BLAULICHT

Gericht setzt Zeichen mit Urteil gegen Enkeltrick-Betrügerin

lw; 24.05.2023, 16:36 Uhr
Foto: Lars Weber.
BLAULICHT

Gericht setzt Zeichen mit Urteil gegen Enkeltrick-Betrügerin

lw; 24.05.2023, 16:36 Uhr
Waldbröl – Schöffengericht verurteilt Duisburgerin zu Haftstrafe – Reichshofer Opfer um 50.000 Euro erleichtert.

Von Lars Weber

 

Zu drei Jahren Haft ist die 41-jährige Katja G. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) vom Schöffengericht am Amtsgericht Waldbröl wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs verurteilt worden. Das Gericht um den Vorsitzenden Richter Carsten Becker sah es als erwiesen an, dass die in Duisburg lebende Frau als Abholerin Teil einer Bande war, die mit dem Enkeltrick am 24. Juni 2021 in einem Dorf im Reichshof von einem älteren Ehepaar 50.000 Euro erbeutet hat. Das Geld soll die fünffache Mutter zurückzahlen, falls sie jemals in den Besitz dieser Summe kommen sollte. Eindeutige Beweise gegen die Frau gab es nicht, wohl aber diverse Indizien und einschlägige Vorstrafen, die das Gericht von der Schuld der 41-Jährigen überzeugten.

 

Doch noch ein Alibi?

 

Am dritten Verhandlungstag am gestrigen Dienstag ging es dem Gericht vor allem noch darum, ein mögliches Alibi von Katja G. zu überprüfen. Nachdem beim zweiten Prozesstermin bereits der Geschäftsführer eines Duisburger Möbelhandels den Weg nach Waldbröl angetreten war, saß dieses Mal einer seiner Verkäufer im Zeugenstand. Der 43-Jährige soll am Tattag die Angeklagte und ihren damaligen Lebenspartner im Geschäft bedient und ihnen eine Rückzahlung ausgehändigt haben. Doch wirklich erinnern konnte sich der Mann nach rund zwei Jahren und etlichen bedienten Kunden nicht mehr an das Paar.

 

Mehr Informationen über diesen Tag hatte sich vor allem der Verteidiger von der Ladung des damaligen Lebensgefährten der Duisburgerin erhofft. Nur: Die Adresse des Mannes – er soll wieder bei seinen Eltern wohnen - war zunächst unklar gewesen und die Ladung an ihn ging erst vergangene Woche raus. Auch wenn Richter Becker davon ausging, dass die Information an der Adresse angekommen ist, so habe er trotzdem kaum erwartet, dass der Mann tatsächlich in Waldbröl erscheint. Der Grund: Er wird in zahlreichen Verfahren gesucht. Wäre er gekommen, hätte er festgenommen werden müssen. Einen Beweisantrag der Verteidigung, den Gesuchten beizuschaffen, lehnte das Schöffengericht deshalb wegen Unerreichbarkeit ab. „Er wird nicht zum Erscheinen bewogen werden können“, war Richter Becker überzeugt.

 

Erfahrung als Abholerin

 

Damit war die Beweisaufnahme beendet und es blieb nur noch der Blick auf das Vorstrafenregister der Angeklagten. Und das hatte es in sich. Die ersten Einträge finden sich 2006, als Katja G. 25 Jahre alt war. Auf der Liste findet sich gemeinschaftlicher Diebstahl, Computerbetrug oder auch Diebstahl mit Waffen. Ins Gefängnis brachte die Frau eine Verurteilung in Stuttgart wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in 13 Fällen. Auch damals der Modus Operandi: der Enkeltrick.

 

Richter Becker zitierte gestern ausführlich aus dem Urteil, das allerdings auch schon zwölf Jahre zurückliegt. Katja G. zeigte sich damals geständig. Als Abholerin war sie Teil einer Bande aus Kriminellen, die aus Belgien und Polen operierte. In Marburg, in Euskirchen, in Essen, in Regensburg, in Menden oder auch in Kiel: In ganz Deutschland fungierte die 41-Jährige als Abholerin. Insgesamt entstand ein Schaden von mehr als 100.000 Euro. In den Folgejahren bis heute kamen zwar noch weitere Einträge zum Vorstrafenregister hinzu, aber keine weiteren Beteiligungen an der Betrugsmasche Enkeltrick.

 

„Ich habe gebüßt“

 

Trotzdem sollte diese Vergangenheit eine mitentscheidende Rolle beim Plädoyer der Staatsanwaltschaft und dem späteren Urteil spielen. Die Verteidigung versuchte ihrerseits nochmals die Zweifel an der Täterschaft ihrer Mandantin zu schüren. Ohne der Schwester der Angeklagten etwas vorwerfen zu wollen, so komme auch sie aufgrund der frappierenden Ähnlichkeit der Täterbeschreibung sehr nahe, so der Verteidiger. Zudem hatte der Rechtsanwalt Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahllichtbildvorlage, die von der Polizei mit der inzwischen verstorbenen Reichshoferin durchgeführt wurde. Auch das mögliche Alibi sei nicht vom Tisch. Daher gab es für ihn nur ein Urteil: einen Freispruch. Katja G. selbst stand für ihre letzten Worte auf. Sie sei unschuldig in dieser Sache. „Ich habe gelernt aus den Straftaten und habe gebüßt.“

 

Die Staatsanwaltschaft und das Gericht sahen dies aber anders. „Die Verstorbene erkannte die Angeklagte zweifelsfrei“, sagte die Staatsanwaltschaft, und das kurz nach der Tat. Diese Identifizierung sei bestärkt worden von der Auswertung der Telefondaten, die klar in die Richtung der 41-Jährigen zeigten. Der Nachweis eines Alibis sei unergiebig geblieben. Auch wenn die Tat schon zwei Jahre her sei und seitdem keine weiteren dazugekommen seien: die Vorstrafen, die Höhe der Beute und das Ausnutzen der Schwächen älterer Menschen sollten zu einem „harten Vorgehen“ führen, so die Staatsanwaltschaft, die drei Jahre Haft, die Rückzahlung der Schadenssumme und eine DNA-Probenentnahme forderte.

 

Richter Becker und die Schöffen folgten der Staatsanwaltschaft in der Argumentation. In der Urteilsbegründung hob der Richter die besondere Verwerflichkeit der Tat nochmals hervor. Die hohe Strafe solle auch als Abschreckung dienen. Das Urteil ist noch nichts rechtskräftig.    

 

Weitere Artikel zum Thema

„Es geht um Gefängnis oder nicht Gefängnis!“

Nach Enkeltrick: Holte die Angeklagte 50.000 Euro bei den Opfern ab?

WERBUNG