POLITIK

Zwei Oberberger schaffen es nach Berlin

lw; 27.09.2021, 07:43 Uhr
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Fotos: Michael Kleinjung --- So sehen Sieger aus: Sabine Grützmacher und Dr. Carsten Brodesser werden Oberberg im Bundestag vertreten.
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Zwei Oberberger schaffen es nach Berlin

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lw; 27.09.2021, 07:43 Uhr
Oberberg – Dr. Carsten Brodesser gewinnt Direktmandat – Zitterpartie bei Engelmeier, Grützmacher und von Polheim beendet: Die Grüne Kandidatin darf jubeln (AKTUALISIERT).

+++2. Meldung (Montag, 7:40 Uhr)+++

 

Sabine Grützmacher (Grüne) hat ihr Ticket für Berlin gelöst. Laut Bundeswahlleiter rutscht die Gummersbacherin über die Landesliste noch hinein in den Bundestag. Damit wird der Oberbergische Kreis zwei Vertreter in Berlin haben. Bereits gestern löste Dr. Carsten Brodesser sein Ticket, indem er sein Direktmandat verteidigte. Nicht gereicht hat es indes für Michaela Engelmeier (SPD) und Jörg von Polheim (FDP). Ihre Listenplätze reichten nicht für ein Mandat aus.

 

+++Ursprungsmeldung (Sonntag, 23 Uhr)+++

 

Von Lars Weber

 

Mit einem komfortablen Vorsprung hat Dr. Carsten Brodesser (CDU) den Wahlkreis 99 gewonnen und damit sein Direktmandat verteidigt. Rund sieben Prozentpunkte trennten ihn laut dem vorläufigen endgültigen Amtsergebnis (Wahlbeteiligung: 77,51 Prozent) von der Zweitplatzierten Michaela Engelmeier (SPD). Diese Frage konnte der spannende Wahlabend im Kreishaus bereits beantworten. Bei vielen anderen ist noch Geduld gefragt. Aus oberbergischer Sicht zittern neben Engelmeier auch noch Sabine Grützmacher (Grüne) und Jörg von Polheim (FDP) um ein Ticket nach Berlin. Am Abend war es noch unklar, ob auf sie noch ein Überhangmandat entfällt. Sorgen machte den Parteien das starke Ergebnis der AfD im Oberbergischen. Und wie lange es wohl dauert, bis im Bund eine Koalition geschmiedet ist…

 

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Wie der strahlende Sieger des Abends sah Dr. Brodesser nicht aus, nachdem er pünktlich zum Gong der Tagesschau das Foyer des Kreishauses betrat. Bis dahin hatte er die Ergebnisse in der Kreisgeschäftsstelle der CDU verfolgt. „Ich bin froh und dankbar, dass ich das Direktmandat verteidigen konnte und meine Arbeit in Berlin fortführen kann.“ Allerdings musste er „herbe Verluste“ hinnehmen. Vor vier Jahren ging er noch mit 43,72 Prozent der Stimmen ins Ziel, etwa zehn Prozentpunkte mehr als bei dieser Wahl. Er sah in diesem Ergebnis auch den Bundestrend wieder.

 

[Wahlgewinner Dr. Carsten Brodesser zusammen mit seiner Familie.]

 

Im Vergleich zu Dr. Brodesser strahlte Engelmeier fast wie ein Honigkuchenpferd, obwohl sie persönlich das Rennen um das Direktmandat verloren hatte. „Ich grinse schon den ganzen Abend!“ Es sei „unfassbar“ gewesen, wie die SPD in den vergangenen Wochen aufgeholt hat. „Scholz wird Kanzler und das ist großartig“, zeigte sie sich überzeugt. Dieses Ergebnis sei ihr im Moment auch wichtiger als die Antwort auf die Frage, ob es für sie doch noch für Berlin reicht. Morgen früh um 6 Uhr wird sie im Zug in die Hauptstadt fahren für einen Termin. Sie hofft, dass sie bis dahin Bescheid weiß. Aufgrund der hohen Zahl an Briefwählern – im Oberbergischen Kreis wurden 69.150 Wahlscheine beantragt (2017: 41.143) – wird damit gerechnet, dass die Auszählung noch lange dauert.

 

Aufgeregter als die Sozialdemokratin war Sabine Grützmacher (Bild). Die Grüne ging zum ersten Mal ins Rennen um einen Platz in Berlin. Sie war gemeinsam mit ihren Parteifreunden die erste der Kandidaten im Kreishaus gewesen. „Wir zittern gemeinschaftlich.“ Es sei eine emotionale Achterbahnfahrt gewesen bis zum Wahlabend. Ihre Chancen auf ein Überhangmandat sah sie bei „50:50“. Sie glaubte nicht, dass sie diese Nacht ein Auge zu tun wird. FDP-Kandidat Jörg von Polheim wusste dies bereits zu 100 Prozent. Als Bäckermeister muss er schon um 1 Uhr wieder in der Backstube sein. „Ich werde schon Teig an den Fingern haben, bis ich weiß, was Sache ist.“ Er zeigte sich sehr zufrieden mit den Ergebnissen der Liberalen.

 

Enttäuscht war Diyar Agu von Die Linke mit dem Ergebnis seiner Partei und den Stimmen für seine Person. Bei der Wahl vor vier Jahren hatte er noch mehr als fünf Prozent der Stimmen bekommen, nun blieb er unter drei Prozent. Auch er sah den Bundestrend und die Konzentration auf die Kanzlerfrage mit entscheidend. Letztlich hoffte er, dass seine Partei zumindest im Bundestag weiter als „sozialer Anker“ vertreten sein wird und die Fünf-Prozent-Hürde nimmt.

 

[Oben: AfD-Kandidat Bernd Rummler (l.) zusammen mit Stefan Zühlke. Unten: Diyar Agu (Die Linke) ist enttäuscht vom Wahlergebnis.]

 

Ganz entspannt verfolgte AfD-Kandidat Bernd Rummler das Geschehen. Er hatte es sich zum Ziel gemacht, das Ergebnis seines Parteifreunds Stefan Zühlke aus dem Jahr 2017 mindestens zu bestätigen. Zühlke errang damals 10,12 Prozent, Rummler lag am Ende knapp darunter. Im Bund habe man zwar Stimmen verloren, der Wahlkampf sei aber turbulent gewesen. „Wir werden sicher in der Opposition sein und wir sind bereit dafür.“

 

Das Abschneiden der AfD im Oberbergischen bereitete anderen Kopfschmerzen. „Man sieht das rechte Potenzial im Kreis“, sagte Friedhelm Julius Beucher (SPD), einst selbst im Bundestag vertreten. Die AfD habe populistisch einfachste Denkmuster bedient und damit Erfolg gehabt. „Betroffen“ vom AfD-Ergebnis zeigte sich auch Dr. Carsten Brodesser. „Von den Eindrücken, die ich auf der Straße von den Menschen sammeln durfte, hatte ich das nicht erwartet.“

 

[Oben: Für Michaela Engelmeier ist die SPD die Wahlgewinnerin. Unten: Freuen sich über das Ergebnis der FDP (v.l.): Ina Albowitz, Jörg von Polheim, Dr. Friedrich Wilke und Reinhold Müller.]

 

Mit Blick auf die Regierungsbildung waren CDU und FDP froh, dass rechnerisch ein Rot-Grün-Rot keine Mehrheit auf sich wird vereinen können. Mit einer weiteren Großen Koalition rechnete am Abend aber niemand. „An den Grünen führt kein Weg vorbei“, sagte Ina Albowitz, FDP-Kreischefin. „Ihr“ Kandidat von Polheim möchte die Liberalen auf jeden Fall in einer Regierung sehen. Aber ob mit CDU und Grünen oder doch mit SPD und Grünen? „Dort, wo die liberalen Inhalte am stärksten durchzusetzen sind.“ Sabine Grützmacher schätzt bei den verbliebenden Optionen vor allem bei einer Ampel die Chancen für eine Umsetzung der gesteckten Klimaziele am besten ein.

                                 

Die Frage nach dem Gewinner der Wahl beantworten die Sozialdemokraten logischerweise deutlich. „Natürlich haben wir den Regierungsauftrag“, sagte Engelmeier. Die guten Leistungen der SPD in der Großen Koalition seien beim Wähler angekommen, meinte Beucher weiter. Zudem habe auch der „unglückliche“ Wahlkampf Armin Laschets und Annalena Baerbocks der SPD geholfen. Beucher glaubt zudem, dass FDP-Chef Christian Lindner dieses Mal „über jedes Stöckchen springen wird“, um mitzuregieren. Ob das Wahlergebnis der CDU wiederum einen Regierungsauftrag bedeute, konnte Dr. Brodesser nicht beantworten. „Die Koalitionsbildung wird keine einfache Sache. Gut möglich, dass es in die Opposition geht.“

 

Doch wie lange wird es dauern, bis ein Koalitionsvertrag – egal von wem – unterschrieben ist? Im Lager der FDP war man sich sicher: „Die Neujahrsansprache wird Angela Merkel als geschäftsführende Kanzlerin halten“, sagte Dr. Friedrich Wilke. Darauf angesprochen sagte auch Dr. Brodesser: „Davon gehe ich sicher aus…“

 

Hier und hier gibt es die Wahlergebnisse im Oberbergischen Kreis.

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