BLAULICHT

„Man kann uns nicht jeden Fahrraddiebstahl im Ruhrgebiet anlasten“

pn; 29.10.2024, 19:30 Uhr
Symbolfoto: Pexels auf Pixabay
BLAULICHT

„Man kann uns nicht jeden Fahrraddiebstahl im Ruhrgebiet anlasten“

pn; 29.10.2024, 19:30 Uhr
Oberberg – Im Prozess um eine in Gummersbach gestartete Diebstahlserie hochwertiger Fahrräder und E-Bikes kritisiert die Verteidigung die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft – Mehrere Taten werden eingeräumt.

Von Peter Notbohm

 

Einen Wert von rund 250.000 Euro sollen die hochwertigen Fahrräder, Rennräder und E-Bikes haben, die zwei Männer (23), ein Heranwachsender (19) sowie eine Frau (22) zwischen dem 18. November 2023 und dem 5. April dieses Jahres bei Einbrüchen erbeutet haben (OA berichtete). Von 34 Fällen bandenmäßigen Einbruchdiebstahls spricht die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage gegen die vier Ukrainer. Sie sollen zunächst im Oberbergischen, später auch NRW-weit und in Koblenz zugeschlagen haben.

 

Die beiden Haupttäter sollen die beiden 23-Jährigen sein: Ihnen werden 34 bzw. 25 Fälle zur Last gelegt, sie sitzen aktuell in U-Haft. Der 19-Jährige soll an 19 Einbrüchen beteiligt gewesen sein. Die 22-jährige Freundin von einem der beiden Haupttäter soll nur in einem Fall dabei gewesen sein. Vornehmlich sollen die Täter ihre Opfer über Inserate bei eBay Kleinanzeigen ausfindig gemacht haben. Doch gehen wirklich alle diese Fahrraddiebstähle auf das Konto der mutmaßlichen Bande?

 

Die Verteidigung hegt daran starke Zweifel. Mehrere Taten – darunter in Arnsberg und Koblenz - werden von den beiden Haupttätern inzwischen eingeräumt, am vierten Verhandlungstag kritisierte Rechtsanwältin Dörthe Clemens allerdings die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft: „Vieles passt nicht zusammen. Wir Verteidiger haben keine Lust mit dem Taschenrechner und Google Maps jeden einzelnen Fall nachrechnen zu müssen. Die Staatsanwaltschaft sollte sich hinsetzen und zunächst einmal alle Fälle auf Plausibilität prüfen.“

 

Einige Distanzen seien selbst nachts bei freier Strecke in der Kürze der Zeit nicht zurücklegbar gewesen, zumal die Täter jeweils auch noch in die Keller und Garagen hätten einbrechen müssen. Die Anklage fußt vor allem auf den Auswertungen der sogenannten Gemini-Daten der Handys der Angeklagten. Auch Verteidiger Christof Müller-Holtz kritisierte die Arbeit der Ermittlungsbehörden: „Man kann uns nicht jeden Fahrraddiebstahl im Ruhrgebiet anlasten.“

 

Damit bezogen sich die beiden Verteidiger vor allem auf mehrere Diebstähle in Essen und Oberhausen. Hier hieß es in allen Fällen in der Anklage, dass die Kellerräume bzw. Garagen aufgebrochen worden seien. Die beklauten Fahrradbesitzer, die am Dienstag am Landgericht Köln dazu aussagten, berichteten allerdings, dass ihre Kellerräume keineswegs aufgebrochen worden seien, sie ihre Fahrräder auch nie bei eBay Kleinanzeigen inseriert hätten. Der Staatsanwalt musste mehrfach die Widersprüche einräumen.

 

Öffentlich gemacht wurde am Dienstag auch der Inhalt eines Rechtsgesprächs zwischen Kammer, Verteidigung und Staatsanwaltschaft vom dritten Verhandlungstag. Hier hatten die Verteidiger angedeutet, an einer Verkürzung des auf elf Prozesstage angesetzten Verfahrens interessiert zu sein. Zudem war eine Einstellung mehrerer Vorwürfe angeregt worden. Bereits hier sprachen die Verteidiger von „Sollbruchstellen“ in der Anklageschrift, da mehrfach der Tatnachweis „nicht geführt werden kann“.

 

Auch mit der Einordnung als Bande tat sich die Verteidigung demnach schwer. Eine erhoffte Entlassung aus der U-Haft lehnte die Staatsanwaltschaft allerdings aufgrund der Vielzahl von Taten und der erheblichen Strafandrohung kategorisch ab. Das Verfahren wird bereits am Mittwoch fortgesetzt. Dann könnte geklärt werden, welche Fälle von einer möglichen Einstellung betroffen wären. Das Urteil wird momentan noch für den 14. November erwartet.

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