SOZIALES

Von Demenzerkrankten lernen

ks; 14.02.2021, 08:00 Uhr
Fotos: Michael Kleinjung --- (v. li.) Margot Fischer, ehrenamtliche Demenzbegleiterin, Koordinatorin Silke Brudler und Vorsitzender Uwe Söhnchen engagieren sich bei der Alzheimer Gesellschaft im Bergischen Land.
SOZIALES

Von Demenzerkrankten lernen

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ks; 14.02.2021, 08:00 Uhr
Oberberg – Die Alzheimer Gesellschaft im Bergischen Land bietet Betroffenen und ihren Angehörigen Hilfsangebote und steht ihnen beratend zur Seite.

Von Katharina Schmitz

 

Zunehmende Vergesslichkeit, Verwirrtheit, Sprachstörungen oder auch ein nachlassendes Interesse an Kontakten, Arbeit oder alltäglichen Beschäftigungen: Eine Demenzerkrankung kann sich durch diverse Anzeichen bemerkbar machen und beginnt meist schleichend. Ihre Diagnose stellt für die Betroffenen und deren Angehörige einen Schock dar. Daran geknüpft sind Ängste und Sorgen, Fragen und Ungewissheiten. „Viele schämen sich zu Beginn der Erkrankung. Sie haben das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt“, schildert Silke Brudler, Koordinatorin bei der Alzheimer Gesellschaft im Bergischen Land.

 

[Die Alzheimer Gesellschaft wurde unter anderem von Uwe Söhnchen ins Leben gerufen.]

 

Seit 2004 unterstützt die Alzheimer Gesellschaft mit Sitz in Gummersbach-Dieringhausen im Oberbergischen sowie im Rheinisch-Bergischen Kreis als gemeinnütziger Verein Demenzkranke und ihre Angehörigen. Jährlich werden etwa 110 Familien betreut. „Wir informieren unter anderem über die Erkrankung und einen geeigneten Umgang mit den Betroffenen, bieten Hilfe, koordinieren bestehende Hilfsangebote sowie Selbsthilfegruppen oder hören einfach nur zu“, beschreibt Brudler das Tätigkeitsfeld des Vereins. Mit einem Team von rund 60 Ehrenamtlichen besuchen sie die Erkrankten auch in den eigenen vier Wänden und ermöglichen den Angehörigen damit für einige Stunden in der Woche Entlastung und Freiraum.

 

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Das Leben von Menschen mit Demenz wird durch die fortschreitende Erkrankung fundamental verändert. Beeinflusst werden unter anderem die Wahrnehmung, das Erleben, das Erinnern und auch das Verhalten der Betroffenen. So können im Alltag auch immer wieder herausfordernde Konfliktsituationen entstehen. Aus diesem Grund müssen auch die Angehörigen lernen, ihr Verhalten anzupassen. „Den Menschen so sein zu lassen wie er ist und gleichzeitig zu wissen, dass man sich als Angehöriger auch schützen darf – sagen darf, dass einem auch mal alles zu viel ist – das ist ein Lernprozess“, sagt Brudler, die auch als Pflegefachkraft in der stationären Altenpflege arbeitet. Sie rät betroffenen Familien, sich frühzeitig mit der Thematik auseinanderzusetzen.

 

[Eine Demenzerkrankung beginnt meist schleichend. Silke Brudler rät, sich frühzeitig Hilfe zu suchen.]

 

Um als ehrenamtlicher Demenzbegleiter tätig zu werden, muss das hierfür nötige Wissen vorab in einer Schulung erworben werden. „Wir bieten jährlich ein oder zwei Schulungskurse an. Neben Interessierten sowie Betreuungs- und Hauswirtschaftskräften entscheiden sich auch Angehörige für die Teilnahme an einer Schulung“, sagt die Koordinatorin. Auch Mitarbeiter von ambulanten Pflegediensten, Pflegeeinrichtungen sowie Sozialdiensten würden an den In-House-Schulungen teilnehmen.

 

Verschiedene Module bereiteten die Helfer auf ihren Umgang mit Erkrankten vor. Wie handeln, wenn das Essen nicht erkannt oder die Aufnahme verweigert wird? Wie reagieren, wenn einem der Teller um die Ohren fliegt? „Neben dem Verhalten in Notfallsituationen wird auch besprochen, welche Beschäftigungen für Erkrankte geeignet sind. Der Kontakt zu Kindern oder Tieren ist viel wert. Interessant ist auch, sich gemeinsam Fotos anzuschauen und über früher zu sprechen sowie vorzulesen und zu singen: Das oberbergische Heimatlied kennen sie alle“, lacht Brudler.

 

[Silke Brudler (li.) koordiniert die Einsätze der ehrenamtlichen Demenzbegleiter.]

 

Doch auch wenn die Krankheit sich durch Vergessen und Verlernen auszeichne, so könne man von den Betroffenen auch lernen: „Demenzkranke kommunizieren über Gefühle. Sie lesen Gestik und Mimik und spiegeln oftmals unser Verhalten. Wichtig ist, ihnen mit Geduld, Ehrlichkeit und Transparenz zu begegnen, ihnen das Gefühl der Wertschätzung zu vermitteln, sie einzubinden und in der Welt abzuholen, in der sie sich gerade befinden.“ Außerdem solle laut Brudler nicht auf die Defizite, sondern vielmehr auf die vorhandenen Ressourcen geachtet werden. Dabei sei ganz entscheidend, das eigene Verhalten zu reflektieren.

 

[Margot Fischer feiert in diesem Jahr ihr zehntes Jubiläum als ehrenamtliche Demenzbegleiterin.]

 

Die Pandemie und die damit verbundenen Auswirkungen beeinträchtigten die Betroffenen Brudler zufolge zusätzlich: „Die Erkrankten erhalten weniger Besuch, weil sich die nahestehenden Personen zurecht zurücknehmen und ihre Lieben schützen möchten. Doch das führt dazu, dass die Demenz schneller voranschreitet.“ Die Isolierung sei nicht folgenlos. Auch Überforderung sowie Depressionen würden vermehrt auftreten. „Wichtig ist ein regelmäßiger Tagesablauf. Deswegen sind wir sehr froh über den veränderten Lockdown“, schildert Brudler. Im Gegensatz zu den Maßnahmen während der ersten Welle seien nun auch die Tagespflege-Standorte geöffnet. Außerdem könnten die Ehrenamtlichen die betroffenen Familien nach wie vor durch ihre Betreuung entlasten.

 

Insgesamt hofft Brudler, dass die Demenzerkrankung künftig frühzeitiger erkannt werden kann und die Betroffenen dementsprechend eher von dem bestehenden Therapieangebot profitieren können. Außerdem fordert sie einen veränderten Umgang mit Demenzerkrankten: „Die Menschen sollten sich aufgrund ihrer Erkrankung nicht ausgegrenzt oder stigmatisiert, sondern als Mitglieder unserer Gesellschaft fühlen. Und deswegen muss die Demenz einen Platz in unserer Gesellschaft finden – genauso wie der Diabetes oder der Bluthochdruck.“

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