LOKALMIX
Von gebrochenen Beinen, geplatzten Tanks und „Schwester Inge“
Gummersbach – OA schaut gemeinsam mit langjährigen Mitarbeitern zurück auf den Einzug und die Anfangszeit des Kreiskrankenhauses Gummersbach, das am Samstag 40-jähriges Bestehen feiert.
Von Lars Weber
Der 1. Juni 1985 muss ein sehr arbeitsreicher und hektischer Tag gewesen sein oben auf der Berstig in Gummersbach. Das Mega-Projekt neues Kreiskrankenhaus war endlich fertiggestellt. Nach fünf Jahren, in denen das damalige 600-Betten-Haus (aktuell sind es noch 475) hochgezogen worden war, ging es an jenem Samstag an den Einzug und die Verlegung jener Patienten aus den alten Einrichtungen in Bergneustadt und Gummersbach, die nicht vorher entlassen werden konnten. Alle Bediensteten packten mit an, um der Vorzeige-Klinik zu einem guten Start zu verhelfen. 40 Jahre später steht die Geburtstagsfeier am Samstag, 5. Juli, vor der Tür (siehe Kasten "Das Fest"). Zu diesem Anlass hat sich OA mit echten Krankenhaus-Urgesteinen getroffen, die sich nicht nur an die Anfangstage erinnern können – sie haben dem Kreiskrankenhaus bis heute die Treue gehalten.
Frank Fuhrmann startete tatsächlich seine Ausbildung zum Pfleger vier Wochen vor dem Umzug noch im alten Krankenhaus an der Brückenstraße. „Wir hatten damals Trainingseinheiten im neuen Gebäude, auch mit Rollenspielen, wo der 'Patient' zum Röntgen gebracht werden musste und wir sind mit dem Rollstuhl über die Flure gefahren“, erinnert er sich. „Und wir haben uns hoffnungslos verlaufen“, lacht der heute 63-Jährige, der später lange Zeit Stationsleiter auf der Inneren war und inzwischen IT-Projekte umsetzt. Noch bevor das neue Gebäude in Betrieb ging, habe Fuhrmann, der auch im Rettungsdienst mitfahren sollte, noch einen Einsatz dort gehabt. „Ein Verwaltungsangestellter hatte sich das Bein gebrochen – wir mussten ihn aus der neuen Klinik in die alte Klinik in die Brückenstraße bringen“, erzählt er.
[Fotos: Klinikum Oberberg --- Fünf Jahre hat es bis zur Fertigstellung des neuen Krankenhauses gedauert.]
„Am Umzugstag war es dann unsere Aufgabe, den einzigen verbliebenden Patienten unserer Station, es war ein Blinddarmpatient, nach oben zu begleiten. Alle, die vorher entlassen werden konnten, wurden entlassen. Es war alles sehr aufregend.“ Und auch etwas chaotisch, wie er sich erinnert. Wobei: „Das kann auch an mir gelegen haben, ich war ja erst vier Wochen dabei und hatte noch nicht viel Ahnung.“
Mit dem Einzug oder kurz danach fingen auch die anderen OA-Gesprächspartner ihren Dienst am neuen Kreiskrankenhaus an. Der langjährige Chefarzt (Unfall- und Handchirurgie) und ärztliche Direktor Dr. Walter Schäfer wurde auch mit dem Neubau und dem Ziel des damaligen Oberkreisdirektors Dr. Dieter Fuchs, in Gummersbach eine regionale, medizinische Spitzenversorgung aufzubauen, aus Leverkusen in die Kreisstadt gelockt. Er erinnert sich, dass am Einzugstag alle angepackt haben, „um den Laden in Schwung zu bringen“. Viel Zeit zur Orientierung gab es in der Notambulanz aber nicht. „Wir waren gerade am Netz, schon kam ein Patient mit Milzruptur.“ Der damalige Chef der Chirurgie, Dr. Hardt, sei sofort zur Stelle gewesen.
Eine der ersten Neueinstellungen, nachdem das Krankenhaus eröffnet hatte, war Heribert Herwig, wie der heute 64-Jährige erzählt. Anfangs als Schlosser tätig, wurde er 1990 zum Werkstattleiter – es gab wohl kaum etwas in dem riesigen Gebäude, von dem der Wipperfürther keine Kenntnis hatte. „Diverse Fachleute, die schon auf dem Bau die Technik installiert hatten, waren sozusagen direkt da behalten und eingestellt worden, das war gut gemacht.“
Fachleute wie er ergänzten das Team – das sich in den kommenden Jahren in die hochkomplexe Anlage fuchsen durfte. Blockheizkraftwerk, Lüftungstechnik, Dampfkessel, zentrale Wärmerückgewinnung und und und: „Das war alles Hightech damals!“ Und noch viel mehr als heute kam es auf die Menschen an, die die richtigen Regler drehen mussten, damit das System lief. „Es hat Jahre gedauert, bis die Parameter eingestellt waren“, lacht Herwig. Gerade zu Beginn seien die Dienste, vor allem die Bereitschaften nervenaufreibend gewesen. „Bei meinem ersten Dienst musste ich anrücken, weil Wasser in der Werkstatt stand, ein Tank war geplatzt.“
In den folgenden Jahrzehnten wirkte Herwig bei vielen baulichen Veränderungen und Projekten federführend mit. Sei es bei der Umstellung von Vier-Bett- auf Zwei-Bett-Zimmer oder auch die Installation der Rohrpostanlage 1990. „Die musste nachträglich eingebaut werden, das war knifflig.“ Man habe zunächst auf einer Etage mit einer Linie gestartet, bevor der Betrieb auf fünf Linien ausgebaut wurde. „Wir mussten für die Installation in die Decken. Einmal kam es in der Bücherei zum Durchbruch. Die Bücher lagen überall verteilt.“ Die Rohrpostanlage ist bis heute ein Gamechanger und erspart viele Fußwege. „Pro Tag gibt es 800 Fahrten.“ Verschickt werden zum Beispiel Laborproben.
Der Abriss
[Fotos: Klinikum Oberberg.]
„Es war nicht verfrüht, dass das alte Krankenhaus ersetzt wurde“, findet Dr. Walter Schäfer. Die alten Räume, in denen noch seine Bewerbungsgespräche stattfanden, habe er als „abgewrackt“ in Erinnerung. Als das alte Krankenhaus 1986 abgerissen wurde, hatte Heidrun Oberlies einen Platz in der ersten Reihe, sie wohnte noch im Schwesterhaus, das gegenüber lag. Auch Frank Fuhrmann kann sich noch erinnern. Als es das erste Mal geknallt hatte, habe es jede Menge Rauch gegeben. „Da ist dann aber nur eine Krähe durchgeflogen, vielleicht der letzte Bewohner…“ Dann sei ein zweites Mal gezündet worden und die altehrwürdigen Mauern fielen in sich zusammen, erzählen sie.
Die rasante technische Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten hatte auch Auswirkungen auf den Job von Herwig. „In den ersten Jahren war ich bestimmt 70 Prozent der Zeit draußen und habe gearbeitet, die Bürozeit war gering.“ Das habe sich inzwischen umgekehrt.
Eine echte technische Revolution war auch die Rufanlage für die Patienten, die per Telefon „Schwester Inge“ kontaktieren durften, wenn etwas nicht in Ordnung war oder sie die Essensbestellung aufgeben wollten. „Das war etwas besonderes damals“, erinnert sich Heidrun Oberlies. Die heute 57-Jährige begann 1986 ihre Ausbildung zur Krankenschwester im Kreiskrankenhaus, später war sie unter anderem lange Zeit Stationsleiterin bei Dr. Schäfer, inzwischen ist sie in der Pflegedienstdirektion für den Nachwuchs zuständig.
Damals wie heute: „Wir haben richtig viel weggestemmt an Arbeit“, sagt Oberlies. Gerade den Kontakt zu ihren Kolleginnen und Kollegen liebt sie. Und es gibt ihr viel, nun für die Entwicklung des Nachwuchses verantwortlich zu sein. „Es ist toll, wenn FSJler oder ehemalige Praktikanten zu uns in die Ausbildung kommen. Es ist ein gutes Gefühl, in die Zukunft zu investieren.“
Genau das wurde bereits vor 40 Jahren getan. „Das Ziel von Oberkreisdirektor Fuchs wurde erreicht“, ist Dr. Schäfer überzeugt - und schließt auch die kommenden Jahrzehnte mit ein. „Das Haus hatte alles, was man braucht.“ In den Folgejahren sei stets die kontinuierliche Weiterentwicklung im Blick gewesen. „Dafür war Weitblick nötig“, sagt der langjährige Chefarzt und lobt ausdrücklich den früheren Hauptgeschäftsführer Joachim Finklenburg. „Wir haben damals Entscheidungen getroffen, die das Unternehmen weiterbringen und den Patienten helfen, das war eine extrem angenehme Zusammenarbeit.“
Früher war alles besser?
[Foto: Klinikum Oberberg --- Das neue Kreiskrankenhaus von oben.]
Stimmt natürlich nicht, meinen die vier Krankenhaus-Mitarbeiter zu der Binsenweisheit. Eine Sache aber kommt ihnen dann doch in den Sinn. „Im Laufe der Zeit mussten wir immer mehr dokumentieren“, sagt Herwig und spricht damit auch für die anderen. „Es ist immer aufwendiger geworden, etwas umzusetzen“, meint er weiter. Auch in der Pflege habe diese Arbeit immer weiter zugenommen. Und auch wenn aus medizinischen und rechtlichen Gründen vieles richtig und wichtig sei, sagt Dr. Schäfer auch klar: „Da kommt schon auch viel Datenmüll zusammen“. Er warte jedenfalls darauf, dass die Politik ihrem Versprechen des Bürokratieabbaus endlich nachkommt. Oberlies ergänzt: „Mit der gewonnenen Zeit könnten wir sicherlich Sinnvolleres anstellen, zum Beispiel in der Patientenversorgung.“
Dr. Schäfer ist auch mit 74 Jahren noch am Kreiskrankenhaus zu Hause. Nach seinem - zumindest theoretischen - Ruhestand 2018 konnte er nicht ganz von seinem Beruf und „größtem Hobby“ lassen: Er ist dreimal die Woche im MVZ des Klinikums. „Da habe ich mehr Zeit für die Patienten als früher und es macht mir noch immer viel Spaß.“ Er wolle unbedingt weitermachen, solange er fit ist. Es passt für ihn noch immer alles im Klinikum. Dazu gehöre der Mix aus Technik, Ärzten, Pflege und auch dem weiteren Personal. „Das ist aufwendig, es muss alles sitzen.“
Dass es zwischen den unterschiedlichen Abteilungen im Krankenhaus sehr gut passen kann, das beweisen die „alten Hasen“ im Gespräch. Aber nach rund 40 Jahren ist der nächste Lebensabschnitt für Frank Fuhrmann und Heribert Herwig nicht mehr weit weg. Herwig ist schon in Altersteilzeit, ab September ist er raus. Fuhrmann hat nur noch knapp zwei Wochen zu arbeiten. Die Zusammenarbeit mit den Kollegen sei es auch, was er am meisten vermissen wird. Dem stimmt auch Herwig zu, der sich bis heute sehr wohlfühlt im Krankenhaus. „Und wir sind bis heute technisch am Puls der Zeit.“ Das macht ihn stolz.
Das Fest
Anlässlich des 40-jährigen Bestehens öffnet das Krankenhaus am Samstag, 5. Juli, von 11 bis 16 Uhr viele Türen, um der breiten Öffentlichkeit Einblicke in den Medizinbetrieb zu geben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krankenhauses haben ein vielseitiges Programm auf die Beine gestellt mit Führungen, Gesundheitschecks und mit einem großen Kinderfest – auch die „Maus“ schaut vorbei. Den Tag der offenen Tür eröffnet Jochen Hagt, Aufsichtsratsvorsitzender und Landrat des Oberbergischen Kreises, um 11 Uhr in der Caféteria. Weitere Informationen gibt’s hier.
KOMMENTARE
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Wer ein Video vom Abriss des alten Krankenhauses 1986 sehen will, klickt https://www.youtube.com/watch?v=GUhRWAmHXqs
Marc Dannhauer, 02.07.2025, 19:03 UhrLinks zu fremden Internetseiten werden nicht veröffentlicht. Die Verantwortung für die eingestellten Inhalte sowie mögliche Konsequenzen tragen die User bzw. deren gesetzliche Vertreter selbst. OA kann nicht für den Inhalt der jeweiligen Beiträge verantwortlich gemacht werden. Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen oder nicht zu veröffentlichen.