opfer – Auch die Feuerwehr muss sparen – Kritik aus Reihen von SPD, FWO, Grünen und ÖSL.
Von Peter Notbohm
Man muss es wohl einen Kompromiss nennen. Reichshofs Gemeinderat hat am Dienstag die Anpassung der Steuerhebesätze beschlossen und seinen Haushalt für 2025 mehrheitlich bei Gegenstimmen von SPD, FWO, Grünen und ÖSL verabschiedet. Der Hebesatz für die Grundsteuer B steigt weniger stark als geplant. Das hat allerdings seinen Preis. Nicht nur das Defizit fällt im kommenden Jahr größer aus, die Ratsmehrheit von CDU und FDP setzte bei mehreren Projekten auch knallhart den Rotstift an.
Betroffen ist vor allem die Sanierung des Schwimmbads Bergerhof in Wildbergerhütte (siehe Extra-Artikel), die gestoppt wird. Der Fördermittelbescheid über 2,5 Millionen Euro wird an den Bund zurückgegeben und der Antrag auf weitere Landesförderung zurückgezogen. Am heutigen Mittwoch hätte es hierzu Gespräche mit der Bezirksregierung Köln geben sollen, diese wurden vom Reichshofer Rathaus noch am Dienstagabend abgesagt. Die Schwimmhalle soll, solange keine größeren Reparaturkosten anfallen, weiterbetrieben werden und langfristig in die Raumplanungen für die Grundschule eingearbeitet werden.
Sparen muss auch die Feuerwehr. Der Neubau des Feuerwehrgerätehaus in Brüchermühle ist derzeit ohne weitere Belastungen der Bürger nicht refinanzierbar und soll zunächst um zwei Jahre verschoben werden. Auch die Erstellung des neue Brandschutzbedarfsplans wird um zwölf Monate ins Jahr 2026 verschoben, dafür zudem 15.000 Euro weniger angesetzt. Ob der Plan – wie von Reichshofs Feuerwehr gefordert – anschließend von einem externen Spezialisten aufgestellt wird, ist ebenfalls fraglich. Zudem müssen u.a. Einsatzfahrzeuge nun fünf Jahre länger durchhalten.
Weitere Streichungen: Der Ansatz „Dorfzukunft“ in Höhe von 25.000 Euro wird bis 2028 komplett aus dem Haushalt genommen. Im selben Zeitraum wird der Betrag für den Katastrophenschutz von 20.000 auf 10.000 Euro halbiert. Das UA1-Programm (Straßenunterhaltung) wird ab dem Jahr 2026 um 200.000 reduziert. Außerdem hob der Gemeinderat mehrheitlich den Ratsbeschluss vom 11. Dezember 2017 der gemeindlichen Schuldenbremse auf. Eine Nettoneuverschuldung ist damit wieder möglich.
Die Streichungen waren notwendig, um den neuen von der CDU vorgeschlagenen Grundsteuer B-Hebesatz von 785 Prozentpunkten für 2025 möglich zu machen. Auf eine Differenzierung des Hebesatzes wurde bei vier Gegenstimmen der FWO und einer Enthaltung der ÖSL mehrheitlich verzichtet. Es ist die erste Steuererhöhung für Reichshofs Bürger seit mehreren Jahren. Bislang lag der Hebesatz bei 570 Prozentpunkten, für die Gemeinde wären nach der Grundsteuerreform 712 Prozentpunkte aufkommensneutral gewesen. Ursprünglich hatte Kämmerer Gerd Dresbach eine Erhöhung auf 920 Prozentpunkte vorgeschlagen, um den dramatischen Einbruch der Gewerbesteuer aufzufangen (OA berichtete).
Durch die geringer ausgefallene Steuererhöhung verdoppelt sich das eingeplante Haushaltsloch für 2025 von 1,46 Millionen Euro auf rund 3 Millionen Euro. Um dem Haushaltssicherungskonzept in den nächsten Jahren zu entgehen, ist derzeit im Jahr 2026 eine weitere Erhöhung auf 985 Prozentpunkte geplant, für 2027 auf 1.149 Prozentpunkte. Die Grundsteuer A wurde für 2025 auf 388 Prozentpunkte festgesetzt, die Gewerbesteuer steigt um 15 Prozentpunkte auf einen Wert von 490.
Vor der Verabschiedung des Haushalts und der Hebesatzung hatte sich Reichshofs Politik ausführlich Zeit für die traditionellen Haushaltsreden genommen. Fast 100 Minuten sprachen die Fraktionsvorsitzenden über die dramatische weltpolitische Lage und die daraus resultierenden Folgen für die Bundes- und Kommunalpolitik.
Thomas Funke (CDU) kritisierte die erdrosselnde Wirkung der erneut gestiegenen Kreisumlage und verlangte endlich die Einhaltung des Konnexitätsprinzips: „Wer bestellt, bezahlt!“ Die „dramatischen Einschnitte“ im Haushalt begründete er damit, dass seine Partei es nicht zulassen werde, dass die Bürger von den zusätzlichen finanziellen Lasten durch die Grundsteuerreform erdrückt werde. Auch die Aufhebung des Beschlusses „Keine Nettoneuverschuldung“ sei aus seiner Sicht unumgänglich: „Hierbei darf bzw. soll sich die Kreditaufnahme aber ausschließlich auf langfristige, sinnvolle und nachhaltige Investitionen beschränken. Alles andere bedeutet Stillstand für den Ausbau unserer Infrastruktur.“
Anja Theis (SPD) griff ebenfalls den Kreis an, bei dem sie noch sehr viel Einsparpotential sieht. Nicht nur der geplante Neubau des Kreishauses sorgte bei ihr für Kritik. Auch die Jugendamtsumlage bezeichnete sie als erschreckend hoch. Laut einem Bericht der Gemeindeprüfungsanstalt sei der Oberbergische Kreis der teuerste in ganz NRW. Aber auch Reichshofs Verwaltung attackierte sie und wiederholte, dass die Rückgabe des 25-Millionen Euro-Förderbescheid für den Glasfaserausbau beschämend sei (OA berichtete). Die von der Kämmerei vorgeschlagenen Steuererhöhungen lehnte Theis ohne eine höhere Gewerbesteuer ab: „Unsere Bürger sollen für die schwache Konjunktur […] zur Kasse gebeten werden!“ Ihre Partei stimmte gegen die Erhöhung der Gebühren für Frischwasser und Straßenreinigung, die aber mehrheitlich beschlossen wurden.
Reinhard Krumm (FWO) sprach von einem Steuer-Wahnsinn, den seine Partei nicht mitmachen werde: „Wer glaubt, dass es durch die Grundsteuerreform besser und geworden ist, der glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.“ Offen ging er die Verwaltung wegen der neuen Hinweistafel an der Gesamtschule an, die 50.000 Euro gekostet habe: „Im Gemeinderat kämpfen wir für Schulschwimmbäder, Minimalausstattung der Schulen und die Beseitigung von Schimmel in Klassenzimmern.“ Den Rotstift forderte Krumm vor allem für den Bereich Touristik: „Wenn der Kapitän Gennies im nächsten Jahr von Bord geht, sollten wir das Traumschiff Tourismus auch verlassen.“
Als misslungen bezeichnete Jürgen Barth (Grüne) die Grundsteuerreform. Das Ziel, einer gerechten Bewertung sei grundlegend verfehlt worden. Auch er sieht den Bereich Tourismus kritisch und forderte eine externe Prüfung der bestehenden Strukturen sowie zu Entwicklungspotenzialen. Kritisch sieht er auch die finanzielle Situation des Wasserwerks und des Abwasserwerks und forderte einen Ausgabestopp, wodurch nur noch Zahlungen erlaubt wären, die dem sicheren Betrieb dienen.
Anja Krämer (FDP) betonte in ihrer Rede, dass das Schwimmbad Bergerhoff völlig neu überdacht werden müsse: „Ein Augen zu und weiter so darf es nicht geben. Die nachfolgenden Generationen werden es uns danken.“ Christine Brach (ÖSL) kritisierte die fehlenden Visionen des Bürgermeisters: „Die Fixierung auf den Haushalt zieht sich durch die Zeit von Bürgermeister Gennies. Politische Entscheidungen werden nur daran orientiert. Das mag für eine Kämmerei nachvollziehbar sein, aber nicht für einen Bürgermeister, der für alle Bürger angetreten ist.“
Die Anträge ihrer Partei, für das ISEK/InHK-Projekt Denklinger Dreiklang und für den Wartungsvertrag „Straßenbeleuchtung“ mit der AggerEnergie finanzielle Sperrvermerke zu beschließen, wurden vom Gemeinderat mehrheitlich abgelehnt. Ebenso der Antrag, sich aus dem EFRE-Förderprojekt „Gesundheitsregion“ zurückzuziehen.
KOMMENTARE
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Natürlich wird der Rotstift u.a bei der Feuerwehr angesetzt. Der Artikel zeigt leider nicht auf, dass dort noch viel mehr Einsparungen vorgesehen sind. Beispiele hierfür sind die Reinigung der Einsatzuniformen oder die Neubeschaffung von dringend benötigten Ausrüstungsmaterialien. Die können sich die Feuerwehrleute dann selbst beschaffen oder halt eben auf den Schutz verzichten. Der Rat verschließt seit Jahren bewusst die Augen. Unfassbar, dass für eine Werbetafel dann 50.000 € ausgegeben werden. Das Geld wäre besser an einer anderen Stelle eingesetzt worden... Als Bürger der Gemeinde Reichshof merkt man aktuell sehr stark, dass Herr Gennies im kommenden Jahr nicht mehr als Bürgermeister antritt.
Müller , 11.12.2024, 18:01 Uhr2
Vor der offiziellen Ratssitzung die Ehrenamtlichen zu ihrem gemeinnützigen Engagement ehren mit einer Medaille, zum einen die DLRG Vorstandsvorsitzende Ortsgruppe Wildbergerhütte und nicht mal ne Stunde danach die Schließung des Schwimmbad zu beschließen ist schon scheinheilig ist einfach beschämend.
Es trifft vor allem die Kinder in der Region. Und alle Kürzungen im
Haushalt gehen zu Lasten unserer Ehrenamtlichen! Ihr Engagement wird mit den Füßen getreten und Fördergelder einfach verstreichen gelassen. Schade für die Zukunft unserer aller Kinder.
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Es ist ein offenes Geheimnis, das vor allem in den Kreisen bzw. Behörden selbst unfassbar viel Geld versenkt wird. Vielleicht sollte man diese Stellen mal in Angriff nehmen, bevor man den Rotstift an anderen Bereichen ansetzt.
Oberberger, 12.12.2024, 11:30 UhrLinks zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
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