SOZIALES

"Auf Schicht mit..." dem Corona Taxi

ls; 11.04.2020, 06:00 Uhr
Fotos: Leif Schmittgen --- Benjamin Braun (v.li.), Thomas Stramm und Sadic Cam ziehen zwei Wochen nach Aktionsstart ein Zwischenfazit.
SOZIALES

"Auf Schicht mit..." dem Corona Taxi

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ls; 11.04.2020, 06:00 Uhr
Oberberg - Der Unternehmer Benjamin Braun gründete in Virus-Zeiten eine Hilfsinitiative, die vor allem älteren und gefährdeten Menschen zugutekommen soll – OA hat einen Fahrer auf seiner Schicht begleitet.

Von Leif Schmittgen

 

Der Corona Taxi-Fahrer Sadic Cam trifft am Morgen an der Zentrale, der von Benjamin Braun, einer der Geschäftsführer des Internet-Dienstleisters „Kiwis&Brownies“, ins Leben gerufenen Hilfsinitiative in Gummersbach-Erbland ein: Normalerweise startet er seine Schicht, um die Einkäufe Hilfsbedürftiger zu tätigen, von zu Hause aus. An diesem Morgen hat allerdings ein weiterer Unterstützer der vor gut zwei Wochen ins Leben gerufenen Aktion sein Kommen zugesagt.

 

 

Thomas Stramm (Foto) betreibt die Firma „SchimmelPeter“ und verfügt von Berufswegen per se über allerlei Schutzkleidung. Einen Teil davon stellt er dem ehrenamtlichen Einkaufsdienst nun zur Verfügung. Der Kofferraum seines Autos ist mit Atemschutzmasken und weiteren Utensilien, die die Mitarbeiter vor einer Ansteckung schützen sollen, bestückt. „Es besteht zwar noch keine Maskenpflicht, wir haben uns trotzdem dafür entschieden, die bestellten Waren nur mit Mund- und Nasenschutz auszuliefern“, freut sich Braun über die spontane Unterstützung seines Nachbarn und Freundes.

 

 

„Zum Start hatte ich rund 15 Bekannte akquiriert, die sofort bereit waren, mich ehrenamtlich zu unterstützen“, zieht Braun ein erstes Zwischenfazit bei einem Meeting mit beiden Helfern im Aufenthaltsraum seiner Firma. „Inzwischen sind rund 70 Ehrenamtler unserem Aufruf gefolgt“, berichtet er seinen Mitstreitern. Braun freut sich zwar über die große Hilfsbereitschaft für das Corona Taxi, die Zahl der Unterstützer übersteigt allerdings noch die der Einsätze. „Um die Aktion bekannter zu machen, drucken wir in den kommenden Tagen Flyer“, kündigt der Initiator die nächste Maßnahme an. Die Kosten stemmt er aus seiner Privatschatulle. Die Zettel sollen dann im gesamten Kreisgebiet verteilt werden, um auch diejenigen zu erreichen, welche das Internet in der Regel nicht nutzen. Das Angebot ist bis dato ausschließlich online beworben worden.

 

Inzwischen sind alle Programmierer bei „Kiwis &Brownies“ im Homeoffice, die Skizzen auf dem Sideboard im Raum zeugen allerdings noch von den Plänen, welche Braun (Foto) und seine Kollegen eigens für die Logistik des Corona Taxis entwickelt haben. Mit der Software werden sowohl die Bestellungen als auch die benötigten Daten für die freiwilligen Unterstützer gebündelt und automatisch verarbeitet. Nach der Besprechung legt Fahrer Sadic Cam die soeben erhaltene FFP2-Maske auf den Beifahrersitz seines Autos und macht sich auf den Weg zum Wochenmarkt nach Bergneustadt.

 

 

„Zum Karfreitag wurde Fisch bestellt“, erzählt Cam (Foto). Er hat für den heutigen Tag von zwei Seniorinnen Aufträge bekommen. „Das entspricht momentan dem Tagesdurchschnitt“ , hofft auch er, dass die geplante Werbung in Papierform, bald mehr Anfragen zum Einkaufsservice akquiriert. Bereits am frühen Morgen hat der Fahrer die Adressdaten und Warenliste seiner Kunden auf sein Smartphone gesendet bekommen – dank der von „Kiwis& Brownies“ programmierten Software. Und woher kam die Order, weswegen der „Taxifahrer“ unterwegs ist?

 

 

Rückblende: Die Seniorin, die sich Fisch und Marmelade zum Feiertagsmahl wünschte, hat am Tag zuvor beim eigens für das Corona Taxi eingerichteten Servicetelefon der AggerEnergie angerufen: Dort nimmt Chiara Barth die Einkaufswünsche per Telefon entgegen. Die 20-Jährige ist eine der neun Auszubildenden des Energieversorgers, die sich für den ehrenamtlichen Alternativservice zur Onlinebestellung bereit erklärt hatten.

 

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„Wir tragen die Warenwünsche und die Adressen der Kunden in eine Bildschirmmaske ein und senden diese dann an die Zentrale“, berichtet die junge Frau von ihrer Arbeit mit der entwickelten Software. „Die Liste der Anrufer ist an diesem Tag überschaubar“, bestätigt auch Simone Heuter, bei der die organisatorischen Fäden im Unternehmen zusammenlaufen, die bisher eher geringe Nachfrage. Die Bestellannahme sei nach der Anfrage von Benjamin Braun schnell eingerichtet worden: „Wir haben sofort eine eigene Telefonnummer eingerichtet“, sagt Heuter.

 

 

Inzwischen hat Sadic Cam sein Fahrtziel, den Rathausplatz in Bergneustadt erreicht. Dort herrscht auf dem Markt buntes, aber gesittetes Treiben. Die Schlange vor dem Fischwagen wirkt lang, die Menschen stehen allerdings mit reichlich Abstand zueinander, an. Der Fahrer hat Glück, dass er eines der letzten Stücke frischen Fisch ergattern konnte, ehe er, nach dem Sprung in den Supermarkt für die ebenfalls bestellte Marmelade, seine Fahrt fortsetzt. Sein Weg führt ihn nach Gummersbach-Derschlag. Dort freut sich die 92-jährige Ingelore Lobe, als es an ihrer Türe klingelt und die bestellten Köstlichkeiten postwendend geliefert werden.

 

 

Die Seniorin zahlt nicht nur den Einkauf, sondern drückt dem Fahrer ein saftiges Trinkgeld in die Hand: „Das Geld behalte ich nicht, sondern gebe es in die Gemeinschaftskasse“, verrät Cam. Die Sammlung soll nach der Coronakrise für eine wohltätige Organisation gespendet werden, welche, das wird noch in großer Runde besprochen. „Ob wir das Geld behalten oder damit zum Beispiel unsere Benzinkosten decken, bleibt aber letztlich jedem selbst überlassen“, sagt er.

 

Kein Verständnis hat Sadic Cam für Fakeanrufe. „Vor einigen Tagen bin ich mit Einkaufstüten bepackt zu einem Wohnblock auf den Hackenberg gefahren, den Besteller dort gab es allerdings nicht“, ärgert er sich noch heute. Damit der durch „schwarze Schafe“ verursachte Schaden nicht zu groß wird, ist der Einkaufswert auf maximal 50 € beschränkt, ein Artikel darf zudem nicht teurer als 15 € sein. „Zigaretten und Alkohol liefern wir prinzipiell nicht“, ergänzt Cam, dass es sich bei den Bestellungen nur um Artikel des täglichen Bedarfs handeln darf. Die nächste Kundin, die er beliefert, kennt er bereits. Guten Gewissens macht er sich deshalb auf, um den nächsten Wunsch zu erfüllen, und braust davon.

 

Weitere Informationen und Bestellungen:

 

corona-taxi.de

 

oder beim Servicetelefon der AggerEnergie 

 

Tel.: 02261/3003 150 (Mo. - Fr. von 9 bis 14 Uhr)

 

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KOMMENTARE

1

Eine gute Idee wäre, sich mal beim Gesundheitsamt über die geeignete Schutzkleidung informieren zu lassen. Werden die Handschuhe wirklich erst nach Anwendung einer Desinfektion der Hände angelegt? Sind die Helfer wirklich sicher nicht infektiös, so dass keine Gefahr besteht, dass sie die Senioren und Kranken, die ja primär geschützt werden sollen, durch die nach außen durchlässigen Masken nicht anstecken?

Wurzelhexe, 11.04.2020, 08:38 Uhr
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Ganz tolle Aktion! Vielen, vielen Dank an alle. Ich denke doch, es werden sich noch mehr Menschen bei Ihnen melden. Und die, die sich damit einen Scherz erlauben, sollen sich was schämen!

Gabi, 11.04.2020, 17:19 Uhr
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