POLITIK
Doppelter Glasfaserausbau: Viele Baustellen drohen
Waldbröl – GlasfaserPlus möchte trotz der Pläne der UGG auf den Waldbröler Markt - Offener Brief fordert von Stadt Gleichbehandlung - Bürgermeisterin Weber widerspricht.
Von Lars Weber
Was die Waldbröler Verwaltungsspitze bereits im vergangenen Stadtrat befürchtet hatte, könnte nun Wirklichkeit werden: Trotz der Pläne des Unternehmens „Unsere Grüne Glasfaser“ (UGG), einem Joint Venture der deutschen Versicherungsgesellschaft Allianz und der spanischen Telefongesellschaft Telefónica, sämtliche Haushalte in der Kommune eigenwirtschaftlich ans Glasfasernetz anzuschließen, hält auch der Mitbewerber GlasfaserPlus an den eigenen Plänen eines Ausbaus fest. Es droht mehr denn je ein doppelter Ausbau, was vor allem mehrfach aufgerissene Straßen und viele zeitgleiche Baustellen bedeuten könnte. Rechtlich möglich macht dies das Telekommunikationsgesetz. In einem offenen Brief hat sich die GlasfaserPlus, dahinter stehen die Deutsche Telekom und der IFM Global Infrastructure Fund, nun an Bürgermeisterin Larissa Weber gewandt – und lässt durchblicken, dass sie nichts von der Strategie der Verwaltung hält.
Dass neben der UGG auch die GlasfaserPlus an einem eigenwirtschaftlichen Ausbau Interesse hat, war bereits bekannt. Im vergangenen Sommer hatte man die Vereinbarung mit der UGG mit einem symbolischen Spatenstich öffentlich gemacht. Allerdings wurde erst diese Woche mit den Arbeiten in der Vennstraße begonnen. Für die UGG hatte man sich damals entschieden, weil das Unternehmen zugesichert hatte, die komplette Kommune inklusive Dörfer mit Glasfaser versorgen zu wollen - insgesamt geht es um 10.000 Haushalte. Ob das Unternehmen dies tatsächlich stemmen wird, da kamen im Stadtrat bereits Zweifel auf (OA berichtete).
Und nun scheint auch die angestrebte „Mallorca-Taktik“ nicht aufzugehen. Mit dem Ausbaustart in der Kaiserstraße, wo im bereits verlegten Leerrohr nur Platz für ein Glasfaserunternehmen ist, wollten UGG und Stadt sozusagen das Handtuch auf die beliebteste Liege am Pool werfen. Die Hoffnung: Die GlasfaserPlus würde die hohen Kosten scheuen, die gerade erst fertige Kaiserstraße für viel Geld wieder aufreißen zu müssen - und die gesamten Ausbaupläne verwerfen und Abstand nehmen von den Plänen, wenn die wirtschaftlich attraktive Innenstadt „vergeben“ ist. Der offene Brief, unterschrieben von den Chefs Ralf Greßelmeyer und Jens-Olaf Berwig, lässt anderes vermuten.
Demnach habe das Unternehmen in Waldbröl den eigenwirtschaftlichen Anschluss von mehr als 6.000 Haushalten geplant. „Bereits im Dezember 2021 haben wir der Stadt Waldbröl dafür unsere Pläne offen und transparent vorgestellt.“ Im Januar 2023 seien dann erste konkrete Gespräche hinsichtlich des Ausbaus vor Ort geführt worden, da der ursprüngliche Plan einen Baustart im Juli 2023 vorgesehen habe. „Dieser Zeitplan konnte aufgrund fehlender Genehmigungen seitens der Stadt nicht gehalten werden.“ Stattdessen habe es den symbolischen Spatenstich mit der UGG just in dieser Zeit gegeben (OA berichtete).
Aufgrund „dieser neuen Wettbewerbssituation“ hätten Ende vergangenen Jahres Gespräche zwischen Stadt, UGG, GlasfaserPlus, Telekom und Mitarbeitern des Oberbergischen Kreises stattgefunden. „Als einzig realistischer Lösungsweg kristallisierte sich aus Sicht aller Beteiligten eine koordinierte Mitverlegung zwischen den beiden Wettbewerbern heraus, damit Eingriffe in die Infrastruktur sowohl für die Anwohnerinnen und Anwohner als auch die Stadtverwaltung nicht überhandnehmen.“ Dies würde Doppelaufbrüche vermeiden und die Belastungen durch Baustellen im öffentlichen Raum vermeiden. Die GlasfaserPlus habe dazu Bereitschaft signalisiert, die UGG jedoch nicht. In der vergangenen Sitzung des Stadtrats hatte der Vertreter der UGG dies gegenteilig dargestellt.
Dass der UGG-Ausbau nun losgehen soll und nur diesem Unternehmen die nötigen Genehmigungen erteilt wurden, werde „bedauert“ und um Gleichbehandlung gebeten. Ein Gesprächstermin mit der Stadt sei kurzfristig in den Juli verschoben werden – auf die Zeit nach dem UGG-Baustart: „Wir können dieses Vorgehen nicht nachvollziehen und möchten nochmals unsere Bereitschaft zur Mitverlegung betonen. [...] Auch wenn wir aufgrund der geschilderten Historie begründete Zweifel hegen, ob weitere Gespräche einen nutzbaren Fortschritt für den anstehenden Ausbau der GlasfaserPlus in Waldbröl erbringen können."
Zugleich macht das Unternehmen klar, an den eigenen Plänen festhalten zu wollen. Die nötigen Anträge wolle man nun stellen. „Wir sind sicher, dass die Stadt Waldbröl als Körperschaft des öffentlichen Rechts bei geschäftlichen Handlungen das wettbewerbsrechtliche Neutralitätsgebot beachten wird.“ Hier gibt es den offenen Brief in voller Länge.
Bürgermeisterin Larissa Weber möchte den Brief in der Form nicht so stehenlassen. Die ersten Gespräche mit UGG und der GlasfaserPlus hätten zeitgleich stattgefunden. „Das wichtigste Ziel des Ausbaus für die Stadt ist, möglichst alle Haushalte in allen Ortslagen von Waldbröl mit Glasfaser auszustatten“, macht sie klar. Und da hatte sich nur die UGG bewegt und ein Angebot gemacht, während die GlasfaserPlus stets bei ihrem Ausbauplan geblieben sei. Nicht nur die Dörfer blieben für sie unattraktiv, „auch der Ausbau der noch ausstehenden zweiten Hälfte des Gewerbegebietes wurde seitens der GlasfaserPlus verneint. Das ist für die Stadt Waldbröl kein attraktives Angebot.“ Deshalb habe die „Stadt auch keine Genehmigungen verteilt, die nicht im Sinne der Stadt sind“. Denn: Bei einem Ausbau dieser Gebiete mit Fördermitteln würden Millionenbeträge an Eigenmitteln auf die Stadt zukommen. Deshalb wurde die Kooperationsvereinbarung mit der UGG geschlossen.
Weber widerspricht, wie schon die UGG selbst, dass das Unternehmen durchaus bereit wäre, punktuell notwendige gemeinsame Verlegungen zu prüfen. „Stadtweit gelingt dies aus mehreren Gründen leider nicht. Auch eine Open-Access-Absprache ist zwischen den Beteiligten nicht gelungen. Damit wäre es theoretisch technisch möglich, dass ein Netz durch mehrere Anbieter genutzt wird, dies ist bundesweit zwischen genau diesen Anbietern noch nie gelungen“, erklärt Weber – was auch zeigt: Waldbröl ist nicht die einzige Kommune in Deutschland mit der doppelten Ausbauproblematik. An der GlasfaserPlus kritisiert Weber weiter, dass bestehende Leerrohre nicht genutzt werden sollen, wie sich in Gesprächen gezeigt habe.
Auch die angekündigte Baumethode der Telekom, insbesondere die kritisierte knappe Verlegetiefe der Leitungen, habe Nachteile im Vergleich zu der des Wettbewerbers. Hinzu kommen schlechte Erfahrungen mit der Telekom bei vergangenen und aktuellen Projekten. „Insbesondere bei Grundsanierung der Kaiserstraße hat die Stadt ein Dreivierteljahr versucht, in der damals geplanten und offenen Kaiserstraße entsprechend Glasfaserstruktur durch die Telekom verlegen zu lassen. Hier hat die Telekom leider nichts unternommen.“
Alle wesentlichen Entscheidungen seien keine Willkür für oder gegen einen Anbieter, sondern das Ergebnis von monatelangen Gesprächen und Beratungen, die durch das Kompetenzzentrum Gigabit NRW, die Breitbandkoordinatoren des Oberbergischen Kreises sowie dem Gigabitbüro des Bundes begleitet und dokumentiert worden seien. „In diesem ausführlichen Dialog mit allen Beteiligten konnte kein realisierbarer Kompromiss erzielt werden.“
Eine Notwendigkeit von zwei Glasfasernetzen sieht auch die Stadt nicht – schon gar nicht, wenn diese parallel gebaut werden sollen. „Das erfordert planerische und genehmigungstechnische Kapazitäten, die auf Seiten der Stadt und des Kreises in der Praxis nicht vorhanden sind. Aus diesen Gründen können wir als Stadt dem Ausbauwunsch der GlasfaserPlus keine hohe Priorität einräumen“ – auch wenn sie ihn auf Sicht nicht wird verhindern können. „Dennoch sind wir als Stadt offen für ein Gespräch, das wurde bereits für Anfang Juli terminiert.“
KOMMENTARE
1
Ich nehm das von der Telekom.
Tobias, 05.06.2024, 20:00 Uhr2
Unverständlich! Ich persönlich bin sehr froh, dass wir in Deutschland (noch) freie Marktwirtschaft haben und im Sinne des Wettbewerbs ist es doch gut für den Bürgern, wenn sich mehrere Anbieter in der Stadt engagieren. Verhindern kann die Stadt den Ausbau beider Unternehmen rechtlich ohnehin nicht, daher finde ich es nur vernünftig, dass sich die GlasfaserPlus beim Ausbau abstimmen möchte, um doppelte Aufbrüche zu vermeiden! Am Ende leidet unter diesem Machtspiel doch nur der Bürger, der dann gleich zweimal mit Baustellen in seiner Straße leben muss. Kann das Verhalten der Stadtverwaltung daher überhaupt nicht nachvollziehen!
Und ob die UGG wirklich jedes Dorf ausbaut, wird man sehen. Wenn man gogglet, darf man seine Zweifel haben...
3
Gleiches Recht nur bei gleicher Leistung! UGG will auch Außenorte mit erschließen, die Glasfaser Plus pickt sich nur das lukrative Zentrum raus.
Breitbandausbau , 07.06.2024, 07:12 Uhr4
Ganz ehrlich, ich kann mich Klaus und meinem Namensvetter nur anschließen. Die UGG / O2 ist viel zu schlecht und teuer als das ich sie haben möchte.
Die werben zwar mit einem 5 Euro geringeren Grundpreis, aber dafür ist auch die normale Leistung (siehe AGB) um 20% niedriger als im Vertrag abgeschlossen (Max/Normal/Min - Telekom 100%/100%/80% - O2/UGG - 100%/80%/80%). 2te Rufnummer nur gegen Aufpreis (2,99Euro), etc... machen dann den Vertrag fast genau so teuer wie bei der Telekom, nur langsamer. Dazu kommen nicht verfügbare Services wie MegaStream und IPv4.
Die Telekom holt sich nur die Filet Stücke raus, wie "Waldbröl Puhl". Und ganz ehrlich, wer über den Service der Telekom schimpft, der kennt die anderen nicht.
Da kann man nur sagen: Vielen Dank an die Stadt für diese schlechte Wahl.
5
Telekom baut Außenorte nur dann aus, wenn der Steuerzahler dafür zahlt, wie es beim Weiße Flecken Förderprogramm über das Teile einiger Ortschaften von ihr versorgt wurden. Darüber konnten aber nur Teile der Ortschaften abgedeckt werden.
Ansonsten holt sie sich nur die Erdbeeren vom Erdbeerkuchen (Die Ballungsgebiete und Ortschaften an denen die Versorgungsleitungen ohnehin direkt vorbei führen).
Der Privatkundenservice von Telekom ist übrigens auch nicht mehr besser als bei irgendwelchen anderen Anbietern. Man landet auch nur noch in Call-Centern mit mäßig ausgebildeten Mitarbeitern. Und die Entstörzeiten sind mitlerweile auch nicht mehr besser. Selbst der Geschäftskundenservice hält sich mittlerweile in Grenzen.
Wenn sich ein Anbiete nur die Erdbeeren nimmt, wird der Rest unattraktiv.
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