RECHTECK

Nutzungsausfall oder Mietwagenkosten für 365 Tage? Wie geht das?

Red; 03.12.2022, 10:00 Uhr
RECHTECK

Nutzungsausfall oder Mietwagenkosten für 365 Tage? Wie geht das?

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Red; 03.12.2022, 10:00 Uhr
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Der Unfallverursacher hat den Unfallgeschädigten so zu stellen, als wäre der zum Ersatz verpflichtende Umstand (der Unfall) nicht eingetreten. Dies bedeutet, dass auch die fehlende Mobilität zu kompensieren ist. Dies entweder durch Zurverfügungstellung eines Mietfahrzeugs oder abstrakt durch Gewährung einer Nutzungsausfallentschädigung pro Tag.

Nach einem Unfallereignis sind viele Fahrzeuge nicht mehr verkehrssicher und fahrfähig. Gelegentlich sind sogar Totalschäden eingetreten, so dass für Ersatz gesorgt werden muss. Aus vielerlei Gründen kann es dazu kommen, dass das Fahrzeug erst nach vielen Monaten wieder zur Verfügung steht. Dies kann zum einen an der fehlenden Leistungsfähigkeit des Geschädigten liegen, der schlichtweg nicht zur Vorfinanzierung in der Lage ist. Der andauernde Ausfall kann aber auch dadurch bedingt sein, dass notwendige Ersatzteile nicht fristgerecht geliefert werden. Wer beispielsweise ein finanziertes Fahrzeug fährt, erhält regelmäßig kein weiteres Darlehen, um hier gegebenenfalls in eine Vorfinanzierung eintreten zu können.

 

Die Praxis zeigt, dass es darüber hinaus aufgrund gestörter Lieferketten teilweise monatelang dauert, bis die in Asien oder auch in Großbritannien gefertigten Ersatzteile zur Verfügung stehen. Dies führt dazu, dass entweder kein Ersatz durch ein Gebrauchtfahrzeug beschafft werden kann oder aber das Fahrzeug nicht fertiggestellt werden kann, weil notwendige Ersatzteile fehlen. Von daher ist es wichtig, dass ein Unfallgeschädigter die eintrittspflichtige Haftpflichtversicherung seines Unfallgegners unverzüglich darauf hinweist, dass entweder eine Vorfinanzierungsmöglichkeit nicht besteht oder aber der langfristige Ausfall auf fehlende Ersatzteillieferungen zurückzuführen ist. Der Versicherer sollte dann gebeten werden, die weitere Mobilität dadurch sicherzustellen, dass der Versicherer z.B. ein entsprechendes Mietfahrzeug befristet bis zur Fertigstellung der Reparatur zur Verfügung stellt. Erfolgt ein solcher Hinweis, so ist der Haftpflichtversicherer in der Pflicht.

 

Der Bundesgerichtshof hat bereits mit Urteil vom 17.11.2020 entschieden, dass ein Unfallgeschädigter nicht einmal verpflichtet ist, den eigenen Kaskoversicherer zur Behebung des Unfallschadens in Anspruch zu nehmen, um die Zeit des Nutzungsausfalls und damit die Höhe der diesbezüglichen Ersatzverpflichtung des Schädigers und dessen Haftpflichtversicherung möglichst gering zu halten. Es wurde ausgeführt, dass es grundsätzlich Sache des Schädigers ist, die Schadenbeseitigung zu finanzieren. Dementsprechend muss nicht einmal eine etwa bestehende Vollkaskoversicherung zur Geringhaltung des Schadens in Anspruch genommen werden. Dieser Rechtsprechung folgend hat das Landgericht Bielefeld mit Urteil vom 15.11.2019 einer Unfallgeschädigten für 365 Tage Nutzungsausfall zugesprochen, weil diese ihr üblicherweise selbst genutztes Fahrzeug aus unfallbedingten Gründen nicht nutzen konnte, weil die Reparaturwerkstatt den für die Verkehrssicherheit notwendigen Totwinkelassistenten nicht liefern konnte und von daher aus Sicherheitsgründen die Herausgabe des Fahrzeugs verweigerte.

 

Wichtig ist, dass der Versicherer frühzeitig entweder auf die mangelnde Vorfinanzierbarkeit oder auf Lieferverzögerungen hinzuweisen ist, so dass dieser gegebenenfalls für Abhilfe sorgen kann. Dementsprechend hat das Landgericht Bielefeld der Unfallgeschädigten nicht nur Reparaturkostenersatz von knapp  16.000 Euro zugesprochen, sondern darüber hinaus insbesondere die Zahlung einer Nutzungsausfallenschädigung für 365 Tage in Höhe von rund 28.000 Euro. Die zu zahlende Nutzungsausfallentschädigung war mithin deutlich höher als der zu erstattende Reparaturkostenbetrag.

 

Hätten Sie es gewusst?

 

Rolf-Helmut Becker

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Fachanwalt für Versicherungsrecht

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