TIPPS
Als „Aspirin“ zum Streitfall wurde: Wie ein Markenname zum Mythos avancierte
„Aspirin“ – kaum ein Markenname ist in Deutschland so bekannt wie dieser. Dabei war es ursprünglich nur ein einziger der vielen Handelsnamen des Pharmaunternehmens Bayer für ein leichtes Schmerzmittel auf Acetylsalicylsäure-Basis.
Heute hat sich „Aspirin“ in weiten Teilen der Welt in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegliedert. Doch wie kam es dazu, dass der Markenname „Aspirin“ einerseits zu einem Synonym für Schmerztabletten wurde und andererseits in juristischen Streitfällen eine zentrale Rolle spielte?
Ursprünge und erste Markenschutz-Schritte
Die Geburtsstunde von Aspirin als Produkt reicht ins späte 19. Jahrhundert zurück. Laut historischen Aufzeichnungen der Bayer AG gelang es dem Chemiker Felix Hoffmann 1897, Acetylsalicylsäure in einer für die medizinische Anwendung geeigneten Form herzustellen. Schon kurz darauf brachte Bayer das Mittel unter dem Namen „Aspirin“ auf den Markt.
- 1899: „Aspirin“ wird beim Kaiserlichen Patentamt als Warenzeichen für Bayer eingetragen.
- Frühes 20. Jahrhundert: Aspirin gewinnt rasch an Bekanntheit, da es als schmerzstillend und fiebersenkend gilt.
Dieses Medikament avancierte schnell zu einem Verkaufsschlager, was zu jener Zeit durchaus bemerkenswert war, da sich viele Heilmittel erst mühsam etablieren mussten. Dank einer geschickten Marketingstrategie und der Wirksamkeit des Produkts konnte Bayer den Markennamen im kollektiven Bewusstsein verankern.
Zwischen Mythos und Verlust des Markenschutzes
Wie wurde nun aus der Marke „Aspirin“ ein regelrechter Mythos und später sogar ein Synonym für Schmerzmittel im Allgemeinen? Ein Wendepunkt trat im Zuge des Ersten Weltkriegs und der darauffolgenden Jahre ein. Im Vertrag von Versailles wurde Bayer unter anderem gezwungen, in diversen Ländern Markenrechte aufzugeben. In den USA beispielsweise verlor „Aspirin“ seinen Markenschutz, was maßgeblich dazu beitrug, dass sich der Name in der Alltagssprache der Bevölkerung verfestigte.
Dies führte zu zwei wesentlichen Konsequenzen:
- In den Vereinigten Staaten wurde „Aspirin“ zu einem Gattungsbegriff für diverse Acetylsalicylsäure-Präparate, die nicht mehr zwingend von Bayer stammen mussten.
- Auch in weiteren Ländern kam es zu einem Rückgang der exklusiven Rechte an dem Markennamen, sodass „Aspirin“ vielerorts zum Inbegriff für Schmerztabletten wurde.
In Deutschland hingegen konnte Bayer den Markenschutz weitgehend verteidigen. Bis heute ist „Aspirin“ als Marke im Eigentum des Konzerns geschützt, auch wenn die Praktiken und Begriffsnutzung längst Teil zahlreicher Rechtsdebatten geworden sind.
Warum es zur Markenrechts-Schlacht kam
Die fortschreitende Verwendung des Begriffs „Aspirin“ im allgemeinen Sprachgebrauch verursachte bei Bayer – und später auch bei anderen Unternehmen mit ähnlich bekannten Marken – ein massives Problem. Sobald ein Markenname zum Gattungsbegriff verkommt, spricht man im Markenrecht von einer sogenannten „Generisierung“. Entzieht sich eine Marke dem Einflussbereich ihres Besitzers, kann das rechtlich bedeuten, dass die Wortmarke letztlich nicht mehr ausschließlich dem ursprünglichen Inhaber zusteht.
Dies kann so weit führen, dass man theoretisch jede Firma wegen der Nutzung des Begriffs verklagen könnte – oder aber der ehemals exklusive Schutz erlischt, weil die Marke zum allgemeinen Begriff geworden ist. Im Fall von „Aspirin“ traf Bayer beides in gewissem Sinne: Man musste sich wiederholt mit Rechtsstreitigkeiten auseinandersetzen und gleichzeitig in einigen Ländern hinnehmen, dass der Begriff nicht mehr rechtlich einwandfrei geschützt war.
Wichtige Lehren für die Markenrechtslandschaft
Rechtsfälle wie jener um „Aspirin“ haben für die heutige Zeit wegweisende Bedeutung. Markeninhaber beobachten sehr genau, wann und wie ihre Markennamen in der Öffentlichkeit verwendet werden. Deshalb werden Unternehmen frühzeitig aktiv und prüfen gegebenenfalls den Gang zum Markenanwalt, um langfristige Schutzmaßnahmen zu implementieren.
Folgende Punkte gelten mittlerweile als „Lehrbuchbeispiel“ aus dem Aspirin-Fall:
- Aktive Markenführung: Eine Marke sollte nicht sich selbst überlassen bleiben. Es empfiehlt sich, regelmäßig Kampagnen und Richtlinien zu definieren, die den korrekten Gebrauch des Markennamens kommunizieren.
- Geografische Schutzrechte: Internationale Konflikte und Veränderungen in der rechtlichen Landschaft können Markenrechte erheblich beeinflussen, wie die Geschichte rund um den Ersten Weltkrieg zeigt.
- Konsequentes Vorgehen bei Missbrauch: Unternehmen reagieren häufig strikt auf die missbräuchliche oder unsachgemäße Verwendung ihrer Marke, um Generisierung zu verhindern.
Kritische Perspektive
Gleichzeitig stellt man fest, dass sich Unternehmen heute oft in einer Grauzone bewegen: Auf der einen Seite wünscht man sich, dass eine Marke „zum Begriff“ wird, um den Wiedererkennungswert zu steigern. Auf der anderen Seite kann die vollständige Verwässerung im Sprachgebrauch den Verlust des Markenschutzes nach sich ziehen. „Aspirin“ ist in diesem Spannungsfeld ein Paradebeispiel.
Dabei fällt auf, dass viele Konsumenten einen generischen Begriff für ein bestimmtes Produkt regelrecht fordern. Niemand fragt nach „Acetylsalicylsäure-Tabletten“, sondern schlichtweg nach „Aspirin“ – so wie man auch nach „Tempo“ und nicht nach „Papiertaschentuch“ sucht. Für das Markenrecht ist dies allerdings herausfordernd, weil der Erfolg des Markenbegriffs irgendwann zu dessen größten Feind werden kann.
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