REICHSHOF

Reichshofs Politik will Steuererhöhungen nicht einfach durchwinken

pn; 11.11.2025, 18:05 Uhr
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Symbolfoto: Willfried Wende auf Pexels
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Reichshofs Politik will Steuererhöhungen nicht einfach durchwinken

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pn; 11.11.2025, 18:05 Uhr
Reichshof – Nach der Haushaltseinbringung von Kämmerer Gerd Dresbach beschließt der Gemeinderat einstimmig, dass vier Wochen Beratungszeit zu wenig sind und verschiebt die Haushaltsverabschiedung ins neue Jahr.

Von Peter Notbohm

 

Auf welche Steuererhöhungen müssen sich Reichshofs Bürger einstellen? Am Montag hat Kämmerer Gerd Dresbach seinen Haushaltsplanentwurf für das kommende Jahr eingebracht. Darin enthalten: ein Loch von 1,34 Millionen Euro - trotz Steuererhöhungen im Bereich der Grundsteuer B und der Gewerbesteuer. Der Griff in Ausgleichsrücklage wird erneut notwendig. Schon im vergangenen Jahr hatte Dresbach vorgerechnet, dass der Grundsteuer B-Hebesatz nach langen Jahren der Stagnation auf 920 Prozentpunkt (+350) steigen müsse, um weiter handlungsfähig zu bleiben.

 

Reichshofs Politik landete nach massiven Streichungen letztlich aber nur bei 785 Prozentpunkten. Dresbach nannte diese Steigerung nun „nicht ausreichend bemessen“, wodurch sich die erforderliche Defizitabdeckung nur in die Zukunft verschoben habe. Würden die Steuern so bleiben, werde die Gemeinde bis 2029 ein Minus von 15,4 Millionen Euro erwirtschaften. Das Eigenkapital werde damit rasant verzehrt und der Haushalt sei damit nicht mehr genehmigungsfähig.

 

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Deshalb soll nun erneut an der Steuerschraube gedreht werden. Dresbachs Vorschlag: Eine Grundsteuer B in Höhe von 960 Prozentpunkten, die in den kommenden Jahren sogar auf 1.325 Prozentpunkte anwachsen müsse. Auch die Gewerbesteuer soll steigen: um neun Punkte auf dann 499 Prozentpunkte. „Die Dimension dieses Erhöhungsvorschlags bildet die grundsätzlichen infrastrukturellen Probleme der Gemeinde, die von außen wirkenden Belastungen, aber auch die selbst nicht beschlossenen Entlastungen ab“, sagt Dresbach. Alternativlos sei sein Vorschlag nicht, betont der Kämmerer. Hier sieht er allerdings die Politik gefordert, in den Haushaltsberatungen in den Fachausschüssen Alternativen aufzuzeigen.

 

Gründe für die finanzielle Misere gibt es laut Dresbach mehrere: die erneut gestiegene Kreisumlage, die sich auf ein Allzeithoch von 26,1 Millionen Euro summiert und damit 54 Prozent der konsumtiven Auszahlungen ausmacht. Landesseitige Zuweisungen oder auch der ausbleibende Herbst der Reformen. Aber auch die Rettung des Schwimmbades Wildbergerhütte und die Schülerbeförderung tragen ihren Teil bei. Ein weiterer Kostentreiber: Personalkosten in der Verwaltung, die in diesem Jahr zumindest nur moderat um 100.000 Euro auf nun neun Millionen Euro steigen werden. Ausgeglichene Haushalte könne man nur noch mit außerordentlich hohen Gewerbesteuereinnahmen erzielen, sagt Dresbach. Die Gewerbesteuer ist in Reichshof in den vergangenen beiden Jahren aufgrund der schwierigen Lage aber bekanntlich eingebrochen. Die Gemeinde wird ohne eine Neuverschuldung von 6,4 Millionen Euro nicht mehr auskommen.

 

Eckdaten des Haushalts

 

Erträge (In Klammern: Vergleich zum Vorjahr)

 

Insgesamt: 54.178.716 Euro (+1.174.674 Euro)

 

Darin unter anderem enthalten:

 

Gewerbesteuer: 17.821.000 Euro (+361.000 Euro)

Grundsteuern: 5.166.000 Euro (+939.000 Euro)

Anteile an den Bundessteuern: 14.832.700 Euro (+109.300 Euro)

Schlüsselzuweisungen: 4.368.000 Euro (+3.964.000 Euro)

 

Aufwendungen

 

Insgesamt: 55.519.118 Euro (-517.262 Euro)

 

Darin unter anderem enthalten:

 

Kreisumlage: 25.856.000 Euro (+ 762.000 Euro)

Personal- und Sachaufwand: 9.016.648 Euro (+133.906 Euro)

Investitionsauszahlungen: 11.935.279 Euro (+6.899.279 Euro)

 

Darlehensaufnahme 7.570.652 Euro (+7.473.594 Euro)

Darlehensbestand (voraussichtlicher Stand 31.12.26) 22.548.000 Euro (+6.403.000 Euro)

Liquiditätskredit (voraussichtlicher Stand 31.12.26) 5.400.000 Euro (+2.700.000 Euro)

 

Steigen sollen im kommenden Jahr auch die Gebühren für Wasserwerk (Verbrauchsgebühr +9 Cent auf 1,68 Euro/m³ und Grundgebühr +50 Cent auf 11,40 Euro/Monat) und Abwasser (Schmutzwassergebühr +49 Cent auf 5,86 Euro/m³ und Grundgebühr +21 Cent auf 1,10 Euro/m²). Hier sind neben allgemeinen Kostensteigerungen auch die gestiegenen Kostenansätze des Aggerverbandes eingerechnet. Trotzdem muss die Gemeinde auch in Zukunft investieren. Die größten Vorhaben für 2026: Fünf Millionen Euro für die Fortführung der städtebaulichen Maßnahmen, 2,3 Millionen Euro für Schulbauten und zwei Millionen Euro für Fahrzeuge und Geräte der Feuerwehr.

 

Reichshofs neuer Bürgermeister Jan Gutowski (parteilos) nannte das Zahlenwerk in seiner ersten größeren politischen Rede einen „kompakten Spiegel unserer politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Realität“. Er warb dafür, das eigene Handeln zu hinterfragen und stellte die Frage, ob es richtig war, die Grundsteuer jahrelang nicht zu erhöhen, sondern nun in großen Schritten agieren zu müssen. „Das ist die Realität, der wir uns stellen müssen. Aber diese Realität darf uns nicht lähmen, sie muss uns antreiben“, warb er für transparente und ehrliche Diskussionen.

 

Dabei wolle er eine klare Linie verfolgen: „Junge Familien halten, Senioren integrieren, Wohnraum anpassen, Nahversorgung sichern.“ Dabei sollen auch Jugendliche als Betroffene künftig mehr an Beratungen beteiligt werden. Im Rahmen der Energiepolitik will er, dass Reichshof eine Rolle als Gestalter und nicht nur als Zuschauer einnimmt. Die Energieversorgung der Zukunft müsse ökologisch verantwortbar, wirtschaftlich tragfähig und sozial verträglich sein.

 

Eigentlich sollte der Haushalt bereits Mitte Dezember verabschiedet werden, Reichshofs Politik ist das aber zu wenig Beratungszeit. Die SPD stellte den Antrag, die Verabschiedung auf einen späteren Zeitpunkt im Januar oder Februar zu verschieben. „Die aktuelle Situation macht eine sorgfältige und fundierte Beratung notwendig“, argumentierte Anja Theis, dass offene Frage gründlich geklärt werden müssen, um keine Fehlentscheidungen zu treffen: „Wir müssen sicherstellen, dass der Rat auf einer soliden fachlichen und politischen Basis entscheidet.“

 

Dresbach warnte vor einer Verschiebung ins neue Jahr und begründete dies mit wirtschaftlichen Nachteilen für die Gemeinde und einem eng getakteten Jahresplan. Sollte die neue Hebesatzung nicht zum Jahresende veröffentlicht werden, könnte das bis zu einer Million Euro Verluste bedeuten. Zudem wäre die Gemeinde im Rahmen des Nothaushaltsrechts dann nur sehr eingeschränkt in ihrem Handeln.

 

Von Seiten des AfD-Fraktionsvorsitzenden Angelo Zientarski wurde der SPD-Antrag einer Verschiebung in den Februar begrüßt, „weil er alle neuen Ratsmitglieder mitnimmt“. Er stellte allerdings einen Veränderungsantrag, dass man in Folge erfolgreicher Beratungen aller Fraktionen, sich auch auf einen früheren Termin für die Haushaltsverabschiedung kurzfristig einigen können sollte. Nach kontroverser Diskussion wurde dieser Antrag schließlich einstimmig angenommen.

 

Aus dem Rat

 

  • Die Gewerbesteuereinnahmen der Gemeinde bleiben eine wackelige Angelegenheit. Kämmerer Dresbach berichtete im Rahmen des Quartalsberichts, dass die Gemeinde im September dank eines außerordentlichen Steuerertrags in Höhe von 2,8 Millionen Euro den Planwert in Höhe von 17,5 Millionen Euro wieder übertroffen habe. Die Freude darüber hatte allerdings keinen langen Bestand. Frische Zahlen vom Montag brachten Abgänge in Höhe von 1,8 Millionen Euro mit sich, womit der Planwert wieder unterschritte werde. Positives konnte Dresbach von der Grundsteuer B vermelden: hier hat die Gemeinde ein Plus von 400.000 Euro erzielt.

 

  • Die ersten Sanierungsarbeiten am Schwimmbad Wildbergerhütte sollen am 24. November beginnen. Das teilte die Verwaltung auf eine SPD-Anfrage mit. Das Bad muss für einen kurzen Zeitraum geschlossen werden und soll nach den Winterferien wieder öffnen.

 

  • Die Sommerrodelbahn in Eckenhagen lässt weiter auf sich warten. Auf Anfrage der CDU gab die Verwaltung bekannt, dass Investor Markus Lüdorf Unterlagen für das Baugenehmigungsverfahren vorgelegt habe, aber noch Klärungsbedarf bestehe.

 

  • Das neue Bürgerhaus in Wildbergerhütte mit den neuen Umkleidemöglichkeiten für den Fußballverein soll Ende April fertiggestellt werden. Auf Anfrage der CDU hieß es aus der Verwaltung, dass sich die Sanierungsarbeiten leicht verzögern.

 

  • Besetzt wurden am Montag auch die Fachausschüsse in Reichshofs Politik. Die Fraktionen konnten sich im Vorfeld auf keinen einheitlichen Wahlvorschlag einigen, sodass auf die Ausschüsse nach der Listengröße zugegriffen wurde. Die FWO ist dadurch im Schul-, Sozial-, Jugend-, und Sportausschuss nur durch drei sachkundige Bürger vertreten. Gerhild Pett (Die Linke) wird sich dem Haupt- und Finanzausschuss als beratendes Mitglied anschließen, nachdem die Linke keinen Fraktionsstatus hat. CDU, SPD, Grüne und FDP gingen erneut eine Listenverbindung ein, wodurch sie die beiden Erstzugriffsrechte auf Ausschüsse erhielten. Der AfD blieb dadurch nur die dritte Wahl, obwohl sie zweitstärkste Fraktion ist.

     

    Bau-, Planungs-, Verkehrs- und Umweltausschuss

    Vorsitzender: Thomas Funke (CDU), Stellvertreter: Gerald Zillig (SPD)

     

    Schul-, Sozial-, Jugend-, und Sportausschuss

    Vorsitzende: Marlies Schirp (SPD), Stellvertreterin: Ira Achenbach (CDU)

     

    Betriebsausschuss Wasserwerk/Abwasserwerk

    Vorsitzender: Angelo Zientarski (AfD), Stellvertreter: Christian Kiupers (AfD)

     

    Rechnungsprüfungsausschuss

    Vorsitzende: Beate Mauelshagen (Grüne), Stellvertreterin: Monika Treutler (FDP)

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