SOZIALES
Runder Tisch für Inklusion: „Es gibt noch viel Arbeit“
Oberberg – Bei regelmäßigen Treffen und organisiert im Netzwerk „Nino“ wollen Akteure aus dem gesamtem Kreis Barrieren abbauen und mehr Teilhabe ermöglichen – Forderungen an die Politik für mehr Unterstützung.
Von Lars Weber
Besucher quer aus dem ganzen Kreis sind kürzlich im Landschaftshaus bei der Biologischen Station Oberberg am Fuße von Schloss Homburg zu Gast gewesen. Sogar aus Hückeswagen hatte man den Weg nach Nümbrecht gefunden. Die rund 20 Anwesenden kamen aus Verwaltungen wie dem Oberbergischen Kreis, Gesellschaften wie der Bergische Agentur für Kulturlandschaft (BAK), von Vereinen wie Lebenspfade Oberberg oder auch Projekten wie Wiehl enthindert: Sie alle eint das Thema Inklusion. Und sie alle sind der Auffassung: Für das Thema muss unbedingt mehr getan werden, um Barrieren abzubauen und Menschen mit Beeinträchtigungen mehr und leichter die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Ein Besuch beim Runden Tisch für Inklusion macht deutlich: Hier sind alle mit Herzblut bei der Sache – aber die Gesellschaft verändert sich nur sehr langsam.
Inklusion wollen, Inklusion ermöglichen, Inklusion machen: Das sind die drei Ziele des Wiehler Projekts „Wiehl enthindert“. Heißt so viel wie: Die Haltung in der Gesellschaft verändern, notwendige Strukturen verändern oder überhaupt erst schaffen und Angebote gemeinsam erleben. Dieser Dreiklang fasst auch ganz gut zusammen, worum es den Anwesenden des Rundes Tischs Oberberg geht. Es war die 18. Ausgabe der Veranstaltung. Ins Leben gerufen wurde die Initiative 2018.
Die Initiative dafür geht zurück auf Dorothee Nohn, die kurz zuvor ihren Lehrerberuf eingetauscht hatte für einen Job bei der Servicestelle für außerschulische Inklusion (ServIn), einem Angebot der Katholischen Jugendagentur Leverkusen, den Kreisen Rhein-Berg, Oberberg und dem oberbergischen Kreisjugendamt. Nohn stellte fest: Ohne Expertenwissen wird es schwer, etwas für Inklusion im Kreis zu tun. Sie wurde bei verschiedenen Ansprechpartnern vorstellig und merkte: „Man kannte sich untereinander gar nicht“. Das wollten alle Beteiligten unbedingt ändern. Also lernte man sich am Runden Tisch Oberberg eben kennen. Bei einem Thema, wo durch Gesetze und verschiedenen Fördermöglichkeiten ständig Bewegung drin ist, sei der Austausch wichtig. „Das gibt auch Auftrieb“, sagt Nohn.
Beim Runden Tisch kann jede und jeder Interessierte kommen, dem Inklusion wichtig ist und der etwas verändern möchte oder auf Missstände oder Chancen aufmerksam machen möchte. „Bei uns ist jeder willkommen“, sagt Nohn. Um sich aus dem Runden Tisch heraus noch stärker unter den Einrichtungen organisieren zu können, wird vor vier Jahren noch das Netzwerk für Inklusion in Oberberg – kurz: Nino – gegründet. Aktuell seien 26 Organisationen registriert. Auf der zugehörigen Website können sie ihre Angebote veröffentlichen und Neuigkeiten rund ums Thema Inklusion einstellen.
Bei der vergangenen Sitzung des Rundes Tischs stellen beispielsweise Umweltassistenten sich und ihre Arbeit vor. Ein Angebot aus diesem Themenfeld ist zum Beispiel die inklusive Natur-Kindergruppe in Nümbrecht unter dem Motto „Natur, Vielfalt, Stärke“, wie Janna Schulte von der BAK erzählt. Es handelt sich um eine feste Gruppe von Kindern mit und ohne Behinderung zwischen acht und zwölf Jahren, die sich über ein ganzes Jahr lang zweimal im Monat treffen, um die Natur zu erleben: Tierspuren entdecken, Kresse pflanzen oder mit Naturmaterialien basteln, das Angebot ist vielfältig. Es existiert schon seit sieben Jahren und ist stets ausgebucht. Sie müssen sich aber auch immer wieder neu um Förderung bemühen.
Das Angebot ist ein gutes Beispiel dafür, dass mit wenig Mitteln viel für die Teilhabe erreicht werden kann und dafür, Barrieren in der Gesellschaft abzubauen. Und davon gibt es nicht nur bauliche, sondern beispielsweise auch auf sprachlicher Ebene. Manuela Thomas von der Biologischen Station Oberberg wird beispielsweise dieses Jahr mit einem Lesebuch Natur auf Tour im Kreis sein (zum Beispiel am 4. Juni um 17 Uhr in der Bücherei in Wiehl), das in leichter Sprache verfasst wurde. Zielgruppe sind in diesem Fall Menschen mit geistiger Beeinträchtigung. Von leichter Sprache können aber auch Nicht-Muttersprachler profitieren.
Dies gilt gerade im behördlichen Bereich. Da ist es gut, dass die Politik im Bundesteilhabegesetz die Einsetzung von Verfahrenslotsen festgelegt hat, um Familien in diesem „Behördendschungel“ weiterzuhelfen. „Das war ein Meilenstein“, sagt Nohn. Aber sie sagt auch: „Endlich hat die Politik mal was auf den Weg gebracht.“ Denn da passiere viel zu wenig. Das Schulsystem sei noch immer getrennt, obwohl die Förderschulen eigentlich der Vergangenheit angehören sollten. Auch der Arbeitsmarkt bleibt getrennt, so wie die ganze Gesellschaft. „Wie soll man unter diesen Umständen normal miteinander umgehen?“ Deshalb ist es auch eines ihrer Ziele, die Menschen für die Barrieren – egal ob baulich, sprachlich oder ob Alter oder Herkunft – in der Gesellschaft zu sensibilisieren. „Wir wollen Barrieren abbauen, gleichberechtigte Teilhabe, aber es gibt noch viel Arbeit.“
Die nächste Sitzung des Runden Tischs Inklusion findet am Donnerstag, 26. Juni, von 9 bis 12 Uhr im Haus der Selbsthilfe in Gummersbach, La Roche-Sur-Yon-Straße 5, statt. Wer Interesse an dem Thema hat, ist willkommen. Weitere Informationen und auch Kontaktdaten gibt es hier. Auch wer Unterstützung benötigt, wird dort fündig.
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