LOKALMIX
Immer rein in die Gute Stube
Gummersbach – Die Alte Vogtei nimmt nach langer Bauphase ihren Regelbetrieb auf – Eintauchen in Kunst und Stadthistorie – Auch das Familienbüro hat Räume bezogen.
Von Lars Weber
Groß war die Freude, als im Mai am Tag der Städtebauförderung gemeinsam mit NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach die Alte Vogtei im Gummersbacher Zentrum eröffnet werden konnte – zumindest schonmal ein bisschen. „Pre-Opening“ hieß das damals (OA berichtete). Das „Herzstück der lokalen DNA“, wie Bürgermeister Frank Helmenstein die sanierte und mit einem Anbau versehene Alte Vogtei nannte, sollte der Ministerin gezeigt werden, schließlich hat ihr Ministerium mehr als 7 Millionen Euro in die Kreisstadt für das Projekt überwiesen (siehe Kasten Rückblick). Jetzt, rund fünf Monate später, ist wirklich alles fertig. Die Alte Vogtei darf nun offiziell besucht werden und hat einige spannende Ecken zu bieten. Heute stellten die Verantwortlichen die Räume vor.
Beim Rundgang mit dabei waren Frédéric Ripperger, Geschäftsführer der Entwicklungsgesellschaft Gummersbach (EGG), Nils Berg, der Leiter der Alten Vogtei, Thomas Schulte, Ressortleiter "Prävention" des Fachbereichs Jugend und Familie, Tim Grebner, Fachdienstleiter "Wirtschaftsförderung" und Daniel Dabringhausen von der EGG.
Tourist-Info
[Alte Steine, neue Treppen im Eingangsbereich. Merlin Baier begrüßt Gäste am Info-Point.]
Wer die Alte Vogtei von der Fußgängerzone aus betritt, spürt im Eingangsbereich, dass die Steine unter den eigenen Füßen Stadtgeschichte leben. Zur rechten gelangen Besucher zur Touristik-Information. Noch sind die Öffnungszeiten, zu denen auch die Vogtei frei zugänglich ist, etwas reduziert (Montag, 9 bis 12 Uhr und 14 bis 16 Uhr, Mittwoch, 10 bis 12 Uhr und 14 bis 17 Uhr sowie Freitag von 9 bis 12 Uhr). Das soll sich im November ändern, wenn die zugehörige Stelle wieder vollbesetzt ist, so Grebner. Bei der Tourist-Info gibt es natürlich Informationen zum Haus und zu touristischen Angeboten, Gastro oder Übernachtungsmöglichkeiten. Es sollen aber auch eigene Angebote und Konzepte entwickelt werden, zum Beispiel Stadtführungen.
Kunstfenster
Direkt neben dem Info-Point ist der rund 20 Quadratmeter große Raum noch leer. Das „Kunstfenster“ wird dem Kunstforum Gummersbach zur Verfügung gestellt und dauerhaft bestückt sein. Wenn größere Ausstellungen anstehen, wird der Raum aber auch mitgenutzt. Die erste Ausstellung dieser Art steht ab dem 26. Oktober an. Martin Steiner wird seine Werke zeigen, bis zum 10. November auch im Pollmann-Saal.
Raum der Stadtgeschichte
[An dem Medientisch sollten Fans von Lokalgeschichte auf ihre Kosten kommen.]
Ein klassisches Heimatmuseum gibt es nicht in der Alten Vogtei. Stattdessen wurde sich für einen sehr modernen Ansatz entschieden. Wer die linke Tür im Info-Point nimmt, darf in den „Raum der Stadtgeschichte“ eintauchen. Rundherum informieren neun Tafeln über unterschiedliche Zeitepochen in Gummersbach. Dazu gibt es einige Gemälde zu sehen. In der Ecke wartet noch ein Kindertisch darauf, ausgestattet zu werden. Das Herzstück ist aber in der Mitte des Raumes: ein speziell programmierter Medientisch, den Ripperger und Dabringhausen auch gerne „Gummersbach-Wikipedia“ nennen. Spielerisch und interaktiv können Interessierte tief in die Geschichte der Kreisstadt blicken. Ausgangspunkt ist die Stadtkarte. Spannendes über Persönlichkeiten, Vereine oder die Infrastruktur gibt es dort, mithilfe einer digitalen Lupe kann in der Zeit hin und her gesprungen werden. Wie sah das Steinmüllergelände vor 100 Jahren aus. Dort erhält man die Antwort.
Gute Stube
Neben dem alten Kamin ist das Werk Bruno Gollers (Foto), eine Dauerleihgabe der IHK, ein Blickfang in dem Raum. Gerade ist eine Ausstellung von Schüler-Kunstwerken zu sehen. Vor allem soll die Gute Stube repräsentativen Charakter haben, zum Beispiel bei Ehrungen oder Empfängen. Auch eine kleine Cateringküche schließt sich an. Zu erwarten ist laut Vogtei-Leiter Nils Berg, dass die Gute Stube auch bei Trauungen eine große Rolle spielen wird, zum Beispiel für den Sektempfang.
Trauzimmer
["Ja, ich will!": Das Trauzimmer in historischer Atmosphäre.]
Denn das Trauzimmer befindet sich direkt neben der Guten Stube und hat im Vergleich zum Trauzimmer im Rathaus doch noch einmal einen ganz anderen Charme. Bis zu 30 Personen finden dort Platz. Ab Dezember sollen Trauungen dort möglich sein. „Die ersten Interessenten gibt es schon“, sagte Berg. Wer in der Alten Vogtei heiraten möchte, kann sich beim Gummersbacher Standesamt melden, für das Trauzimmer fallen aber zusätzliche Gebühren an.
Pollmann-Saal
Feiern könnte die Hochzeitsgesellschaft eine Etage höher im Neubau, die unter anderem auch barrierefrei via Aufzug zu erreichen ist. Der Saal über der Gastronomie ist benannt nach dem Vogt Johann Pollmann und das Multitalent im Gebäude. Feiern, Seminare, Workshops, alles ist möglich. Rund 100 Leute passen je nach Bestuhlung hinein. Durch einen Speiseaufzug ist der Raum zudem an den Gastronomiebetrieb angeschlossen.
Familienbüro
Zurück im Altbau ist dort im Obergeschoss das Familienbüro eingezogen, das bislang im Rathaus verortet war. Vor den Büros und dem kleinen und großen Besprechungsraum gibt es ausreichend Platz, um auch Kinderwagen zu parken. „Begegnen, beraten, begleiten“ möchten Thomas Schulte und seine Kollegin Larissa Martin dort. Schulte erhofft sich viel von dem neuen Standort mitten in der Stadt. Er möchte mit Eltern, Kindern und Jugendlichen ins Gespräch kommen, Beratungen, Kurse und Info-Veranstaltungen anbieten. Geplant sind unter anderem Elterncafés oder der Kurs „Erste Hilfe am Kind“. Auch die Kolleginnen der Frühen Hilfen werden in die Vogtei kommen. „Wir wollen Anlaufstelle sein für alle Fragen rund um die Familie. Wir möchten sehen: Was wird wirklich benötigt und unser Angebot auch danach ausrichten“, so Schulte.
Der lange Weg zurück
Die Entwicklungsgesellschaft Gummersbach kaufte das Gebäude im Dezember 2011. Wie Geschäftsführer Frédéric Ripperger sagt, habe man zu dem Zeitpunkt noch keine Ideen für die Nutzung gehabt. „Es ging darum, das Objekt vom Markt zu nehmen.“ Die Stadt wollte beim ältesten weltlichen Gebäude Gummersbachs – mehr als 300 Jahre hat es auf dem Buckel - kein Risiko eingehen. „Es gab auch andere Interessenten.“ Aber was diese mit dem Denkmal gemacht hätten, sei unklar gewesen. Als die Verträge unterschrieben waren, begann eine rund fünfjährige Phase, in der die EGG zum einen an Nutzungskonzepten gearbeitet hat und zum anderen diverse Gutachten erstellen ließ. Diese sollten vor allem die Bausubstanz und das Areal unter Lupe nehmen und Erkenntnisse liefern, wie teuer ein Projekt an dieser Stelle werden könnte.
[Archivfoto: Leif Schmittgen --- Die Alte Vogtei vor dem Umbau...]
Es sei schnell klar gewesen, dass es ohne Förderungen nicht gehen wird. Der erste Förderantrag im Rahmen der Städtebauförderung Anfang 2017 – das Nutzungskonzept stand schon in etwa so, wie es auch nun umgesetzt wurde – führte noch nicht ans erhoffte Ziel. Dafür aber der zweite Antrag, der detaillierter ausgearbeitet war. Selbst NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach habe sich nach einem Besuch in der Kreisstadt persönlich für die Vogtei eingesetzt.
[...und danach.]
Nach der Förderzusage Ende 2018 folgte die aufreibende Planungs- und Bauphase ab Ende 2020. „Die Bausubstanz war noch stärker geschädigt als gedacht, es gab viele Überraschungen“, so Ripperger. Unter anderem musste in der „Guten Stube“ ein komplett neues inneres Tragwerk aus Stahl errichtet werden, um das Gewicht von Obergeschoss und Dach aufzufangen. Die Decken waren bereits abgesunken.
10,9 Millionen Euro hat das Projekt insgesamt gekostet, 7,34 Millionen Euro gab es an Fördermitteln. Dabei musste die EGG im Laufe des Projekts – man denke an Pandemie- und Kriegsfolgen wie Baukostenerhöhungen und Energiekostensteigerungen – zusehen, dass die Kosten nicht davonlaufen. Mittels weiteren, kleineren Förderanträgen und Umverteilungen konnten Erhöhungen aber weitestgehend aufgefangen werden. Rund 85 Gesellschaften, Firmen oder andere Beteiligte waren in und an der Alten Vogtei aktiv.
KOMMENTARE
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10,9 Millionen....ich hoffe, es sind noch ein paar Euro für Flüchtlinge übrig.
Cornelia Lang, 02.10.2024, 21:24 UhrLinks zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.
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