POLITIK
Steuererhöhungen gegen den Willen des Bürgermeisters
Lindlar – Die CDU und die Grünen haben die Erhöhung der Grundsteuer B auf 1.245 Prozent durch den Rat gebracht.
Zwei Steuererhöhungen innerhalb von einem Jahr: Dafür hat sich der Rat der Gemeinde Lindlar entschieden. Keine acht Monate lagen diesmal zwischen der jetzigen und der letztmaligen Verabschiedung des Haushalts. Keine acht Monate, in der die Grundsteuer B fast verdoppelt wurde, zunächst von 655 auf 903 Prozent, rückwirkend bis zum Januar, und jetzt sogar auf 1.245 Prozent. Eine Entscheidung, die in der Ratssitzung am Dienstagabend von Bürgermeister Dr. Georg Ludwig nicht mitgetragen wurde. Er bezeichnete die Erhöhung als unverträglich und als Standortnachteil.
Im April lehnte die CDU noch Steuererhöhungen ab (OA berichtete). Diesmal sah das anders aus. Zusammen mit den Grünen schlugen sie eine Erhöhung der Grundsteuer B auf 1.245 Prozent und der Gewerbesteuer auf 540 Prozent vor. Letztere wurde erst im April von 495 auf 515 Prozent angehoben. Die geplanten Steuererhöhungen haben CDU und Grüne in dieser Woche mehrheitlich durch den Rat gebracht, SPD und FDP stimmten dagegen. Differenzierte Hebesätze soll es in Lindlar nicht geben. Eigentlich hatte sich der Rat bereits für die Einführung der Differenzierung ausgesprochen, dies aber wieder rückgängig gemacht.
Wie IT.NRW als Statistisches Landesamt im vergangenen November öffentlich gemacht hat, lag der sogenannte gewogene Durchschnittshebesatz der Grundsteuer B in NRW Ende Juni dieses Jahres bei 614 Prozent und war damit um 20 Prozentpunkte höher als zum Stichtag 2023 (damals: 594 Prozent). Den niedrigsten Hebesatz der Grundsteuer B in NRW hatte am Stichtag Verl mit 170 Prozent, den höchsten Hebesatz hatte laut IT.NRW Niederkassel mit 1.100 Prozent. Da wird Lindlar im kommenden Jahr drüber liegen. „Sie haben es geschafft, Lindlar im Oberbergischen Kreis an die Spitze, und im Land NRW unter die Top Ten der Grundsteuerzahler zu bringen!“, warf der SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Scherer CDU und Grünen vor.
In seiner Haushaltsrede erklärte der CDU-Fraktionsvorsitzende Hans Schmitz, warum die Steuern erneut erhöht werden müssten. Die Hebesätze ab 2025 seien mit denen vor 2025 nicht vergleichbar. Schmitz denkt an die Neubewertung aller Grundstücke, die sich zum Teil erheblich auf die Grundsteuer auswirken würden. „Die Grundsteuer A wird faktisch um circa 25 Prozent erhöht, die Grundsteuer B um circa 20 Prozent“, sagte der CDU-Politiker. Den Konsolidierungsvorschlag der Gemeinde lehnte die CDU ab, unter anderem, da dieser zum Verzehr des Eigenkapitals führe. Schmitz kritisierte auch die Politik von Bund und Land, die die Kommunen im Stich lassen würden.
Aus Sicht der SPD seien die Steuerhöhungen „ohne Not“, sagte Michael Scherer. In ersten Gesprächen der Verwaltung mit den Fraktionen habe sich die SPD wegen der prekären Haushaltssituation für ein Haushaltssicherungskonzept ausgesprochen. Was die Steuererhöhungen konkret bedeuten, machte Scherer an einem Beispiel deutlich: Ein Wohngrundstück in Bickenbach oder Loope mit annähernd gleichen Bemessungsgrundlagen koste zukünftig nur noch die Hälfte von einem Wohngrundstück in Eichholz oder Hohkeppel. „Für Wohnungssuchende und Häuslebauer wird Lindlar vollkommen unattraktiv“, sagte Scherer.
Laut Patrick Heuwes, dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen, rase Lindlar mit Vollgas auf den Abgrund zu. Keine vergleichbare Kommune in NRW sei so nah dran an der Pleite und Überschuldung. Lindlar habe massiv von der Substanz gelebt und Schulden aufgebaut. Zwischen 2006 und 2019, also in Zeiten „der absoluten CDU-Mehrheit“, habe Lindlar über 37 Millionen Euro an Eigenkapital wegkonsumiert. „Wir dürfen nicht weiter Eigenkapital verzehren und Schulden machen“, begründete Heuwes die Entscheidung.
Die FDP sei nicht gegen eine später notwendige Steuererhöhung, sagte Harald Friese als Fraktionsvorsitzender der Liberalen. Aber „wir sind gegen den Zeitpunkt und gegen die Begründung, die von Grünen und CDU vorgetragen wird“. Die Politik habe ihre Ausgabenpolitik – besonders in Lindlar – immer bis an die Grenze der Belastbarkeit überdehnt. Friese bezeichnete die jetzt geplanten Steuererhöhungen als bürgerfeindlich. Die FDP unterstütze den „Haushaltsplan des Bürgermeisters (OA berichtete) und sein sozial abgefedertes Vorgehen“.
Bürgermeister Ludwig hatte gehofft, dass sich die Politik anstelle der Steuererhöhungen eher dafür entscheidet, mehr an den freiwilligen Leistungen der Gemeinde zu sparen. Rund 300.000 Euro hätte man dabei noch einsparen können. Nachdem die Grundsteuer erst im April erhöht worden ist, hat sich der Bürgermeister dafür eingesetzt, diese erstmal bei der Bevölkerung ankommen zu lassen, anstatt wenige Monate später eine derart starke Erhöhung hinterherzuschieben. Auch den Unternehmen hätte man mehr Luft lassen sollen, sagte Ludwig.
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