Bilder: Fenja Jansen --- Zwei oberbergische Ärzte, die sich aufgrund von Regressforderungen in ihrer Existenz bedroht sehen: Dr. Jörg Blettenberg (li.) und Stefanus Paas.
ARCHIV
Tränen und Rücktritts-Forderungen
Bergneustadt Im Rahmen einer Bürgerversammlung nahm Stefanus Paas emotionalen Abschied, fand aber auch deutliche Worte für Kollegen, Politik und KVNO, deren oberbergischen Vorsitzenden er zum Rücktritt aufforderte.
Wie tief die Gräben im Gesundheitssystem sind dies wollte Stefanus Paas in der heutigen Bürgerversammlung im Bergneustädter Kawinkelsaal deutlich machen. Tatsächlich war bei den zahlreich erschienenen Bürgern zumindest verständnisloses Kopfschütteln, stellenweise Wut und oft Trauer zu sehen. Als sich Paas mit tränenschwerer Stimme bei seiner Familie, seinen Mitarbeitern, Patienten und Mitstreitern im Kampf gegen die Regressforderungen bedankte, wurde auch im Publikum geweint. Vor allem fand Paas aber deutlich Worte, mit denen er das kranke Gesundheitssystem und die vergangenen Monate, die er als perfide Art des Sozial-Mobbings bezeichnete, beschrieb und die ihn letztendlich zur Aufgabe seiner Bergneustädter Hausarztpraxis trieben.

[Zahlreiche Besucher hatten sich im Krawinkelsaal versammelt.]
Dass Bergneustadt selbst mit Paas als unterversorgt gilt, machte Dr. Ralph Krolewski, Vorsitzender des oberbergischen Hausärzteverbands, deutlich. Nur noch sieben Hausärzte würden nach seiner Praxisschließung in der Stadt verbleiben. Gegen diese fortschreitende Unterversorgung nicht nur in Bergneustadt, sondern im gesamten ländlichen Raum, so appellierten Paas, Krolewski und der ebenfalls anwesende Dr. Jörg Blettenberg aus Lindlar, gelte es sich zu wehren. Dazu forderte auch Bergneustadts Bürgermeister Wilfried Holberg auf: Wir müssen weiter Zähne zeigen. Wir sind wenige, aber wir sind laut und die Bergneustädter Ärzteschaft hat meine volle Unterstützung. Auch Vertreter des Lindlarer Aktionsbündnisses Wir für Blettenberg empfahlen den Bergneustädtern, sich zu organisieren: Petitionen, die von mehreren Tausend Bürgern unterschrieben sind, kann die Politik nicht ignorieren.

[Bürgermeister Wilfried Holberg (li) und Dr. Ralph Krolewski forderten die Bürger auf, lautstark für ihr Recht auf eine wohnortnahe Versorgung zu kämpfen.]
Deutliche Worte fand Paas auch gegenüber seinen Bergneustädter Hausarztkollegen, von denen er - Dr. Claus-Peter Bockhacker ausdrücklich ausgenommen - zutiefst enttäuscht war. Dass er durch seine öffentliche Kampagne den Beruf des Landarztes kaputt trete, hätte er sich beispielsweise von einem Kollegen vorwerfen lassen müssen. Dabei sah man Paas an, dass ihm der Schritt, die Praxis zu schließen und eventuell auch Deutschland den Rücken zu kehren, nicht leicht gefallen sein muss. Den Kampf gegen das kranke System hat er nicht leichtfertig aufgegeben. Ich hoffe, durch meinen Ausstieg wieder zur Menschlichkeit und Ethik zurückkehren zu können und mein Wissen uneingeschränkt an meine Patienten weitergeben zu können.
Bockhacker, der sich auch selbst zu Wort meldete, bat Paas Patienten, Ruhe zu bewahren. Wenn man krank ist, ist das schlimm genug, da sollen sie sich nicht noch um Ihre Versorgung sorgen, so der in Wiedenest praktizierende Mediziner. Wie auch Krolewski forderte er seine Bergneustädter Kollegen dazu auf, gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten, die die Versorgung aller Patienten von Paas sicherstellt. Auch er schloss mit dem Appell, weiter nach oben zu stänkern und den Kampf gegen das kranke System nicht aufzugeben. Wut, Trauer und Fassungslosigkeit, aber vor allem Kampfeswille, dies waren die Signale, die heute aus Bergneustadt gesendet wurden.
Weitere Hintergründe und Informationen zu den Forderungen der Hausärzteverbandes Oberberg gibt es unter www.hausaerzte-oberberg.de.