POLITIK
„Wir haben alle eine Aufgabe“
Waldbröl – Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hat die Marktstadt besucht und sich mit den preisgekrönten Schülern des „Profilkurses Maus“ ausgetauscht.
„Vielleicht waren wir zu naiv. Wir dachten, dass wir alle aufgeklärt sind, dass so etwas nicht mehr passieren kann“, sagte Bärbel Bas gestern bei einem Besuch im Waldbröler Bürgerdorf. Die Bundestagspräsidentin nahm sich Zeit, sprach mit Jugendlichen der Gesamtschule über Politik und politische Bildung, Hass und Hetze auf deutschen Straßen und in der Welt, Antisemitismus und Rassismus – und das preisgekrönte Projekt „Von Mäusen und Katzen – Antisemitismus in und um Waldbröl“.
Bei einer Preisverleihung in Berlin hatten einige Schüler im vergangenen November die Gelegenheit, die Bundestagspräsidentin kennenzulernen, sich auszutauschen – und luden sie spontan in die Marktstadt ein. Bas sagte zu, hielt ihr Wort und wurde heute von Bürgermeisterin Larissa Weber empfangen. Bei der Preisverleihung (OA berichtete) wurden die zwölf Jugendlichen des „Profilkurses Maus“ mit dem „Margot-Friedländer-Preis“ ausgezeichnet – und das völlig zu Recht, wie Bas heute bekräftigte.
Im Deutschunterricht haben die Schüler zusammen mit ihrer Lehrerin Manuela Michel die Graphic Novel „Maus – Mein Vater kotzt Geschichte aus“ von Art Spiegelman gelesen, in der von den Kriegserlebnissen des jüdischen Polen Wladek Spiegelman erzählt wird. Im Buch werden Juden von Mäusen und die Nationalsozialisten von Katzen verkörpert. „Wir wollten wissen, ob es auch bei uns in Waldbröl Katzen und Mäuse gegeben hat“, sagte Alisa Beumer, die sich 2021 mit ihren Mitschülern auf Spurensuche nach jüdischem Leben in Waldbröl begeben hat. Entstanden ist dabei eine interaktive Wanderausstellung.
„Wir sind froh und stolz, dass unsere Schüler diesen Preis gewonnen haben“, sagte Bürgermeisterin Larissa Weber. Engagiert und wissbegierig hätten die Jugendlichen nicht nur zahlreiche Stunden, sondern gar Monate an Arbeit in dieses Projekt gesteckt. „Ein Projekt, dass – leider – sehr gut in unsere Zeit passt. Umso wichtiger ist es, dass wir als einzelner Mensch, als Gruppe, als Gesellschaft den Kampf gegen Rassismus, Gewalt und Antisemitismus niemals aufgeben.“
Im Rahmen einer Podiumsdiskussion nutzten die Schüler die Gelegenheit, stellten Bas diverse Fragen – und berichteten davon, dass im Oktober nur wenige Kilometer vom Bürgerdorf entfernt fünf Gräber von jüdischen Menschen geschändet worden seien. „Das ist eine verachtenswerte, niederträchtige Tat“, fand Bas deutliche Worte. Dass jüdisches Leben in Deutschland überhaupt wieder möglich sei, bezeichnete die Bundestagspräsidentin hingegen als „großes Glück“.
Gefährdet werde dieses jedoch nicht nur durch das rechte und das linke Spektrum, sondern auch durch einen Teil zugewanderter Menschen. Deswegen sei die politische Bildung, auch von Erwachsenen, der Austausch und die Begegnung, auch von jüdischen und muslimischen Menschen, so wichtig. „Und auch eure Arbeit ist wichtig, denn ihr könnt Brücken bauen“, sagte Bas zu den Jugendlichen.
Doch nicht nur die Erinnerungsarbeit, der Austausch und die Begegnung seien notwendig. Auch auf Zivilcourage komme es an. „Ich weiß, dass das nicht leicht ist, aber es ist so viel wert, wenn ein Mensch weiß, dass er nicht alleine ist.“ Jeder einzelne könne Flagge zeigen, sich positionieren – auch in Unternehmen, Universitäten, Schulen und Behören. Als Täter und Verursacher einer Massenvernichtung „haben wir, anders als andere Länder, eine besondere Verpflichtung“, findet Bas. „Wir haben alle eine Aufgabe.“
Mit Blick auf die jüngsten Landtagswahlen in Bayern und Hessen wollten die Schüler außerdem wissen, wie Bas die Wahlergebnisse der AfD bewertet. Die Bundestagspräsidentin sprach von Sorge, davon, dass populistische Parteien es einfacher hätten, denn „sie müssen keine Lösungen präsentieren“. Bas sprach außerdem über die zahlreichen aktuellen Krisen wie Krieg, Klimawandel und Inflation und davon, dass die Bevölkerung verunsichert sei. „Aber man kriegt so eine Partei auch wieder klein – wenn die anderen Parteien den Menschen wieder zuhören und die bestehenden Probleme lösen. Wir müssen verflixt aufpassen und aus der Geschichte lernen.“
Zur Projektgruppe „Von Mäusen und Katzen – Antisemitismus in und um Waldbröl“ gehören Alisa Beumer, Alexandra Fell, Torben Schumacher, Jonathan Weitkemper, Kai Ekkart, Laureen Heßland, Luisa Reifenrath sowie Leonie Nagel, Neele Hönscheid, Lasse Faulenbach, Dalibor Salamun und Sidra Husein. Ergänzt wird die Gruppe von Halil Ergin und Liridon Sabani. Die Wanderausstellung ist noch mindestens bis zum Tag der offenen Tür am Samstag, 18. November, im Eingangsbereich der Gesamtschule zu sehen.
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