Lindlar – Bürgermeister, Grüne und FDP haben sich in der Ratssitzung für eine höhere Grundsteuer B und eine Erhöhung der Gewerbesteuer ausgesprochen.
Eineinhalb Stunden lief die gestrige Sitzung des Lindlarer Gemeinderats bereits, als die versammelte Politik über die neuen Hebesätze und die neue Haushaltssatzung der Gemeinde zu entscheiden hatte – und Kämmerin Cordula Ahlers in der Folge ein Stein vom Herzen fiel. Wie bereits in der Sondersitzung am vergangenen Dienstag (OA berichtete) fielen auch die gestrigen Abstimmungen knapp aus: neben Bürgermeister Dr. Georg Ludwig stimmten lediglich die Grünen und die FDP für den von der Verwaltung erarbeiteten Haushaltsplan und die neuen Hebesätze – elf Stimmen kamen somit zusammen. Die SPD (9) votierte ob ihrer erarbeiteten, aber abgelehnten Alternative dagegen, die CDU (16) enthielt sich.
Ob die Kreisumlage, der Krieg in der Ukraine, die Unterbringung von Geflüchteten, die Tarifabschlüsse oder auch die steigenden Zinskosten: Ludwig sprach von einer der schwierigsten Zeiten nach Bewältigung der Nachkriegszeit. „Wir machen es uns nicht leicht mit den Steuererhöhungen“, sagte der Bürgermeister – doch die fetten Jahre seien vorbei. Wichtig sei, dass die kommenden Jahre solide finanziert werden könnten. Auch Kämmerin Ahlers sprach von „tiefen Einschnitten“ durch die Steuererhöhungen, allerdings sei damit auch eine „intergenerative Gerechtigkeit“ gegeben: „Dieser Haushalt braucht keine neuen Schulden mehr – und das ist der gute Punkt daran.“
Unterm Strich wird der Hebesatz der Grundsteuer B nicht so stark erhöht wir ursprünglich geplant. Grund dafür seien neue Entwicklungen bei den Aufwendungen und Erträgen. Die Abrechnung der differenzierten Kreisumlage etwa bringe der Gemeinde 2024 circa 115.000 Euro mehr als geplant. „Mehr ins Gewicht fällt, dass die Mietzahlung der Gemeinde an die BGW für das Feuerwehrgerätehaus in Frielingsdorf rund 197.000 Euro günstiger wird“, erklärte Ludwig auf Nachfrage von OA. Gespart werde auch beim Klimaschutzbudget, das mangels Personals nicht in dem Umfang hätte abgearbeitet werden können, wie zuvor geplant. Hier spricht Ludwig von einer Ersparnis von rund 100.000 Euro. Der Hebesatz der Grundsteuer B wird damit nicht von 655 auf 925 Prozent angehoben, sondern (nur) auf 903 Prozent. Die Gewerbesteuer wird von 495 auf 515 Prozent angehoben. Die Grundsteuer A bleibt unberührt.
Haushaltsreden
Die CDU lehnt die Steuererhöhungen ab, sieht die Verantwortung für derartige Erhöhungen bei der „Ratsmehrheit“, die in den vergangenen Jahren habe Chancen verstreichen lassen. Auch das Haushaltskonzept der SPD lehnen die Christdemokraten ab. Es sei zu spät gekommen, kurz vor Abschluss der Beratungen, sagte Fraktionsvorsitzender Hans Schmitz in seiner Haushaltsrede. Keinen Vorwurf machte Schmitz hingegen dem Bürgermeister und der Verwaltung.
Die CDU setzt nach wie vor auf die Ausweisung von bebaubaren Flächen für „dringend benötigten Wohnraum“, was quantitativ zu einer Erweiterung der Grundsteuer-B-Pflichtigen und damit zu Mehreinnahmen seitens der Gemeinde führe. „Die Chancen wurden vertan. Das gilt auch für die Gewerbesteuer. […] Ein paar Einwohner mehr verträgt Lindlar und die vorhandene Infrastruktur, sicher auch noch einige neue Arbeitgeber“, ist Schmitz überzeugt.
Den Grund für die derzeitige Haushaltssituation mit einer Verschulung von über 100 Millionen Euro sieht der SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Scherer woanders. Diese stamme nicht aus den vergangenen vier Jahren, „sondern vielmehr aus einer über 75-jährigen absoluten Mehrheitszeit der CDU Lindlar.“ Außerdem sei im Kreis mit den Stimmen der Lindlarer Kreistagsmitglieder der CDU ein Haushalt beschlossen worden, „der mehr als die Hälfte aller Einnahmen Lindlars nach Gummersbach fließen lässt.“ Dass die Kommunen seit vielen Jahren mehr Aufgaben übernehmen müssten, dafür von Bund und Land aber nicht mit ausreichend Mitteln ausgestattet werden würden, sei kein neues Phänomen.
Großprojekte wie das Baugebiet „An der Jugendherberge“, die Gewerbegebiete „Klause V“ und Linde, aber auch Projekte wie „Am Kirchbäumchen“, sozialer Wohnungsbau in Altenlinde oder die Entscheidungen zum Flächennutzungsplan würden auch deshalb stocken, weil die Verwaltung überlastet sei. Insgesamt zeigte sich Scherer, so wie auch seine Fraktion, enttäuscht ob der diesjährigen Haushaltsdebatte, sprach insbesondere von einem verantwortungslosen Verhalten der CDU. „Abgesehen von Anträgen zum Klimaschutzbudget, wo alle im Gemeinderat sich grundsätzlich einig sind, kamen aus keiner anderen Fraktion Ideen oder Vorschläge.“
Die „unterirdische Finanzsituation“ der Gemeinde hätten laut Patrick Heuwes die über 40-Jährigen zu verantworten. Lindlar habe, angeführt von der CDU, jahrzehntelang über seinen Verhältnissen gelebt anstatt „vernünftig zu wirtschaften und Rücklagen zu bilden. Das darf nicht so weitergehen!“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Grünen in seiner Haushaltrede. „Steuererhöhungen, die wir jetzt nicht machen, sind die Steuererhöhungen mit Zinseszins für die zukünftigen Generationen.“ Dabei hätte sich die CDU mit ihrer Enthaltung aus der Verantwortung gestohlen.
Sparen bei den sogenannten „freiwilligen Leistungen“ komme für die Grünen nicht infrage – nicht zuletzt habe sich die Politik bewusst für die einzelnen Kostenpunkte entschieden, und nicht zuletzt würden sie Lindlar lebenswert machen. Künftig nicht mehr auf das Schülerticket zu setzen und den Schülern damit eine freie Fahrt mit Bus und Bahn über Köln hinaus zu nehmen, ist für die Grünen keine Option. „Die Verkehrswende funktioniert nur mit einem ÖPNV, der angenommen wird. Und kaum etwas fördert die Akzeptanz mehr, als schon im Kindesalter mit der ÖPNV-Nutzung aufzuwachsen“, so Heuwes.
Abschließend trat Harald Friese ans Rednerpult. Der Fraktionsvorsitzende der Lindlarer FDP blickte auf die vergangenen Wochen und Monate zurück, sprach mit Blick auf die Haushaltsberatungen über einen straff angesetzten Terminkalender und die Verzögerungen, die entstanden seien, weil Kämmerin und Bürgermeister den geplanten Haushalt erst auf seine Rechtswirksamkeit hätten überprüfen können, nachdem das sogenannte NKF-Weiterentwicklungsgesetz NRW Ende Februar verabschiedet worden ist.
„Daraus ergibt sich, dass eigentlich keine richtigen Haushaltsgespräche stattfinden können“, so Friese. Zudem sei das Haushaltskonzept der SPD „unter diesen ungünstigen Gegebenheiten viel zu spät eingebracht worden“, sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende. Verschärft worden seien die Haushaltsprobleme nicht zuletzt durch den Wegfall der Corona- und Ukrainerückstellungen. Die FDP habe dem Haushaltsplanentwurf des Bürgermeisters letztlich mangels Alternativen zugestimmt.
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