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Alte Bücherfabrik: Was sagen die Gegner?

ls; 23.11.2022, 15:20 Uhr
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Archivfoto: Peter Notbohm.
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Alte Bücherfabrik: Was sagen die Gegner?

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ls; 23.11.2022, 15:20 Uhr
Engelskirchen - Nach Bekanntwerden des Bürgerbegehrens sprach Oberberg-Aktuell mit den politischen Vertretern, die gegen das Vorhaben gestimmt haben.

Von Leif Schmittgen

 

Nach der Initiierung eines Bürgerbegehrens (OA berichtete), bei dem Unterschriften zur Fortführung des Projekts gesammelt werden sollen, sprach Oberberg-Aktuell mit den politischen Vertretern jener Fraktionen, die gegen die Beantragung von Fördermitteln und damit die Fortführung des Projektes gestimmt haben. Alle sorgen sich aufgrund sinkender Haushaltseinnahmen in den kommenden Jahren um die Finanzierung. Die Gegner halten ein Bürgerbegehren aber für ein legitimes Mittel der Demokratie und würden sich auch einem möglichen Bürgerentscheid beugen. Bange ist derweil niemandem der Befragten. Zunächst steht zur Ratssitzung im Dezember aber die formelle Prüfung der Rechtmäßigkeit des Anliegens auf der Agenda. Im Februar möchte man dann in die politische Diskussion einsteigen und das Thema im Detail erörtern. 

 

Das sagt die CDU

 

Die Christdemokraten hatten im September fraktionsgeschlossen gegen die Beantragung der Fördermittel gestimmt, nachdem man 2020 nur unter der Prämisse der vollen Förderfähigkeit des Projektes sein Votum für die Planung gegeben hatte. Wie Ratsmitglied Matthias Haas auf OA-Nachfrage mitteilt, beziehe sich die Förderung ausschließlich auf das als Versammlungsort bestimmte Bürgerzentrum und eben nicht auf das Gesundheitszentrum, in dem Dienstleister ihre Arbeit verrichten sollen. Das Umdenken der CDU habe vor allem mit der aus ihrer Sicht extrem gestiegenen Kosten zu tun, die 2020 so noch nicht absehbar gewesen seien. Als Beispiel nennt Haas die Zinsentwicklung, die seither deutlich gestiegen ist. Hinzu seien die Baukosten angezogen. Das Argument der Verwaltung, nachdem man erst nach der Beantragung die Kosten ermittle und das Vorhaben dann immer noch begraben könne, zählt für die CDU laut Haas nicht.

 

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„Durch die weitere Planung entstehen weitere Kosten, die es zu verhindern gilt.“ Die ausufernden Aufwendungen seien auch durch weitere Fördermittelgeber nicht gedeckt, zudem sei deren Zusage auch nach Vergabe des A-Stempels durch die Regionale 2025 keineswegs sicher. „Das Projekt ist so nicht realisierbar.“ Man sehe zwar auch Chancen, die Risiken aber seien zu hoch. In Bezug auf das Bürgerbegehren kritisiert Haas, dass von den Befürwortern nicht alle Zahlen genannt würden und somit nicht die volle Transparenz gegenüber den Bürgern gegeben sei. Zum Beispiel die hohe Belastung für künftige Generationen durch laufende Haushaltsbelastungen zur Unterhaltung des Objekts. „Es sind nicht alle Risiken dargestellt.“

 

Nach der damaligen Abstimmung hatten - so die Kritik der Befürworter - Mitglieder die Sitzung verlassen, was vielerorts als persönliche Unzufriedenheit Einzelner über das fraktionsgeschlossene Votum gedeutet wurde. Dem erteilt Haas eine klare Absage. „Einige hatten trotz Krankheit teilgenommen oder waren beruflich zur Nachtschicht eingeteilt.“ Den in der Septembersitzung angedeuteten, aber nicht konkretisierten „Plan B“ für die Bücherfabrik wollte Haas nicht kommentieren. „Das war die Aussage eines Einzelnen.“ Er kann sich eine Alternativnutzung der Brache zum Beispiel durch die Schaffung von Wohnraum vorstellen, für Gesundheitsdienstleister gebe es Alternativstandorte, ebenso für Kulturschaffende.

 

Die Zahlen stellt die CDU hier zur Verfügung

 

Das sagen die Grünen

 

Karl Lüdenbach von den Engelskirchener Grünen und Wortführer in der Septembersitzung schlägt in eine ähnliche Kerbe wie sein CDU-Ratskollege. „Es gibt keinerlei Garantien über den Finanzrahmen“, sagt Lüdenbach und begründet dies unter anderem mit den stark gestiegenen Zinsen, Preiserhöhungen für Material sowie gestiegene Baukosten. Auf die Laufzeit gerechnet ergäben sich somit rund 5,5 Millionen Euro mehr an Kreditaufwendungen. Die kalkulierten Mieteinnahmen würden für eine Kreditrückzahlung vermutlich nicht kostendeckend sein. „Firmen können kurzfristig Nachforderungen stellen“, sagt Lüdenbach und meint, dass man oft von Tagespreisen abhängig sei.

 

Dem Bürgerbegehren steht der Kommunalpolitiker offen gegenüber und hält es für legitim, wenn die Bürger das Thema vollumfänglich vermittelt bekommen. Es könnte in dem Schriftsatz aus seiner Sicht der Eindruck entstehen, dass das gesamte Projekt förderfähig sei. Dem sei nicht so und er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Absichtserklärungen möglicher Geldgeber auch in Bezug auf das Gesundheitszentrum rechtlich keineswegs bindend seien. Für Lüdenbach ein nicht zu kalkulierendes Risiko, das weitere finanzielle Belastungen für die Gemeinde mit sich bringen könnte. 

 

Das sagt die FDP

 

Die Engelskirchener Liberalen hatten bereits 2020 gegen das Vorhaben gestimmt und bereits damals begründet, dass für das größte finanzielle Vorhaben in der Gemeinde nicht die richtige Zeit sei. „Das Statement von damals ist leider aktueller denn je“, heißt es in einem auf der Homepage der FDP veröffentlichten Schreiben, in dem man unter anderem auf die wirtschaftlich schwierige Lage von Betrieben hinweist. Auch deshalb stimmte man jüngst wieder gegen die Beantragung des A-Stempels. Christopher Sterka meint, dass die bevorstehende Abstimmung zum Bürgerbegehren vor dem Rat durchaus Bestand haben werde. Anfängliche Skepsis sei dadurch widerlegt worden, dass die Initiatoren auf Nachfrage mitgeteilt hätten, dass die verwendeten Zahlen von der Verwaltung stammen.

 

Auch er geht davon aus, dass der politische Diskurs erst im Februar stattfindet, denn die Billigung der Rechtmäßigkeit eines Bürgerbegehrens durch das Gremium sei erst durch eine kürzlich in Kraft getretene Gesetzesänderung zustande gekommen. Sterka geht davon aus, dass es bei der Formalie keine politischen Beanstandungen geben wird. Allerdings sei die Prüfung parteiintern noch nicht ganz abgeschlossen. Er steht der Abstimmung im kommenden Jahr gelassen gegenüber und geht davon aus, dass der bestehende Ratsbeschluss bestätigt wird. „Ein Bürgerzentrum  kann bei rund 18 Veranstaltungen pro Jahr nicht rentabel sein“, so Sterka. Ihm ist die „Raumnot“ in der Gemeinde allerdings bekannt und er gibt zu Bedenken, dass anzusiedelndes Gewerbe diese Kosten nicht auffangen werde. „Die fetten Jahre sind vorbei“ und die Gefahr in den Nothaushalt zu rutschen, größer denn je.

 

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KOMMENTARE

1

Es wäre wünschenswert, wenn die CDU die gleichen Überlegungen im Hinblick auf den geplanten Kreishausneubau anstellt. Oder spielen bei diesem Invest Zinsen, Baupreise und Baukosten keine Rolle?

Oberberger2022, 23.11.2022, 21:00 Uhr
2

Glauben denn CDU und Grüne, dass es ein Bürgerzentrum mit Veranstaltungssaal und Räumlichkeiten für ehrenamtliche Vereine zum Nulltarif gibt??
Natürlich wird dies etwas kosten, doch die Frage sollte doch sein: Können/Wollen wir uns das leisten? Und welchen Mehrwert schaffen wir uns?
Wie hoch die Kosten sein werden, kann man erst kalkulieren, wenn man weiß, welche Fördermittel man erhält. Diesen Schritt wollten CDU und Grüne nicht mehr machen.
Kosten gibt es auch jetzt schon: Kosten für das alte Rathaus in Ründeroth und Kosten für die Instandhaltung einer Ruine namens "alte Bücherfabrik".

Wollen wir hoffen, dass sich genug Unterschriften für das Bürgerbegehren finden lassen, damit man seriös entscheiden kann, ob eine Ruine erhalten werden soll, oder Mehrwert geschaffen werden kann.

Grünscheider, 24.11.2022, 13:27 Uhr
3

Diese Kosten kennt man erst, wenn man die Höhe der Fördermittel kennt...
Das ist leider völlig FALSCH.
Es steht schon fest, dass man nur auf einen kleinen Teil des Gesamtprojekts Fördermittel bekommt. Der Rest MUSS über KREDITE finanziert werden. Und dieser Teil ist wesentlich höher.
Jeder der etwas anderes behauptet ist schlicht ein Populist ohne Sachkunde.
Beispiel: 40 Millionen Geamtosten auf 10 Millionen mder Kosten können Fördermittel angewendet werden. Wo kommen denn die 30 übrigen Millionen her? Egal ob der Stempel A, B oder C heißt: Es muss über Kredite finanziert werden.
Jeder der Jetzt eine Unterschrift sammelt, kann von den Menschen ja 1.000 Euro direkt miteinsammeln. Dann sieht die Finanzierung direkt viel besser aus.
Deshalb keine Unterschrift von mir!

Ein kundiger Engelskirchener, 24.11.2022, 14:36 Uhr
4

Wo ist eigentlich der angebliche Mehrwert des Bürgerzentrums? Es dürfen höchsten 18 Veranstaltungen im Jahr durchgeführt werden! Das ist recht wenig für den hohen Preis. Und seit wann baut den eine Kommune Arztpraxen? Engelskirchen bekommt ab 01.01. übrigens wieder eine Kinderärztin, auch ohne Bücherfabrik. Eine Tatsache wird von den Befürwortern verkannt: dem Ärztemangel liegt kein Mangel an Räumlichkeiten zugrunde! Es ist nicht Aufgabe der Gemeinde Engelskirchen Arztpraxen zu unterhalten, das machen wir ja bei allen anderen Ärzten und Physiotherapie-Studios auch nicht. Lieber sollte ein Investor für Wohnraum sorgen, gerne auch mit einem Anteil an Sozialwohnungen.

L.ars W., 26.11.2022, 12:38 Uhr
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