POLITIK

Ratsbürgerentscheid: Kommunalaufsicht verhagelt Ergebnisverkündung

lw; 15.02.2023, 13:44 Uhr
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Ratsbürgerentscheid: Kommunalaufsicht verhagelt Ergebnisverkündung

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lw; 15.02.2023, 13:44 Uhr
Nümbrecht – Bedenken an der gestellten Frage am Abend vor der Auszählung geäußert – Rat muss nächste Woche entscheiden, wie es weitergeht – Gute Wahlbeteiligung - Reaktion aus dem Gummersbacher Kreishaus (AKTUALISIERT).

Von Lars Weber

 

Den heutigen Tag hatten sich Rat, Verwaltung, GWN und Bürgermeister Hilko Redenius eigentlich anders vorgestellt. Bis heute um 12 Uhr hatten die Nümbrechter theoretisch noch ihre Wahlunterlagen im Rathaus abgeben können, um darüber zu entscheiden, ob die Gemeindewerke Nümbrecht (GWN) auf dem Gebiet der Kommune Windkraftanlagen zur Eigenversorgung von Bürgern und Betrieben aufstellen darf. Anschließend sollte ausgezählt und das Ergebnis gegen 15:30 Uhr verkündet werden. Ausgezählt wurden die Stimmen zwar. Doch die Verkündung fiel völlig überraschend ins Wasser. Gestern Abend hat die Kommunalaufsicht des Oberbergischen Kreises per E-Mail bei Redenius rechtliche Bedenken angemeldet. Die Kommunalaufsicht verhängte eine Verfügung. Wie es nun weitergeht, muss der Rat der Gemeinde entscheiden.

 

Zum einen geht es der Kommunalaufsicht um die angedachte Auszählung nach Dekaden (dabei werden die Wahlscheine nach dem Alter der Bürger sortiert und zusammengenommen, diese Blöcke springen in Zehnerschritten: 16 bis 25 Jahre, 26 bis 35 Jahre usw.), die bei Wahlen durchaus üblich sei, aber für die Auszählung eines Ratsbürgerentscheides nicht angewandt werden dürfe, heißt es in einer Mitteilung der Gemeinde. Auch wenn die Verwaltung hier anderer Auffassung sei, wurde dieser Anmerkung gefolgt.

 

Außerdem geht es um die Formulierung der Frage, die beim Entscheid gestellt wurde. „Sind Sie damit einverstanden, dass die Gemeindewerke Nümbrecht GmbH (GWN) Windkraftanlagen auf dem Gebiet der Gemeinde Nümbrecht zur Eigenversorgung der Bürger und Bürgerinnen sowie der Nümbrechter Gewerbebetriebe errichten?“ So liest sich die gestellte Frage im Wortlaut. Für die Kommunalaufsicht war die Formulierung nicht hinreichend genug bestimmt, es habe keine Sachentscheidung im Mittelpunkt gestanden.

 

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Die Frage gleiche eher einer "allgemeinen Meinungskundgabe", heißt es bei der Begründung. Die Bürger würden nur gefragt, ob sie mit der Errichtung von Windkraftanlagen durch die Gemeindewerke Nümbrecht „einverstanden“ sind. Eine abschließende Entscheidung, die nach der Rechtsprechung erforderlich ist, werde durch eine derartige Abstimmungsfrage nicht herbeigeführt, heißt es in der Begründung. Die Kommunalaufsicht hält die Durchführung des Entscheids so "voraussichtlich" für rechtswidrig. 

 

Weiter heißt es in der Begründung, dass der angestrebte Bürgerentscheid die abschließende Entscheidung über eine Angelegenheit der Gemeinde anstelle des Rats selbst treffen müsse. "Das Bürgerbegehren darf sich nicht lediglich darauf beschränken, dem Rat generelle Vorgaben für eine von ihm noch zu treffende Entscheidung zu machen."

 

Natürlich hatte die Verwaltung die Formulierung der Frage auch mit einem Rechtsbeistand abgestimmt, bevor der Rat im September darüber entschieden hatte.  Gerade die inhaltliche Bestimmtheit sei dabei insbesondere Prüfgegenstand gewesen. Das Ergebnis des Anwaltsbüros sah keine Probleme, so Redenius. Und das Büro bleibe auch jetzt bei dieser Einschätzung, wie aus der Mitteilung aus dem Rathaus hervorgeht.

 

Das Einverständnis, das die Bürger für eine Errichtung von Windkraftanlagen geben würden, sei „nach allgemeinen rechtlichen Grundsätzen“ mehr als eine mehr oder weniger unverbindliche Meinungsäußerung. „Mit ihrem Einverständnis bringen die Bürgerinnen und Bürger vielmehr zum Ausdruck, dass die Windkraftanlagen errichtet werden sollen.“ Damit werde aus Sicht des Anwaltbüros eine abschließende Sachentscheidung durch die Bürger anstelle des Rates getroffen.

 

Die Kommunalaufsicht habe den Bürgermeister angewiesen, den Beschluss zu beanstanden. "Insofern bin ich gehalten, der Anweisung Folge zu leisten, auch wenn dies nicht meiner Rechtsauffassung entspricht", so Redenius.

 

Die Entwicklung heißt für das Ergebnis des Ratsbürgerentscheids zunächst einmal, dass die Nümbrechter mindestens bis Donnerstag, 23. Februar, warten müssen, bis sie mehr wissen. Dann findet die nächste Sitzung des Gemeinderats statt. In dieser werden die Ratsmitglieder entscheiden müssen, was zu tun ist.

 

Das sagt die Kreisverwaltung

Zu der späten Reaktion der Kommunalaufsicht hätten mehrere Eingaben zur Rechtmäßigkeit des Verfahrens geführt, die erst in den vergangenen Tagen an die Kommunalaufsicht gerichtet worden seien, heißt es in einer Stellungnahme aus dem Kreishaus. In der Folge prüfte sie die Rechtmäßigkeit des Nümbrechter Bürgerentscheids - mit dem vorliegenden Ergebnis. "Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Kommunen und ihre Räte selbst für die Rechtmäßigkeit ihres Handels verantwortlich sind."

 

„Es gibt zwei Möglichkeiten“, so Redenius. Entscheiden sich die Ratsmitglieder für die erste Option, könnten alle abgegebenen Stimmen und das Ergebnis noch für lange Zeit unter Verschluss bleiben. Basierend auf der Stellungnahme der Anwältin der Gemeinde sollte der Beschlussvorschlag dem Rat eigentlich empfehlen, der Beanstandung nicht Folge zu leisten, führt Redenius aus. Folge wäre aber eine rechtliche, vielleicht jahrelange Auseinandersetzung. "Eine derartige Hängepartie ist auch der engagierten Bürgerschaft nicht zu vermitteln." Immerhin hatten laut Redenius 56 Prozent der Wahlberechtigten beziehungsweise etwa 8.100 Einwohner ihre Unterlagen abgegeben. Damit haben sich an dem Ratsbürgerentscheid mehr Menschen beteiligt als an der vergangenen Kommunalwahl (etwa 52 Prozent) oder der Landtagswahl (etwa 55 Prozent). Und auch bei der Frage nach der Errichtung von Windkraftanlagen würde man natürlich nicht weiterkommen.

 

Die zweite Option: Um einem Rechtsstreit entgegenzuwirken, schlägt die Verwaltung dem Rat vor, einem ebenfalls gegeben Hinweis  der Kommunalaufsicht zu folgen, und das Ergebnis der Stimmabgaben als „Ergebnis einer – rechtlich nicht bindenden und gesetzlich nicht geregelten – Bürgerbefragung“ zu bewerten, welche ein Meinungsbild der Bürgerschaft beschreibt und als Grundlage für weitere Überlegungen des Rates der Gemeinde dienen kann. Entscheidet sich der Rat für diese Option, könnte das Stimmergebnis sofort und noch in der Sitzung veröffentlicht werden.

 

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KOMMENTARE

1

Hab ich doch gesagt. Und nicht nur ich. Wer nicht hören will, muss spüren. Verschwendet ruhig unsere Steuergelder

Der Nümbrechter, 14.02.2023, 18:50 Uhr
2

Ich frage mich was da für unwissende Menschen am Werk sind wenn noch nicht mal eine einfache Bürgerbefragung funktioniert!!!

T.W., 15.02.2023, 06:22 Uhr
3

Was für ein Chaos wegen dieser simplen, kleinen Umfrage.
Wahrlich echt kein Wunder das bei uns in Deutschland immer weniger rund läuft und nichts voran geht!

Andreas Frank, 15.02.2023, 09:18 Uhr
4

@nümbrechter und @ tw Es stehen schlicht unterschiedliche Rechtsauffassungen im Raum. Das ist ganz normal und wird gerichtlich oder außergerichtlich geklärt. Dass Sie beide hier jetzt die Wissenden geben, ist nicht erstaunlich, aber erheiternd. Aber wozu braucht es auch Juristen, Öffentliches Recht gehört ja eigentlich zum Allgemeinwissen. Dennoch empfehle ich Ihnen beiden, die hobbyjuristischen Trimmdichpfade zu verlassen und abzuwarten, bis der Sachverhalt abschließend geklärt wurde. Wäre jedenfalls seriöser.

Der Schalk in Deinem Nacken, 15.02.2023, 11:44 Uhr
5

Blamabel! Und trotzdem fragt man sich, warum die Kommunalaufsicht erst am Tag vor der Veröffentlichung diese Bedenken äußert. ist ja nicht so, als ob die davon nicht gewusst hätten.

Nümmi, 15.02.2023, 12:17 Uhr
6

Na, Bravo: Das war dann wohl mehr ein "Schildbürgerstreich" als alles andere ... viel Aufwand (sogar mit eidesstattlicher Erklärung für die Wähler) für am Ende NICHTS! So funktioniert gelebte Steuergeldverschwedung in Deutschland im Jahr 2023 u. in Nümbrecht!

Dietmar Köhler, 15.02.2023, 14:23 Uhr
7

Die Meinung der Kommentatoren kann ich nicht teilen. Hier hat echte Basisdemokratie stattgefunden und die Mehrheit der Bürger hat seine Verantwortung wahrgenommen. Ob eine Frage juristisch richtig oder falsch ausgedrückt wurde ist meines Erachtens unwesentlich, weil wir Nümbrechter schon verstanden haben, worum es ging. Ich kann nur sagen: Toll gemacht, Herr Redenius!

Iris Tietz, 15.02.2023, 15:26 Uhr
8

Windkraft in Nümbrecht ist notwendig und sollte öffentlich ausgeschrieben werden, aber nicht in Eigenregie der GWN.

T.D., 15.02.2023, 19:17 Uhr
9

An dieser Stelle muss der mal gefragt werden, wer die Kommunalaufsicht angerufen hat? Offensichtlich fanden rund 50% der wahlberechtigten Nümbrechter die Fragestellung gut und haben die Möglichkeit zur Abgabe einer Meinung genutzt. Jetzt bleibt das Ergebnis abzuwarten... Wie überall gibt es Menschen, politisch motiviert oder nicht, die sich selbst bei so einem wichtigen Thema auf den Schlips getreten fühlen und die Nadel im Heuhaufen suchen. Das einzige, was es hier wirklich zu bemängeln gibt, dass man hätte bereits vor 20 Jahren hätte Windräder bauen müssen.

Marco, 15.02.2023, 20:17 Uhr
10

Vielen Dank für die Aktualisierung des Artikels und der Richtigstellung durch den Bürgermeister.

Offensichtlich hat die Verwaltung (alle Mitwirkenden) ihre Hausaufgaben gemacht und sich vorab eine rechtsverbindliche Aussage durch einen Anwalt zu der Fragestellung des Bürgerentscheids geben lassen.

Die zweite Option scheint eine ausreichende Lösung zu sein, um eine Entscheidung im Sinne der Bürger zu treffen.

R2B2, 16.02.2023, 09:42 Uhr
11

Wenn die Mehrheit der Bürger:innen und die Mehrheit des Rates für die Windräder ist, ist die zweite Option völlig ausreichend.

TG, 16.02.2023, 11:24 Uhr
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