LOKALMIX
110 Beschäftigte betroffen: Erst die Übernahme, jetzt die Schließung
Waldbröl – Kurz nachdem Megatech von einer italienischen Firma übernommen wurde, ist nun das Aus des Hermesdorfer Werks verkündet worden (AKTUALISIERT).
Von Lars Weber
Gerade einmal zwei Wochen war die offizielle Nachricht der Übernahme des Automobilzulieferers Megatech durch den italienischen Mitbewerber SAPA alt (OA berichtete), da wurde den rund 110 Beschäftigten des Werks in Hermesdorf mitgeteilt, welche bittere Auswirkung dieser Schritt für sie haben wird: Der Produktionsstandort soll komplett geschlossen werden, die Mitarbeiter werden ihre Jobs verlieren. Nachdem das Werk schon in den vergangenen Jahren immer wieder ums Überleben kämpfen musste, ist der nächste Besitzerwechsel nun einer zu viel. Die Reaktion seitens der Gewerkschaft spricht eine eindeutige Sprache.
Nachdem SAPA in der Mitteilung zur Übernahme noch von einer „strategischen Investition“ in die europäische und deutsche Automobilindustrie gesprochen hatte, um die Führungsposition im Bereich Kunststoffspritzguss auszubauen, spricht man nun in einer Mitteilung von Megatech von einer „strategischen Neuausrichtung“, die die Schließung notwendig mache.
„Diese Maßnahme ist erforderlich, um die langfristige Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliche Stabilität der Unternehmensgruppe zu sichern“, steht in der Mitteilung. Und: „Trotz erheblicher Investitionen in den vergangenen Jahren und intensiver Bemühungen zur wirtschaftlichen Optimierung des Standorts konnten die anhaltenden Herausforderungen in der Automobilindustrie sowie die zunehmende Verlagerung von Aufträgen in kostengünstigere Regionen nicht kompensiert werden.“ Eine nachhaltige wirtschaftliche Perspektive für den Standort ließe sich unter diesen Rahmenbedingungen nicht realisieren. Auch mögliche Synergieeffekte nach der Übernahme reichten nicht aus, um eine langfristige und stabile Auslastung des Standorts in Waldbröl gewährleisten, heißt es weiter.
Wie Megatech-Personalchefin Nicole Wippermann auf Nachfrage sagte, werden die einzelnen Bereiche des Werks sukzessive geschlossen. Der Hauptteil des Werks, die Produktion von Kunststoffteilen für Fahrzeugen, soll aber schon im Sommer dran sein, "Planhorizont" sei der 31. Juli. Bis zum Ende des Jahres soll dann in allen Bereichen Schluss und das Werk abgewickelt sein. Spekulationen darüber, ob die Produktion nach Polen und Tschechien verlagert werden soll, könne sie nicht bestätigen. Was mit den Restaufträgen passiert, wisse sie nicht.
Die Entscheidung für die Schließung sei vom neuen Eigentümer in einer Nachricht an Megetech verkündet worden. Megatech selbst habe bis zuletzt gehofft, dass mit der Übernahme neue Chancen da sind, vielleicht zumindest ein Teil des Werks zu halten sei, so Wippermann weiter. Auch deshalb gab es lange Kurzarbeit. "Doch es ist viel passiert in der Automobilbranche." Letztlich habe SAPA dann die Entscheidung getroffen. "Es tut weh", sagt Wippermann über die Verkündung der "traurigen Nachricht". "Viele Mitarbeiter waren lange dabei, sie haben viel für die Firma gegeben."
Das Unternehmen wird unverzüglich Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretungen aufnehmen, um sozialverträgliche Lösungen zu erzielen. In diesen Prozess involviert sind auch Betriebsratschef Romik Gucharian und Werner Kusel, Geschäftsführer der IG-Metall Gummersbach. Kusel hatte schon bei vergangenen Besitzerwechseln am Verhandlungstisch gesessen – und davon gab es in den vergangenen 20 Jahren einige, nachdem das einstige Unternehmen IBS Brocke nach der Insolvenz zunächst an ISE ging, dann an Polytech und kurze Zeit später an Toyota Boshoku. 2016 übernahm Megatech das Unternehmen. Die Zahl der Mitarbeiter war zu der Zeit bereits zusammengeschrumpft worden, von einst 1.600 Mitarbeitern (an Standorten in Lichtenberg und Hermesdorf) waren 2016 bereits nur noch 200 übrig.
„Man hat die Beschäftigten am langen Arm verhungern lassen“, sagt Kusel. Von irgendwelchen Investitionen am Standort - wie es in der Megatech-Mitteilung heißt - habe er jedenfalls nichts gesehen. Neue Aufträge seien nicht rangeschafft worden, alte ausgelaufen. Der Konzern habe auf das Werk zurückgegriffen, wenn die Arbeiter in den billigen Produktionsstätten in Osteuropa „nicht zu Potte gekommen“ seien.
Die Beschäftigten in Hermesdorf hätten alles getan, um den Betrieb am Leben zu halten. Er verweist auf das Jahr Kurzarbeit. Auch von der technischen Ausstattung habe das Werk durchaus Potenzial. „Die Hoffnung stirbt immer zum Schluss.“ Letztlich sei die Nachricht von der Schließung nun trotz der schwierigen Vergangenheit des Unternehmens ein Schock gewesen.
Das wird auch im Gespräch mit Betriebsratschef Romik Gucharian deutlich. Aktuell bemühe er sich, um an weitere Informationen vom Unternehmen zu kommen. "Wir wollen das Vorhaben verstehen." Zudem gebe es auch Gesetze, an die sich die Firma bei dem Thema halten müsse. Auch dies müsse geprüft werden.
In den kommenden Verhandlungen um Interessensausgleich und Sozialplan gehe es nun darum, „eine faire Geschichte hinzubekommen“, sagt Kusel. Er geht davon aus, dass die Verhandlungen im April über die Bühne gehen werden.
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