WIRTSCHAFT
Kinder-Notbetreuung für die Wirtschaft sehr wichtig
Oberberg - IHK Chef Michael Sallmann über Sorgen im Handel, die Notwendigkeit schnellerer Finanzhilfen, die Bedeutung der Innenstädte und Risiken für Unternehmen, wenn Eltern im Lockdown ihre Sprösslinge zuhause betreuen müssen.
OA: Der aktuelle Lockdown besteht bereits seit zwei Monaten und wird bis mindestens Ende Januar verlängert. Wohin geht die Reise in Oberberg, vor allem, wenn man den Handel betrachtet?
Sallmann: Dem Einzelhandel fehlen massiv die Weihnachts-Wochenenden, und nicht alle Unternehmen konnten das zumindest online etwas ausgleichen. Man muss nur durch die Kreisstadt Gummersbach gehen, um zu sehen, wie stark die Auswirkungen des Lockdowns sind. Dort gab es ja schon vor der Pandemie Probleme. Ja, um den Handel muss man sich sicherlich gewisse Sorgen machen. Je länger die Läden und Geschäfte geschlossen sind, umso schwieriger wird die Situation. Es ist in dieser Situation sehr wichtig, dass finanzielle Hilfen nicht nur zugesagt, sondern auch unkompliziert zu beantragen sind und sehr schnell ausgezahlt werden. Eine Auszahlung kann ja auch unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Überprüfung erfolgen, aber jetzt kommt es darauf an, dass Handelsbetriebe und Dienstleister sehr schnell mit Geld versorgt werden.
OA: Aber da hat es in der Vergangenheit ja öfters gehakt?
Sallmann: Natürlich muss man bei der Auszahlung von steuerlicher Unterstützung immer vorsichtig sein, damit man nicht Betrügereien auf den Leim geht. Doch bei der Abwägung, welcher Schaden entsteht, wenn wir nicht rasch denen helfen, die die Hilfe benötigen, komme ich zum Schluss, dass die Geldleistungen schneller fließen müssen.
OA: Befürchten Sie denn, dass angesichts eines immer wachsenden Online-Handels die Kaufbereitschaft in den Geschäften der Region stark nachlässt?
Sallmann: Beim Einkaufen in einer Innenstadt ist das Gesamtpaket relevant. Der Mix und die Vielfalt der Waren sind natürlich wichtig, aber auch die Aufenthaltsqualität. Bummeln zu können, ein Restaurant-Besuch, vielleicht ins Kino oder zu einer Kultur-Veranstaltung zu gehen - dies alles gehört dazu. Einzukaufen hat einen funktionalen Charakter, ist aber oft auch von einem Erlebnisfaktor abhängig. Letzterer muss unbedingt erhalten bleiben.
OA: Würden Sie denn dem Handel grundsätzlich empfehlen, aufgrund veränderter Einkaufsgewohnheiten der Menschen auch online die Kurve zu bekommen?
Sallmann: Die Einkaufs-Zukunft ist keine Frage von entweder-oder, sondern einer Verbindung von stationärem und Online-Einzelhandel. Derzeit passiert ja schon viel, man sucht sich online Waren aus und holt sie vor Ort ab. Aber es gibt auch beratungsintensivere Produkte, etwa in der Textilbranche. Dabei vor Ort zu stöbern, auszuprobieren und sich inspirieren zu lassen, das wird auch künftig die Stärke des Handels vor Ort sein. Überhaupt gilt, dass es nicht DIE Lösung gibt. Jedes Unternehmen muss individuell entscheiden, welcher Weg zielführend ist.
OA: Viele oberbergische Mittelständler, die Industrieprodukte herstellen, sind exportabhängig. Sind die weltweiten Wirtschaftskreisläufe trotz Corona noch intakt?
Sallmann: Bislang läuft das Geschäft sehr gut, gerade in China und weiteren Staaten zieht es wieder an. Die Unternehmen haben sehr viel investiert, damit sie in den Produktionsstätten Corona-sicher sind. Es gibt aber ein anderes Problem. Gerade, wenn jetzt der Lockdown fortgesetzt wird und Schulen wie Kindergärten geschlossen sind, ist es wichtig, dass es entsprechende Betreuungsangebote für die Kinder der Beschäftigten gibt. Die wirtschaftlichen Chancen dürfen jetzt nicht dadurch gefährdet werden, dass Mitarbeiter gezwungen sind, ihre Kinder zuhause zu betreuen. Man sollte in den Schulen und Kindergärten Angebote für diejenigen Kinder vorhalten, deren Eltern an ihren Arbeitsplätzen unverzichtbar sind.
OA: Was glauben, Sie, wann ist eine Normalität im öffentlichen Leben wieder denkbar?
Sallmann: Das vorherzusagen, ist wie ein Blick in die Glaskugel. Es hängt maßgeblich davon ab, wie schnell wir mit dem Impfschutz vorankommen und natürlich, wie viele Menschen sich impfen lassen. Wer mit spürbarer Entspannung vor dem Sommer rechnet, ist sehr optimistisch.
KOMMENTARE
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Aber die Kindergärten hatten immer durchgehend geöffnet, im ersten lockdown für bestimmte Berufsgruppen und seitdem durchgängig! Es wird "nur" appelliert, wenn es irgendwie möglich ist, das kind zuhause zu betreuen.
Tanja, 06.01.2021, 16:09 Uhr2
Leider liegt der Fokus wieder komplett auf der Wirtschaft. Natürlich ist das ein Thema für sich. Wieso oft wird aber leider die kindliche Entwicklung, speziell im sozialen miteinander, komplett vernachlässigt und ignoriert bei solchen Betrachtung. Kinder spielen halt leider wieder einmal eine untergeordnete Rolle. Nicht, dass man den gesamten Sommer und Herbst hätte Zeit dafür gehabt, Alternativen zu auf zu oder Notbetreuung umzusetzen, nein. Wieder einmal ist man total überrascht, dass im Winter ein Virus verstärkt aktiv wird.
Björn, 06.01.2021, 18:16 Uhr3
Leider hat die Vergangenheit gezeigt, dass appellieren nicht allzuviel hilft . Jeder ist sich selbst der Nächste. Dadurch klappt das Kontakte reduzieren weder im Kita-/schulischen Bereich noch in der Wirtschaft ausreichend gut und die Infektionen steigen unaufhörlich. Da helfen leider nur drastischere Maßnahmen incl. deren Kontrolle. Das muss auch für die Wirtschaft gelten. Schließlich wollen die auch für einen Lockdown light schon entschädigt werden. Nur konkrete Vorgaben diesbezüglich findet man leider in der CoronaSchV kaum.
Hans Schmidt, 10.01.2021, 12:53 UhrLinks zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
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