LOKALMIX
Häusliche Gewalt: Steigende Anfragen im Frauenhaus
Oberberg – Caritas bemerkt die Folgen des Lockdowns – Zahlen bei der Polizei sind dagegen sogar rückläufig.
Von Lars Weber
Die Befürchtungen zu Beginn des Lockdowns im März waren groß, dass durch die besonderen Belastungen, denen Familien und Beziehungen ausgesetzt waren, die häusliche Gewalt stark zunehmen könnte. Doch wie sieht es ein halbes Jahr später aus? Sind die Befürchtungen wahr geworden? Die Eindrücke und Anfragen bei der Caritas Oberberg, die seit 32 Jahren das Frauenhaus im Oberbergischen betreibt, stehen dabei im Kontrast zu den Zahlen, die der Polizei vorliegen.
Die Einsätze, bei denen die Polizei wegen häuslicher Gewalt ausrückte, seien in diesem Jahr im Vergleich zu 2019 sogar deutlich weniger geworden. Im Vergleichszeitraum von Januar bis August sind die Fälle laut Polizei um 27,5 Prozent zurückgegangen. „Es sind aber große Schwankungen drin“, so Polizeisprecher Michael Tietze. Im vergangenen April bewegte sich die Zahl mit 25 Fällen etwa auf dem Vorjahresniveau von 26. Dagegen registrierte die Polizei im Mai lediglich 14 Fälle, 2019 jedoch 41. „Seit März lagen die Fallzahlen in diesem Jahr stets unter denen aus dem vergangenen Jahr.“ Tietze macht aber auch klar, dass die Zahlen nichts darüber aussagen, was hinter verschlossenen Türen geschehe.
Dass es dort seit Corona keineswegs immer harmonischer zugeht, zeigt die Nachfrage der Angebote der Caritas Oberberg. Home-Office, die Betreuungssituation der Kinder und trotzdem der Haushalt, der sich nicht von allein macht. „Die Maßnahmen zur Bekämpfung des Corona-Virus in Deutschland führten zu erheblichen familiären Belastungen“, sagt Birgit Pfisterer, Fachbereichsleitung Soziale Dienste und Einrichtungen. „Aus der Erfahrung wissen wir, dass es zu Familienfeiertagen wie beispielsweise zu Weihnachten, wo der Familienalltag ähnlich dicht ist, verstärkt zu Gewaltsituationen in Familien kommt. Daher sind wir von den steigenden Anfragen nicht überrascht gewesen.“ Die Anfragen beziehen sich dabei auf das Frauenhaus, aber auch auf die Gewaltschutzberatung.
Allerdings sei gerade während des Lockdowns der Ausweg aus dieser Situation für gewaltbetroffene Frauen schwierig gewesen. Schon vor der Corona-Krise war die Unterbringung im Frauenhaus aufgrund fehlender Kapazitäten nicht immer zeitnah möglich. „Zurzeit erfolgt die Aufnahme erst nach Unterbringung in einer Quarantäne-Wohnung.“ Aufgrund der gestiegenen Nachfrage habe sich die Kreisverwaltung bereit erklärt, der Caritas bei der Anmietung einer zusätzlichen Schutzwohnung zu unterstützen. „Dies hilft sehr“, so Pfisterer. „Dieses Jahr haben wir bereits 24 Frauen und 32 Kinder aufgenommen.“ Allerdings musste seit Januar auch 32 Frauen abgesagt werden.
Seit Juli nehmen auch die Anfragen zur Gewaltschutzberatung deutlich zu, insgesamt begleitete die Caritas bislang 94 Frauen in diesem Jahr. „Hier bemerken wir eine steigende Zahl von Frauen, die selbständig die Beratung anfragen, also nicht nach einem polizeilichen Einsatz wegen häuslicher Gewalt.“ In diesen Fällen sei die Gewaltspirale häufig noch am Anfang und ambulante Unterstützung ausreichend.
Pfisterer rät Frauen, in einer akuten Situation immer die Polizei zu involvieren und eine Wegweisung des Partners zu bewirken. „Innerhalb des ausgesprochenen Rückkehrverbotes für zehn Tage klären wir gemeinsam die weiteren Schritte.“ Dazu gehören können der Umzug zu Freunden oder ins Frauenhaus, aber auch zum Beispiel der Gang zum Arzt, um etwaige Verletzungen zu dokumentieren, oder ein individueller Schutzplan. „Wir versuchen Handlungsoptionen aufzuzeigen und mit der Frau durchzusprechen. Wichtig ist das Thema ‚Schuld und Ohnmacht‘. Die Frauen müssen verstehen, sie sind nicht Schuld und sie können etwas verändern.“
Die Mitarbeiter der Caritas sind 24 Stunden erreichbar unter Tel.: 02261/30 68 41 oder per E-Mail an frauenhaus@caritas-oberberg.de. Beratungsangebote gibt es auch bei der Polizei unter www.polizei-beratung.de.
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