LOKALMIX

Mehr Bewerber, weniger Stellen

ks; 07.11.2025, 17:25 Uhr
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Fotos: Katharina Schmitz --- (v.l.) Wolfgang Cieplik (Unitechnik), Marcus Otto (Kreishandwerkerschaft), Michael Sallmann (IHK), Nicole Jordy (Agentur für Arbeit) und Marion Minneker (Unitechnik).
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Mehr Bewerber, weniger Stellen

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ks; 07.11.2025, 17:25 Uhr
Oberberg – Die Agentur für Arbeit, IHK und Kreishandwerkerschaft haben die Jahresbilanz auf dem Ausbildungsmarkt vorgestellt – Ausbildungszahlen gehen weiter zurück – 240 Stellen sind im Oberbergischen noch frei.

Die deutsche Wirtschaft steckt in der Krise – und ganz besonders ist davon die Industrie betroffen (OA berichtete). Mittlerweile macht sich diese Entwicklung auch bei der Anzahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge bemerkbar. Gestern haben Nicole Jordy, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit Bergisch Gladbach, Michael Sallmann, Leiter der IHK-Geschäftsstelle Oberberg, und Marcus Otto, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Bergisches Land, die Jahresbilanz auf dem Ausbildungsmarkt vorgestellt. Stattgefunden hat die Pressekonferenz in Wiehl-Bomig bei der Firma Unitechnik, die passend zum Thema einen Einblick in ihre Ausbildungswerkstatt bot.

 

Mehr Stellen als Bewerber – Vorteil für Unternehmen

 

In den vergangenen Jahren wurde bei der Vorstellung der Jahresbilanz auf dem Ausbildungsmarkt viel für Ausbildung geworben. Und tatsächlich hat sich etwas verändert. „Im Oberbergischen Kreis ist das Interesse an Ausbildung erfreulich hoch“, sagte Nicole Jordy von der Agentur für Arbeit. „Hier haben sich mit 1.710 rund zehn Prozent mehr junge Menschen als im Vorjahr bei unserer Berufsberatung gemeldet – darunter 367 Jugendliche mit Migrationshintergrund, laut Jordy deutlich mehr als in vorherigen Jahren. Aber: die Anzahl an Stellen geht zurück. „Dieser Trend zeichnet sich schon mehrere Jahre ab“, sagte Jordy. In den vergangenen Jahren gab es mehr Stellen als Bewerber – ein Vorteil für die Jugendlichen. „Das ist jetzt zum ersten Mal seit 2018 umgekehrt.“

 

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Etwa zwei Drittel des Marktes werde in der Statistik der Agentur für Arbeit abgebildet werden – repräsentativ und unabhängig von Branchen. Die oberbergischen Unternehmen haben 1.530 Ausbildungs- und Studienplätze angeboten – zehn Prozent weniger als im vergangenen Jahr. Bis Ende September waren trotzdem noch 240 Plätze unbesetzt. Rein rechnerisch kommen damit auf 100 freie Stellen 115 suchende Bewerberinnen und Bewerbern. Aktuell suchen noch 310 Bewerberinnen und Bewerber aktiv nach einer Ausbildung oder einem dualen Studium.

 

„Die noch suchenden Jugendlichen und die noch offenen Ausbildungsstellen zeigen, dass die Ausbildung weiterhin gefragt ist, aber das Matching nicht immer funktioniert. Gerade im ländlichen Raum müssen wir Ausbildung noch besser vermarkten – als echte Zukunftschance für junge Menschen und als Schlüssel zur Fachkräftesicherung für die Betriebe.“ Trotzdem bleibe es eine große Herausforderung, Ausbildung in einer ländlich geprägten Region attraktiv zu vermitteln. Betriebe müssten sich hier noch stärker als Ausbildungsmarke positionieren und ihre Vorteile offensiv kommunizieren – etwa familiäre Strukturen, enge Betreuung oder gute Übernahmechancen.

 

Im gesamten Bezirk der Arbeitsagentur (Oberberg, Rhein-Berg und Leverkusen) haben die Arbeitgeber insgesamt 3.135 Berufsausbildungsstellen an die Agentur für Arbeit Bergisch Gladbach gemeldet. Das sind 458 (-12,7 Prozent) weniger als im Vorjahr (3.593) und 632 Stellen (-16,8 Prozent) weniger als zum 31. Oktober 2023. Gleichzeitig haben in 2025 4.472 Bewerberinnen und Bewerber für eine Ausbildungsstelle die Dienste der Agentur in Anspruch genommen. Das sind 424 (10,5 Prozent) mehr als im Vorjahr. Derzeit gibt es noch 955 unversorgte Bewerberinnen und Bewerber – 338 oder 54,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Parallel dazu sind noch 384 Ausbildungsstellen unbesetzt, minus 94 (oder -19,7 Prozent) als im Vorjahr.

 

Ausbildungszahlen gehen weiter zurück

 

Laut Michael Sallmann zeigt sich der Ausbildungsmarkt im Bezirk der IHK Köln in diesem Jahr erneut rückläufig. Bis Ende September wurden im Bezirk der IHK Köln – zu dem die Städte Köln und Leverkusen, der Rhein-Erft-Kreis, der Rheinisch-Bergische Kreis und der Oberbergische Kreis gehören – 7.304 neue Ausbildungsverträge in rund 150 IHK-Berufen abgeschlossen. Das sind 467 Verträge weniger als im Vorjahr, was einem Minus von sechs Prozent entspricht. „Die Rezession schlägt sich auch auf den Ausbildungsmarkt nieder. Das ist ein Alarmsignal“, wird Johannes Juszczak, Leiter des Bereichs Vertragsmanagement und Bildungshotline der IHK Köln, in einer Mitteilung der IHK zitiert. „Auch hier zeigt sich: Wir brauchen dringend bessere Rahmenbedingungen für Unternehmen. Das fordern wir als IHK Köln seit geraumer Zeit.“

 

Auch im Oberbergischen wurden bis zum 30. September weniger Verträge abgeschlossen als in den Vorjahren. Genau 927 neue Ausbildungsverträge wurden bis zum Stichtag registriert – 88 weniger (-8,7 Prozent) als im Vorjahr. Davon entschieden sich 556 Jugendliche und damit 6,7 Prozent weniger für eine kaufmännische Ausbildung (Vorjahr: 596) und 371 für eine gewerblich-technische Ausbildung (Vorjahr: 419). „Der Rückgang bei den industriellen Ausbildungsberufen von minus 11,6 Prozent zeigt, wie stark die Wirtschaftskrise viele Industrieunternehmen trifft“, erklärte Michael Sallmann. Noch deutlicher wird es im Vergleich zum 30. September 2019. Damals wurden im Oberbergischen über 200 neue Ausbildungsverträge mehr eingetragen.

 

Auch in Köln, Leverkusen, im Rhein-Erft-Kreis und im Rheinisch-Bergischen Kreis sind die Eintragungszahlen zurückgegangen. In Köln wurden 4.062 Ausbildungsverträge geschlossen (-5,8 Prozent / -251 Ausbildungsverträge), in Leverkusen 588 (-3,9 Prozent / -24 Ausbildungsplätze), im Rhein-Erft-Kreis 1.232 (-3,7 Prozent / -47 Ausbildungsplätze) und in Rhein-Berg 495 (-10,3 Prozent / -57 Ausbildungsplätze). Wer bislang noch keinen Ausbildungsplatz gefunden hat, muss aber nicht unbedingt aufs nächste Jahr warten, betonte Sallmann. Auch jetzt gibt es noch die Chance, eine Ausbildung zu beginnen. Die Ausbildungsstellenvermittlung der IHK Köln ist unter passgenau@koeln.ihk.de erreichbar. Bei den „Bewerbendentagen“ haben interessierte Jugendliche weiterhin die Möglichkeit, kurzfristig einen Ausbildungsplatz für dieses Jahr zu finden. Infos dazu auf www.ihk-koeln.de/5875068.

 

Mehr Friseure und Fleischer

 

Auch im Handwerk wurden bis zum Stichtag Ende September/Anfang Oktober in Oberberg etwas weniger Verträge als im Vorjahr abgeschlossen. Die Zahl nähert sich damit wieder der aus 2023 an. „Das ist noch kein Grund zur Sorge, die Zahlen sind nach wie vor solide, laden aber keinesfalls zum Verweilen ein“, machte Marcus Otto den Ernst der Lage klar. Auch er sprach über die Wirtschaftskrise und sagte, dass sich die Entwicklung der Industrie zwei Jahre später im Handwerk niederschlage. Doch „das Handwerk braucht ein deutliches Plus von etwa 20 Prozent mehr Auszubildenden, um den Bedarf unserer Betriebe an Fachkräften in den nächsten Jahren zu decken.“ Aus Ländern wir Vietnam oder Indien würden mehr Auszubildende angeworben. Das mache sich mittlerweile nicht nur in den Städten bemerkbar, sondern auch im ländlichen Raum.

 

Bei den Ausbildungsberufen, die sich u.a. mit Zukunftsaufgaben wie Klimaschutz und Energiewende beschäftigen, zeigt sich ein gemischtes Bild: Die Zahlen bei den Dachdeckern sind deutlich gestiegen, wohingegen Berufe wie Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, Zimmerer und Elektroniker bei den jungen Leuten in diesem Jahr weniger hoch im Kurs stehen – hier sind die Zahlen erstmals rückläufig. Auch die Kraftfahrzeugmechatroniker müssen ein Minus hinnehmen, ebenso die Fleischerei-Fachverkäufer. Laut Otto sei dies noch kein Grund zur Sorge. Eine solche wellenartige Zu- und Abnahme mache deutlich, dass nicht jeder Ausbildungsbetrieb jedes Jahr neue Ausbildungsplätze anbieten könne, sondern eben nur alle zwei bis drei Jahre.

 

Gleichbleibend bzw. mit einem leichten Trend nach oben sind die Zahlen im Lebensmittelgewerbe bei den Bäckern, den Bäckerei-Fachverkäufern und den Fleischern. Auch die Zahlen bei den Metallbauern und den Tischlern bleiben solide gleich. Zu den Gewinnern im Oberbergischen gehören in diesem Jahr die Maler und Lackierer sowie die Friseure, die ein deutliches Plus verzeichnen können. Zwischen Bewerbenden und Ausbildungsbetrieben würden sich aber vermehrt Passungsprobleme zeigen. Grund dafür seien fehlende Grundkompetenzen bzw. nur rudimentär vorhandene Kenntnisse wie etwa in der Mathematik. Für eine erfolgreiche Ausbildung im Handwerk brauche es jedoch diese soliden Basiskompetenzen. Diese müssten laut Otto verstärkt gefördert werden.

 

[Ausbilder Dennis Hertel (r.) war von 2012 bis 2015 selbst Azubi bei Unitechnik. Nils Bergerhoff (l.) ist in seinem zweiten Lehrjahr und möchte Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung werden. In der Ausbildungswerkstatt zeigen die beiden ein Modell, unter anderem gespickt mit Förderband, Kran, Sensoren und Lichtschranken. Programmiert wurde es von den Azubis.]

 

Aus Wiehl für die Welt

 

Wolfgang Cieplik, Inhaber der Firma Unitechnik, und Personalleiterin Marion Minneker boten einen Einblick in das Unternehmen. Gegründet wurde das Unternehmen 1971 von Bernd Cieplik und Heinz Poppek in Gummersbach. Aus dem Ingenieurbüro für die Planung und den Bau von elektrischen Steuerungen entwickelte sich in den vergangenen über 50 Jahren ein Unternehmen für Automatisierungstechnik mit Standorten in Wiehl-Bomig, Eisenhüttenstadt und Dubai. Heute wird Unitechnik in zweiter Generation geführt, bietet Logistiksysteme, Produktionsautomation und Schaltanlagenbau an. Mitgewirkt hat das Unternehmen laut Cieplik unter anderem am größten Cargo-Terminal Afrikas am Flughafen in Addis Abeba in Äthiopien und an der größten Flugküche der Welt in Dubai.

 

Ausgebildet wird am Standort Wiehl in vier Berufen: der Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung, der Elektroniker für Automatisierungstechnik und Betriebstechnik, Industriekaufmann/-frau und Fachkraft für Lagerlogistik. 17 Azubis gehören laut Cieplik zum Team. Viele würden heute keine Ausbildung mehr zum Fachinformatiker machen wollen, weil sie davon ausgehen, dass der Beruf in Zukunft durch Künstliche Intelligenz (KI) ersetzt wird. „Aber das ist ein Irrglaube“, ist der Firmenchef überzeugt. Vielmehr würde es darum gehen, mit der KI zu arbeiten, vielleicht auch andere Fähigkeiten zu entwickeln, nicht zuletzt aber auch darum, die KI beurteilen zu können. Darüber hinaus seien viele Softwarelösungen hochkomplex und so individuell, dass sie von der KI nicht gelöst werden könnten.

 

Seit zwei Jahren gibt es bei Unitechnik eine Bewerber-Management-Software. Viele würden sich heute mit einer KI-generierten Bewerbung an das Unternehmen wenden, was nicht zuletzt der Software auffällt. Insgesamt sei der Bewerberzugang laut Marion Minneker erfreulich. Allerdings seien Elektroniker für Betriebstechnik besonders schwer zu finden. Für die Ausbildung zum Fachinformatiker würden vor allem Abiturienten gesucht werden. Bewerber mit Hochschulreife seien aber nicht mehr so häufig vertreten. Und auch bei Unitechnik wurde festgestellt, dass die Eignungstests „deutlich schlechter“ ausfallen als noch vor einigen Jahren. Probleme gebe es auch oft bei der Rechtschreibung. „Das ist auch der Coronazeit geschuldet“, meinte Minneker.

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