BLAULICHT

Beim Geld hörte die Freundschaft auf

pn; 11.02.2022, 07:00 Uhr
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Symbolfoto: Succo auf Pixabay
BLAULICHT

Beim Geld hörte die Freundschaft auf

pn; 11.02.2022, 07:00 Uhr
Waldbröl – Pullover war Auslöser für eine räuberische Erpressung - 19-Jähriger wird vom Waldbröler Jugendgericht verwarnt – Neben einer Geldbuße muss er auch ein Antiaggressionstraining besuchen.

Von Peter Notbohm

 

Ein bekanntes Sprichwort sagt: Beim Geld hört die Freundschaft auf. Dass darin ein Körnchen Wahrheit steckt, zeigt ein Fall, mit dem sich das Jugendschöffengericht Waldbröl am Mittwoch beschäftigen musste. Angeklagt war Timo K. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert). Die Staatsanwaltschaft warf dem 19-jährigen Waldbröler, der zu Verhandlungsbeginn ein umfassendes Geständnis ablegte, unter anderem räuberische Erpressung vor. Am Abend des 21. Februar des vergangenen Jahres hatten die drei Freunde Timo K., der ebenfalls angeklagte Lars L., dessen Verfahren krankheitsbedingt abgetrennt wurde, und das spätere Opfer Stefan P. einen geselligen Abend mit viel Bier und Schnaps verbracht.

 

Unter dem Vorwand, sich von Stefan P. 100 Euro leihen zu wollen, wurde gegen 21 Uhr die Filiale der Volksbank in der Marktstadt aufgesucht. Kein unüblicher Vorgang unter den Freunden, wie Timo K. betonte: „Unter guten Freunden leiht man sich halt Geld.“ Dieses Mal kippte allerdings die Stimmung. Unter der Androhung von Schlägen forderten sie Stefan P. dazu auf, 200 Euro abzuheben und ihnen auszuhändigen. „An deiner Stelle würde ich das machen“, soll der 19-Jährige laut Anklage der Drohung Nachdruck verliehen haben. Mehr als 180 Euro gab das Konto allerdings nicht her. Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass mit dem erbeuteten Geld Drogen gekauft werden sollten.

 

Der momentan wohnungslose Waldbröler lieferte allerdings eine andere Begründung für seine Tat. Stefan P. habe an jenem Abend einen Pullover getragen, den der 19-Jährige ihm zuvor für 70 Euro verkauft habe. Das Geld habe er aber nie bekommen. Mit dem zunehmenden Genuss von Alkohol sei er auf die Idee gekommen, dieses selbst einzutreiben. „Das war nicht der richtige Weg und ich möchte mich entschuldigen und ihm das Geld wiedergeben“, ließ er über seine Verteidigerin ausrichten und ergänzte selbst: „Ich war betrunken und habe mir damals keinen großen Kopf darum gemacht.“ Die restlichen 110 Euro habe ohnehin Lars L. für sich behalten.

 

Ein wenig kurios fiel der Auftritt des Opfers Stefan P. vor dem Gericht aus. Der 22-Jährige schimpfte, dass jeder, der in seinem Bekanntenkreis Schulden habe – selbst seine Eltern – andauernd zu ihm käme: „Das hört nie auf. Dabei habe ich selbst einen Schuldenberg so hoch wie der Mount Everest und sitze deshalb wahrscheinlich bald selbst auf der Anklagebank.“ Die Gewaltandrohung habe er „komisch“ gefunden, weil der Pullover „geschenkt oder geliehen“ gewesen sei: „Er hätte ihn nur zurückfordern müssen.“ Die Entschuldigung des Angeklagten sowie die gestohlenen 70 Euro nahm der Windecker aber an.

 

Neben der räuberischen Erpressung stand noch ein weiter Vorwurf im Raum. Obwohl er keinen Führerschein besitzt, soll Timo K. am 17. Oktober des vergangenen Jahres den Renault Scenic seines Vaters genommen haben, um einen betrunkenen Freund von einer Party in Ruppichteroth abzuholen. Als der Wagen auf dem Rückweg liegen blieb, sei er zu Fuß nach Hause gegangen und habe sich schlafen gelegt. Das Fahrzeug wurde am nächsten Tag vom nichts ahnenden Vater als gestohlen gemeldet. Auch diesen Vorwurf räumte der 19-Jährige ein, die Reparatur des Renaults zahlte er aus eigener Tasche.

 

Die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung orientierten sich anschließend am Bericht der Jugendgerichtshilfe, die eine zeitliche begrenzte Betreuungshilfe und ein Sozialkompetenztraining vorschlug. Das sah auch das Schöffengericht unter dem Vorsitz von Dr. Fabian Krapoth so und verwarnte den Waldbröler wegen gemeinschaftlicher räuberischer Erpressung sowie Fahrens ohne Führerschein.

 

Er bekommt für sechs Monate einen Betreuungshelfer an die Seite gestellt und muss zudem ein Antiaggressionstraining absolvieren sowie eine Geldbuße in Höhe von 500 Euro zahlen. „Wir erwarten, dass es bei ihnen Klick macht und sie diese Dinge nicht mehr wiederholen. Sie werden bald 21 und dann sitzt man wegen so etwas schneller im Gefängnis als man denken kann“, so Krapoth. Worte, die scheinbar nicht auf taube Ohren stießen: Er habe kapiert, sagte der junge Waldbröler, der bald eine Lehre anfangen wird. Zudem verzichtete er auf Rechtsmittel, sodass das Urteil bereits rechtskräftig ist.

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