SPORTMIX

Julian Borresch und der Traum von der Tour de France

pn; 17.08.2024, 06:00 Uhr
Fotos: Michael Kleinjung/Peter Notbohm (Text 1)---- Mit dem Sieg in der Bergwertung bei Rund um Köln ließ Julian Borresch Anfang des Jahres aufhorchen. Bei der Tour de l'Avenir will der Youngster erneut für Furore sorgen.
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Julian Borresch und der Traum von der Tour de France

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pn; 17.08.2024, 06:00 Uhr
Gummersbach – Borresch zählt zu den talentiertesten Nachwuchsradfahrern Deutschlands – Am Sonntag startet er bei der Tour de l’Avenir, der Tour de France für Nachwuchstalente, und will dort den nächsten Karriereschritt machen.

Von Peter Notbohm

 

Es gibt vermutlich kaum einen Kilometer Straße im Oberbergischen, den Julian Borresch nicht kennt. Kein Wunder: Der Traum des 22-jährigen Gummersbachers ist es, Radprofi zu werden.  600 bis 800 Kilometer schwingt sich der Lehramtsstudent jede Woche auf sein Rad und strampelt durch das Bergische. Wo andere längst in den ersten Gang geschaltet haben, um einen Berg zu erklimmen, fängt für Borresch der Spaß erst richtig an. Kein Wunder, dass so jemand den Agathaberg bei Wipperfürth mit seinen bis zu 27 Prozent Steigung nur eine „kleine Abwechslung“ nennt.

 

Ab Sonntag kann der Gummersbacher den nächsten Schritt in Richtung Profikarriere machen. Dann startet im französischen Sarrebourg die 60. Tour de l’Avenir. Das 1961 zum ersten Mal ausgetragene Straßenradrennen galt anfangs als die „Tour de France der Amateure“. Ab 1981 durften auch Profis an ihr teilnehmen, seit 2005 ist sie mit Einführung der Einheitslizenz den Nachwuchsfahren, meist der Altersklasse U23, vorbehalten.

 

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Auf den 7,1 Kilometer langen Prolog folgen sechs Etappen. Insgesamt 821 Kilometer müssen die Fahrer dabei bewältigen. Von Sarrebourg geht es in diesem Jahr über Ronchamp, La Rosière und den Col du Mont Cenis in Richtung Italien. Die Schlussetappe endet in den Alpen mit einem 16 Kilometer langen Anstieg am berühmten Colle delle Finestre.

 

„Ich verfolge einen klaren Karriereplan und will für kommendes Jahr den nächsten Schritt machen. Die Tour de l’Avenir ist dafür das große Sprungbrett“, sagt Borresch im Gespräch mit Oberberg-Aktuell. Als Teil der deutschen Nationalmannschaft wandelt der Nachwuchsfahrer vom REMBE Pro Cycling™ Team Sauerland auf den Spuren berühmter Radsportler. 1986 gewann mit Miguel Indurain (Spanien) einer der größten Radrennfahrer aller Zeiten das Nachwuchsrennen, zuletzt diente es als Sprungbrett für Egan Bernal (Kolumbien) und den aktuellen Tour de France-Champion Tadej Pogačar (Slowenien).

 

Eine Teilnahme an der Tour de France wäre auch Borreschs großer Traum. Aktuell fährt er für ein sogenanntes UCI Continental Team. Hierbei handelt es sich um internationale Radsportteams, die eine Stufe unter den UCI ProTeams angesiedelt sind. Darüber stehen nur noch die UCI WorldTeams. „Wenn man es in eins dieser Teams geschafft hat, ist man schon sehr nah an der Tour de France dran“, erklärt der 22-Jährige.

 

 

Sein Ziel für die Tour de l’Avenir in diesem Sommer ist klar umrissen: Vor allem auf den ersten beiden Etappen, die gut zu seinem Fahrerprofil passen, hofft er vielleicht in Ausreißergruppen erste Erfolge einzufahren. Anschließend wird es für ihn schwerer: „Mit meiner Größe und meinem Gewicht bin ich kein optimaler Bergfahrer“, sagt der 1,90 Meter große Athlet. Sein Profil passt besser auf Klassiker mit kurzen Anstiegen. Viele Bergspezialisten sind deutlich kleiner und wiegen unter 60 Kilogramm. „Die kommen natürlich deutlich einfacher hoch, aber ich lasse mich überraschen. Ich habe gut trainiert“, gibt sich Borresch ehrgeizig. Mit einem guten Abschneiden würde er seine Chancen auf eine Nominierung für die anstehende Europameisterschaft und Weltmeisterschaft erhöhen.

 

Zum Radsport ist Borresch als Jugendlicher gekommen. Von klein auf ist der ehemalige Schüler des Lindengymnasiums Mitglied der Leichtathletikabteilung des TSV Dieringhausen. Über seine Trainer Maria Heisterkamp und Christian Letscher kam er mit dem Triathlon in Berührung. „Weil Schwimmen nicht so meins war, wurden daraus aber schnell Duathlons“, erzählt er. Fußball hat er ebenfalls ausprobiert, die Leidenschaft für Leichtathletik und Radrennen war aber größer. Mit 13 folgten die ersten Mountainbike-Rennen, im zweiten Jahr der U15 ging er in Pulheim erstmals bei einem Rennradrennen an den Start.

 

Dass Rennradrennen etwas ganz anderes als Mountainbikerennen sind, musste Borresch schnell lernen: „Der Start war schwierig, weil es nicht nur auf Leistung, sondern auch auf Technik ankommt.“ Doch der Nachwuchsfahrer lernte schnell und so folgten in der U19 die ersten Bundesligarennen über 120 Kilometer. Bereits nach dem dritten Rennen kam ein Nachwuchsteam auf ihn zu, dazu im zweiten Jahr der Sprung in den NRW-Kader.

 

2021 war geprägt von Corona und einem späten Saisonstart, bei den Deutschen Meisterschaften im Einzelzeitfahren (U19) wurde er trotzdem Vierter. Im Jahr darauf gewann er in der Bundesliga mit der Mannschaft und war dabei zudem ein wichtiger Helfer für den parallelen Erfolg eines Teamkollegen in der Einzelwertung. Die erste Rundfahrt folgte 2023 als Helfer beim Orlen Nations Grand Prix in Polen. Und auch in 2024 kann Borresch bereits Erfolge vorweisen: Die Tour de Taiwan schloss er als Fünfter ab, bei Rund um Köln machte er sich einen Namen mit dem Gewinn der Bergwertung (OA berichtete). Der Durchbruch gelang ihm mit Platz drei bei der U23 Deutschen Meisterschaft in Bruchsal Ende Juni. „Das ist bislang auch der größte Erfolg meiner Karriere“, sagt der 22-Jährige.

 

 

Dass beim Thema Profi-Radsport stets auch der Dopingvorwurf mitschwingt, weiß der Gummersbacher, verweist gleichzeitig aber auf die vielen Kontrollen. „Schon auf meiner Ebene muss ich den Testern einen groben Wochenplan zuschicken und wurde dieses Jahr bei Rennen auch mehrfach getestet.“

 

Als sein großes Vorbild nennt Borresch André Greipel. Der 42-Jährige zählt zu den besten Straßensprintern seiner Generation. Von ihm hat er sich viele Trainingsinhalte abgeschaut und durfte ihn auch schon persönlich kennenlernen. Dankbar ist er aber auch seinen Eltern, „ohne die ich das überhaupt nicht machen könnte und die mich noch heute unterstützen.“ Sie werden ihrem Sohn ab Sonntag wohl auch am stärksten die Daumen drücken, damit der große Traum von der Radprofikarriere und der Teilnahme an der Tour de France irgendwann Wirklichkeit werden kann.

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