SOZIALES
Fehlende finanzielle Bildung wird zunehmend zum Problem
Oberberg – Die Sparkassen in der Region unterstützen die hiesigen Schuldnerberatungen mit über 45.000 Euro.
Von Peter Notbohm
Schon Schüler können in die Schuldenfalle tappen. Hier ein Ratenkauf, dort ein Handyvertrag – selbst kleine Beträge läppern sich auf Dauer, häufig reichen schon ein paar Klicks im Internet. Auch hohe Preise für Lebensmittel, Energie oder einfach nur die monatliche Miete belasten vor allem einkommensschwache Haushalte, da sie einen größeren Anteil ihres Einkommens für Grundbedürfnisse ausgeben müssen. Aus eigener Kraft können sich viele Menschen aus der Schuldenfalle dann nicht mehr befreien. Umso wichtiger ist die Arbeit von Schuldnerberatungsstellen.
Die Beratungsstellen für überschuldete oder von Überschuldung bedrohte Menschen in der Region bieten qualifizierte Beratung und somit ein Stück Lebenshilfe. Die Sparkassen im Oberbergischen Kreis unterstützen diese Arbeit und Angebote von Caritasverband, AWO Rhein Oberberg und der Diakonie Kirchenkreis An der Agger seit Jahren. Am Donnerstag wurde der symbolische Scheck in Höhe von 45.470 Euro in der Hauptfiliale der Sparkasse Gummersbach in der Kreisstadt an die Institutionen überreicht. Der Kirchenkreis An der Agger wird diese Summe nahezu verdoppeln, versprach Thomas Hildner, Geschäftsführer der Diakonie.
„Schön, dass sie es gibt, schade, dass sie es geben muss“, richtete sich Sparkassen-Vorstandsmitglied Dirk Steinbach an die Vertreter der Schuldnerberatungsstellen, die aus ihrer täglichen Arbeit berichteten. „Das sind alles Einzelschicksale und macht ihre Arbeit so wichtig“, ergänzte Sparkassen-Vorstandsmitglied Gunter Derksen. Auch Manuel Peters, Regionalvorstand bei der Kreissparkasse Köln, sprach von einer „guten Tradition“ diese Gelder zu verteilen: „Das ist unser öffentlicher Auftrag, der uns trägt.“
Nach Berechnungen der Wirtschaftsauskunftei Creditreform (SchuldnerAtlas Deutschland 2025) waren zum Stichtag 1. Oktober 2024 rund 1,4 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen (NRW) überschuldet. Die Überschuldungsquote der erwachsenen Bevölkerung lag mit 9,58 Prozent etwas niedriger als im Vorjahr und damit im Bundesländervergleich im unteren Drittel.
Die Lage sei ernst, aber nicht hoffnungslos, berichtete Thomas Kröger von der AWO Rhein Oberberg. In den vergangenen 25 Jahren habe sich die Zahl der Berater verdreifacht, die Zahl der Insolvenzen pro Beratungsstelle aber auch nahezu vervierfacht (derzeit jährlich zwischen 80 und 100 pro Beratungsstelle). Die aktuellen Fallzahlen bezeichnet er als stagnierend bis leicht steigend auf hohem Niveau.
War früher vor allem Arbeitslosigkeit der Hauptauslöser, hat sich das inzwischen gewandelt. Für Kröger ist es vor allem ein Thema fehlender finanzieller Bildung, gerade bei Jugendlichen und Migranten. Vor allem die „Massen an Klarna-Bestellern“, die irgendwann den Überblick verlieren seien ein echtes Thema: „Wenn diese Ratenkäufe scheitern, verdoppeln sich die Beträge und dann bricht alles zusammen.“ Knapp die Hälfte aller Fälle ende in einem Insolvenzverfahren, Vergleiche seien bei der Vielzahl an Gläubigern häufig gar nicht mehr möglich.
Ein weiteres immer häufiger auftretendes Problem: Plötzliche Veränderungen im Leben, die mit einem Umzug verbunden sind, etwa Trennung oder eine Vergrößerung von Familien durch Geburten. Denn in den vergangenen Jahren sind laut Markus Würtz, therapeutischer Leiter beim Caritasverband, die Mietpreise bei Neuvermietungen jährlich um 5,4 Prozent gestiegen – auch im Oberbergischen. „Wir brauchen neuen Sozialen Wohnungsbau, der gefördert wird. Der ist aber leider unattraktiv.“ Dem pflichtete auch Sandra Ost, zuständig für die Schuldnerberatung beim Oberbergischen Kreis, bei.
Von einem strukturellen Problem sprach Carola Lambeck, Schuldner- und Insolvenzberaterin bei der Diakonie Kirchenkreis An der Agger. Es gebe immer wieder Fälle, in denen ALG1-Empfänger zwei bis drei Monate warten müssen, bis ihr Antrag bewilligt ist. In dieser Zeit bestehe keine Versorgung der Menschen, die damit leicht in die Schuldenfalle rutschen können. Auch die geplante neue Grundsicherung der schwarz-roten Bundesregierung sieht sie kritisch, falls diese wie geplant kommen sollte.
Die Spende der Sparkasse stammt aus einem speziell eingerichteten Fonds zur Mitfinanzierung der Schuldnerberatung und wird, je nach Mitarbeiterstärke, auf die drei Beratungsstellen aufgeteilt. Dabei seien die Sparkassen nachweislich in die Verursachung von Überschuldungssituationen kaum involviert, wie es in einer Mitteilung heißt. Stattdessen möchten die Sparkassen aufklären, zum Beispiel mit regelmäßigen Veranstaltungen an Schulen oder der Bildungsinitiative KURS oder auch mit Onlineangeboten.
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