LOKALMIX
Dramatische Wochen bei Montaplast: Insolvenz abgewendet
Morsbach – Unternehmen musste kurzfristig reagieren und die Jahreszahlung für die Belegschaft aussetzen – Dies führte zu wütenden Reaktionen bei den Angestellten – Montaplast und Gewerkschaft beschwören Zusammenhalt.
Von Lars Weber
Es liegen bewegende Wochen und Monate hinter Montaplast. Mit laut Unternehmenswebsite mehr als 2.000 Mitarbeitern am Hauptstandort in Morsbach ist der Automobilzulieferer nicht nur der größte Arbeitergeber in der Gemeinde, sondern auch einer der größten im Kreis. Gerüchte um mögliche Probleme sind in Morsbach an sich nichts Besonderes. Ende November wird aber klar: Die Situation der Firma Montaplast, die auch noch jeweils einen Produktionsstandort in den USA und China hat, ist ernst – und hat nur knapp die drohende Insolvenz abwenden können. Die kurzfristige Entscheidung, das 13. Gehalt, also das Weihnachtsgeld, nicht auszuzahlen, sorgte aber für jede Menge Ärger, sogar für einen Polizeieinsatz. Nun sind Montaplast und die Gewerkschaft IG BCE darum bemüht, den Zusammenhalt zu beschwören.
Am Freitag, 22. November, hängt unvermittelt ein Aushang der Unternehmensführung in den Werken (er liegt auch OA vor), dass „aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation“ die Jahresleistung nicht ausbezahlt werden kann. Nur durch die Hilfe der IG BCE und der Tarifkommission habe die Insolvenz verhindert werden können. „Wir wissen um die Kurzfristigkeit dieser Entscheidung und die daraus entstehenden schwierigen persönlichen Situationen“, so CEO Christian A. Stulz darin weiter. Bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung sollte es weitere Informationen geben.
Nach der Nachricht nimmt ein langjähriger Mitarbeiter, er ist schon mehrere Jahrzehnte bei Montaplast tätig, Kontakt zu OA auf und redet sich den Frust von der Seele. Seinen Namen möchte er nicht im Internet lesen. Die Arbeiter hätten sich von dem Aushang völlig vor den Kopf gestoßen gefühlt. Wut, Ärger und Enttäuschung seien hochgekocht. „Also haben wir unsere Arbeit niedergelegt.“ Bei ihm im Werk 3 in Lichtenberg, aber auch im Werk 2, ließen die Mitarbeiter nach der Nachricht des Aushangs die Arbeit ruhen und protestierten.
Am Werk 2 wurde sogar die Polizei hinzugerufen. „Es gab wohl Angst vor Handgreiflichkeiten“, sagt der Mitarbeiter. Die Polizei bestätigt auf Nachfrage den Einsatz. Sie sei 22. November um 20:53 Uhr zu der Firma Montaplast gerufen worden. Zirka 500 Mitarbeiter hätten teilweise die Arbeit niedergelegt und sich auf dem Firmengelände versammelt. „Um eine mögliche/erwartete Eskalation zu vermeiden wurde vorsorglich die Polizei hinzugerufen.“ Der Einsatz beschränkte sich ausschließlich auf das Firmengelände und verlief ruhig und ohne Zwischenfälle. Es kam zu keinen Straftaten und die Polizei musste nicht einschreiten. Der Einsatz war gegen 22:30 Uhr beendet.
Der Protest habe sich mit der nächsten Schicht aufgelöst, „weil die aus der Reihe getanzt sind“, so der Mitarbeiter. In den vergangenen Jahren habe es viele weitere Entbehrungen gegeben für die Belegschaft, so der Mann weiter. Er spricht beispielsweise von der Kürzung der Nachtschichtzulage oder der Streichung von Bausparvertragzuschüssen. „Es wird gestrichen und gekürzt und gleichzeitig gibt es höhere Stückzahlen und alles soll immer schneller laufen.“ Viele Arbeiter kämen nicht hinterher, es gibt eine große Fluktuation, viele Leiharbeiter und die „Zahl der Krankschreibungen ist explodiert“, schildert er seine Sicht der Dinge. Auch die außerordentliche Betriebsversammlung habe wenig Erkenntnisse gebracht, habe er gehört. Er selbst sei nicht vor Ort gewesen. „Es war nur die aktuelle Schicht da“, sagt er.
Er moniert, dass die IG BCE sich nicht ordentlich einsetzt für die Belegschaft, „nur nach der Pfeife der Firma tanzt“, die Kommunikation in den letzten Wochen überaus schlecht gewesen sei. Es machten bereits Gerüchte die Runde, dass ähnlich wie bei VW Lohnkürzungen über zehn Prozent anstehen könnten. „Die Stimmung ist gleich Null“, sagt der Mitarbeiter.
Die Gerüchte könnte er nicht bestätigen, sagt Amando Dente, Leiter des Bezirks Köln-Bonn der IG BCE. „Davon habe ich nichts gehört.“ Er weiß aber um die Situation, in die die Mitarbeiter geraten seien. Die Entscheidung sei aber alternativlos gewesen. „Es ging darum, größeren Kollateralschaden zu verhindern.“ Er selbst hätte Einblick gehabt in die Zahlen des Unternehmens. „Es ging um dessen Liquidität!“ Die schwierige Situation sei mit der Lage von VW noch schlechter geworden. „Wenn VW hustet, husten die anderen in der Branche irgendwann auch.“
„Bescheiden war die Kurzfristigkeit der Verkündung der Stundung mit dem Aushang“, so Dente weiter. Er versteht auch, dass anschließend viele Emotionen im Spiel waren. „Die Arbeiter nutzen das 13. Gehalt meist, um die Geschenke für Weihnachten zu bezahlen.“ Trotzdem betont er, schnellstmöglich informiert zu haben. Zudem habe er direkten Draht zum Betriebsrat. „Die Geschäftsführung muss nun ihre Hausaufgaben machen.“ Die Zahlen werde die Gewerkschaft weiter im Blick haben. Es gelte, gemeinsam in ruhigeres Fahrwasser zu kommen, betont Dente. Weitere Maßnahmen konnte er nicht ausschließen. „Für Management-Themen sollte aber die Belegschaft nicht herhalten.“
Montaplast hat die Anfrage von OA am Dienstag mit einer Pressemitteilung beantwortet, die einige Nachfragen noch offenließ. Das Unternehmen sei von dem aktuell schwierigen Umfeld der Automotivebranche betroffen: „Sinkende Abrufzahlen führten insbesondere seit September 2024 zu einem starken Einbruch gegenüber den budgetierten Umsatzerwartungen und in der Folge zu hohen Lagerbeständen.“ Zuvor sei das Unternehmen plangemäß auf Restrukturierungskurs gewesen. „Die veränderte Lage erforderte jetzt ein kurzfristiges Gegensteuern, um das Bestehen des Unternehmens zu sichern.“ Gesellschafter, Banken sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten hier entsprechende Beiträge geleistet.
„Die gute Tarifpartnerschaft mit der IG BCE ist für uns von großer Bedeutung“, betont der CEO von Montaplast, Christian A. Stulz. Die IG BCE und die betriebliche Tarifkommission hätten durch den kurzfristigen Verzicht auf die Auszahlung der Jahresleistung 2024 maßgeblich zur Sicherung der Arbeitsplätze in den drei Morsbacher Werken beigetragen. „Für dieses verantwortungsvolle Handeln in schwieriger Zeit bin ich sehr dankbar“, so Stulz weiter. Mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung gelte es nun, das Unternehmen für die Zukunft aufzustellen.
Dass dies gelingt, hofft auch Bürgermeister Jörg Bukowski, der die Situation genau verfolgt. Er wisse, dass die Familie Stulz viel investiere, um die Situation zu stabilisieren. „Die äußeren Einflüsse, die schwierige Situation der Branche, das spielt eine große Rolle.“ Bukowski sei aber „vorsichtig optimistisch“, dass Montaplast die Krise überwinden kann.
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