LOKALMIX

Vorsorge kann Leben retten

pn, mkj; 03.06.2024, 17:05 Uhr
Fotos: Peter Notbohm, Michael Kleinjung.
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Vorsorge kann Leben retten

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pn, mkj; 03.06.2024, 17:05 Uhr
Oberberg – Die Schlaganfall Initiative Oberberg sorgte am Montag für viel Aufmerksamkeit zum Thema Prävention in der Gummersbacher Innenstadt – Gesundheit-Checks lockten viele Menschen an.

Von Peter Notbohm

 

Plötzlich auftretende Sprachstörungen, Schwindel und Gleichgewichtsverlust, Lähmungen und Taubheitsgefühle, Sehstörungen, starke Kopfschmerzen oder herunterhängende Mundwinkel – das alles können typische Symptome für einen Schlaganfall sein. Annähernd 270.000 Menschen erleiden laut Zahlen der Stiftung Deutsche Schlaganfall Hilfe jährlich bundesweit einen Schlaganfall. Über zwei Drittel sind erstmalige Schlaganfälle, betroffen sind vornehmlich ältere Menschen. Die Altersgruppe ab 60 Lebensjahren erleidet fast 80 Prozent aller Schlaganfälle.

 

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Bereits seit 2014 setzt die Schlaganfall-Initiative Oberberg deshalb auf Aufklärung innerhalb der Kampagne„Herzenssache Lebenszeit“. Wie in den Vorjahren rollte auch am Montag wieder der rote Doppeldeckerbus im „London-Style“ auf den Lindenplatz in Gummersbach. Ralf Schmallenbach, Gesundheits- und Sozialdezernent des Oberbergischen Kreises, kennt die typischen Fehler, die lebensverändernd sein können: „Die Menschen wissen viel zu wenig über mögliche Symptome. Entscheidend ist die Zeit, die zwischen Schlaganfall und Lysetherapie verstreicht. Viele gehen leider erst am nächsten Morgen zum Arzt, anstatt sofort die 112 anzurufen.“

 

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Von den Bürgern wurde das Informationsangebot der Ärzte und Therapeuten des Kreiskrankenhauses Gummersbach, der Dr. Becker Rhein-Sieg-Klinik und der MediClin Klinik Reichshof wieder sehr gut wahrgenommen. Schon weit vor dem offiziellen Startschuss um 10 Uhr meldeten sich viele Interessierte beim Aufbau für die Untersuchungstermine durch den Rettungsdienst des Oberbergischen Kreises an und ließen sich auch von den Mitarbeitern der AOK hinsichtlich einer ausgewogenen Ernährung beraten. Weitere Angebote waren das Messen des Blutzuckerspiegels, den Check der Halsschlagader oder das Messen des Blutdrucks.

 

Aus Schmallenbachs Sicht gehört Prävention angesichts deutlich steigender Einsatzzahlen inzwischen dazu: „Der Bürger darf sich in einer immer älter werdenden Gesellschaft aus diesem Thema nicht rausziehen, deshalb unterstützten wir als Kreis solche Präventivangebote. Das ist eine der wichtigsten Aufgaben für die Zukunft.“

 

[Vor dem Infobus herrschte reger Andrang.]

 

Auch Prof. Dr. Franz Blaes, Chefarzt der Neurologie in Gummersbach, betont, wie wichtig Aufklärung ist. Als das Projekt 2014 gestartet wurde, wurden nur knapp sechs Prozent aller Schlaganfall-Patienten der Lysetherapie zugeführt. Viereinhalb Stunden: mehr Zeit bleibe nicht, um nach den ersten Symptomen eines Schlaganfalls mit der Therapie zu beginnen. Folgeschäden können bis zur Invalidität führen. Daher ist es wichtig, bei einem Schlaganfall schnell auf einer für solche Fälle spezialisierten Station, der so genannten Stroke Unit, versorgt zu werden. Vor Ausbruch der Corona-Pandemie hatten sich die Zahlen verdoppelt, aber immer noch nicht das Niveau einiger Großstädte erreicht, wo die Quote bei bis zu 19 Prozent liegt.

 

Das „Corona-Loch“ habe man inzwischen überwunden: die Zahlen steigen wieder. „Ziel ist es, die Menschen früh genug in diese gerinselauflösende Therapie zu bekommen“, so Blaes, der sich zudem daran stört, dass moderne Katheter-Behandlungen medial häufig als bessere Lösung verkauft werden. „Dabei kommen nur drei bis fünf Prozent aller Patienten für diese Therapie überhaupt in Frage.“

 

Auch Dr. Jürgen Bonnert (Chefarzt für Neurologie an der MediClin Rehaklinik Reichshof) betont wie wichtig auch Sekundärprävention sei: „Nach dem großen Schrecken des Schlaganfalls müssen wir viel Aufklärungsarbeit in die Patienten hineingeben. Wir können die Menschen nur erreichen, wenn wir sie früh genug mit Primärprävention abholen und sie zu Vorsorgeleistungen animieren.“ Darunter zählen u.a. die Veränderung des Lebensstils oder die Verringerung von Risikofaktoren. Dass die Kliniken innerhalb der Schlaganfall Initiative auf einem sehr niedrigschwelligen Niveau miteinander kommunizieren, ist aus seiner Sicht eine „enorme Stärke der Region“.

 

[Nicht nur die Mitarbeiter der AOK machten Werbung für Eigenprävention. Interessierte konnten gleich mehrere Gesundheits-Checks durchführen lassen.]

 

Für Kathrin Duve, Reha-Expertin und Selbsthilfe-Beauftragte der Dr. Becker Rhein-Sieg-Klinik in Nümbrecht, ist gute Nachsorge auch gute Vorsorge: „Es gibt immer ein Reinfarkt-Risiko. Wenn Menschen in Kliniken zu Experten ausgebildet werden und Verantwortung für sich übernehmen, haben wir viel erreicht.“ Dabei gehe es auch darum, einen Patienten ganzheitlich zu begleiten.

 

Um Patienten und Angehörige, die von einem Schlaganfall betroffen sind, kümmern sich Schlaganfallhelfer wie Karl-Heinz Görlitz. Er ist seit 2017 ausgebildeter Schlaganfallhelfer und spezialisiert auf die Nachsorge. „Im Krankenhaus und der Reha werden die Patienten zu 100 Prozent umsorgt, fallen anschließend aber in ein Loch, in dem keiner weiß, was passiert. Dabei sind nicht nur die Betroffenen Leidtragende, sondern auch die Angehörigen, die damit leben müssen und nicht wissen, wie man auf das Thema zugehen soll“, sagt er. An dieser Stelle kommen Helfer wie er ins Spiel: Sie betreuen Betroffene noch ein weiteres halbes Jahr und versuchen sie am Leben teilhaben zu lassen.

 

Die Schlaganfall-Initiative Oberberg wird gebildet von der Klinik für Neurologie des Kreiskrankenhauses Gummersbach, der Kassenärztlichen Vereinigung Oberberg, dem Oberbergischen Kreis mit Gesundheitsamt und Rettungsdienst, der Rhein-Sieg-Klinik Nümbrecht, der MediClin Klinik Reichshof und der AOK Rheinland-Hamburg/Regionaldirektion Oberbergisches Land. Gemeinsam setzen sie sich für eine schnelle Versorgung von Patienten mit Schlaganfallsymptomen ein.

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