POLITIK
Wenn eine Stimme den Unterschied macht
Lindlar – Im Haupt- und Finanzausschuss wurde gestern über neue Hebesätze der Grundsteuer diskutiert – SPD, Grüne und FDP sprechen sich für eine Differenzierung aus.
Vergangene Woche haben die Lindlarer Fraktionen von SPD, Grünen und FDP einen gemeinsamen Antrag zum Nachtragshaushalt gestellt. Gestern Abend wurde darüber in einer Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses gesprochen. Nachdem klar war, dass in der Gemeinde Lindlar ein Nachtragshaushalt für das Haushaltsjahr 2025 aufgestellt werden soll, „haben wir uns mit den Fraktionen der Grünen und der FDP zusammengesetzt und überlegt, wo wir eigentlich hinwollen“, erklärte Michael Scherer als Fraktionsvorsitzender der SPD in der gestrigen Sitzung.
Die Hebesätze für die Gewerbesteuer und die Grundsteuer A möchten die drei Fraktionen nicht antasten. Beide Werte sollen unverändert bleiben. Heißt: bei der Gewerbesteuer sollen weiterhin 540 Prozentpunkte gelten, bei der Grundsteuer A 442 Prozentpunkte. Anders sieht das bei der Grundsteuer B aus. Hier soll nicht nur der Hebesatz verändert werden. In Zukunft möchten die drei Fraktionen auch von dem differenzierten Hebesatz Gebrauch machen.
„Wichtig ist uns, dass wir die Wohnenden entlasten“, sagte Michael Scherer. Festzulegen seien die Hebesätze so, dass die Grundsteuer B in der Summe das gleiche Aufkommensniveau wie vor der Grundsteuerreform für das Jahr 2024 erreichen – und damit aufkommensneutral sind. Außerdem sollen die differenzierten Hebesätze für Wohn- und Nichtwohngrundstücke dem Antrag zufolge so festgelegt werden, „dass ihre jeweilige Aufkommenshöhe dem Aufkommen vor der Grundsteuerreform für das Jahr 2024 entspricht“.
Konkret heißt das – laut einer Stellungnahme der Verwaltung zum Antrag der drei Fraktionen –, dass der differenzierte Hebesatz für Wohngrundstücke 919 Prozentpunkte und für Nichtwohngrundstücke 1.491 Prozentpunkte betragen müsse. Sollten die differenzierten Hebesätze nun doch kommen, dann sollte es laut Gemeindekämmerin Cordula Ahlers auch zwei Satzungen geben: eine für die Gewerbesteuer und die Grundsteuer A, eine zweite für die Grundsteuer B – und das aufgrund möglicher Klagen gegen die Hebesatz-Differenzierung.
„Wir haben uns bisher dafür ausgesprochen, keine Differenzierung vorzunehmen“, sagte Hans Schmitz, Fraktionsvorsitzender der CDU. Fast 80 Prozent der Kommunen in NRW hätten sich ebenso entschieden. „Das Risiko ist enorm“, betonte er. Auch der CDU würde es darum gehen, dass die Grundsteuer-B-Zahler entlastet werden. Den Christdemokraten zufolge sollten aber alle entlastet werden. „Es fällt uns sehr leicht, dem Vorschlag der Verwaltung zu folgen, und nicht der Ampel. Das bringt uns nämlich in eine sehr unsichere Situation“, meinte Schmitz.
Wie bereits berichtet, haben Bürgermeister Dr. Georg Ludwig und Kämmerin Cordula Ahlers Ende März in einer Ratssitzung den Entwurf des Nachtragshaushalts vorgestellt. Geht es nach der Verwaltung, dann soll der Hebesatz der Grundsteuer B von derzeit 1.245 Prozentpunkten auf 1.027 Prozentpunkte reduziert werden. Gesenkt werden soll dem Bürgermeister zufolge auch die Gewerbesteuer. In dem Entwurf der Verwaltung ist eine Reduzierung von 540 Prozentpunkten auf 515 Prozentpunkte vorgesehen.
„Ich werde als Bürgermeister dem eigenen Vorschlag folgen“, erklärte Dr. Georg Ludwig in der gestrigen Sitzung. Seiner Meinung nach – und das sieht auch Kämmerin Cordula Ahlers so – habe sich an den rechtlichen Bewertungen der differenzierten Hebesätze seit Dezember, als der Haushalt für dieses Jahr verabschiedet worden ist, nach wie vor nichts geändert. „Auch wenn sich 23 Prozent der NRW-Kommunen für den differenzierten Hebesatz entschieden haben“, sagte Ludwig. Der Bürgermeister möchte rechtliche Risiken ausschließen. Konkret gehe es dabei laut Verwaltung jährlich um 800.000 Euro.
Die Fraktion der Grünen ist hingegen der Ansicht, dass sich das Risiko mittlerweile relativiert habe. „Eine Reihe von Kommunen gehen jetzt diesen Weg. Ich fühle mich deutlich sicherer, das zu machen“, sagte Jörg Schlichtmann, stellvertretender Fraktionssprecher. Auch wenn seit Dezember noch nicht viel Zeit vergangen sei: wesentliche Punkte hätten sich geändert. Mit Blick auf das Haushaltsjahr 2024 erwarten die Grünen ein „gutes Ergebnis“. „Die Steuererhöhung ist in dem Maße nicht mehr nötig“, sagte Schlichtmann. Außerdem gebe es „gute Aussichten, dass es zu einem Schuldenschnitt kommen könnte“.
Auch Harald Friese, Fraktionsvorsitzender der FDP, äußerte sich zu dem Antrag. „Für uns war natürlich klar, dass wir einen gewissen Bestandteil der steuerlichen Veränderungen, den die Grünen im Dezember vorgeschlagen haben, mitgehen müssen“, sagte er. Die Kröte, die die Liberalen geschluckt hätten: dass die Gewerbesteuer so bleibt, wie sie ist. Das sei aber ein geringeres Übel. Wichtiger sei der FDP gewesen, über die Differenzierung der Grundsteuer B einen gewissen Effekt zu erzielen.
Letztendlich machte eine Stimme den Unterschied. Bürgermeister Dr. Georg Ludwig und die CDU-Fraktion stimmten gegen den Antrag, kamen damit auf zehn Stimmen. SPD, Grüne und FDP kamen auf elf Stimmen. Sie stimmten für die differenzierten Hebesätze sowie die zwei getrennten Hebesatzsatzungen. Außerdem sollen für Wohngrundstücke 919 Prozentpunkte und für Nichtwohngrundstücke 1.491 Prozentpunkte gelten. Der Nachtragshaushalt soll in der Ratssitzung am 6. Mai beschlossen werden.
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