Nümbrecht - Der "historische" Beschluss für einen Ratsbürgerentscheid ist ein schlauer Schachzug der Verwaltung - Thema polarisiert damals wie heute.
„Historisch“ nannte Bürgermeister Hilko Redenius den Beschluss, die Bürger darüber abzustimmen zu lassen, ob die Gemeindewerke Nümbrecht Windkraftanlagen zur Eigenversorgung der Bürger bauen sollen. Es wird der erste Ratsbürgerentscheid überhaupt in Nümbrecht sein. Und für kaum ein anderes Thema ist diese Möglichkeit der Bürgerbeteiligung wohl besser geeignet als für die Windkraft.
Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Pläne für Anlagen in Oberstaffelbach Fahrt aufnehmen sollten – damals hätte freilich ein Investor bauen sollen. Probleme beim Artenschutz, weitere notwendige und kostspielige Gutachten und nicht zuletzt der Bürgerprotest ließ die Pläne wieder in der Schublade verschwinden. Nicht alles hat sich seitdem in der Diskussion rund um die hohen Windkraftanlagen verändert. Der Schutz gefährdeter Tierarten, die Verspargelung der Landschaft, Probleme mit der Wirtschaftlichkeit in windärmeren Regionen – bei letzterem wird in Nümbrecht gerne das einzige in der Gemeinde stehende Windrad bei Marienberghausen herangezogen: Das Thema polarisiert damals wie heute.
In den vergangenen zehn Jahren hat sich aber viel getan, in der gesellschaftlichen Diskussion als auch ganz spezifisch in Nümbrecht. Die Folgen des Klimawandels zeigen sich durch häufiger werdende Starkregenereignisse oder langanhaltende Dürreperioden auch in Deutschland. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat Deutschlands Abhängigkeit von Moskau in Sachen Gas schonungslos offengelegt. Die horrenden Preise spürt man bis ins Homburger Ländchen. Gegensteuern ist momentan das Gebot der Stunde. Zudem hat sich in den vergangenen Jahren die Windkraft-Technik weiterentwickelt. Die Hoffnung der Befürworter ist klar: Nicht nur an den Küsten ist mit Wind Energie und Geld zu machen.
Beides soll laut der Vision von Hilko Redenius in der Gemeinde bleiben. Und das unterscheidet seine Idee von vielen anderen Windkraft-Projekten, bei denen Investoren die Anlagen nur auf den nächsten grünen Hügel stellen, ihre Bankverbindung hinterlassen und nicht mehr zu sehen sind – und bei Misserfolg stimmt nicht einmal mehr die Kontonummer. Die GWN könnte indes nach dem erfolgreich umgesetzten Glasfaserausbau gleich das nächste Prestigeprojekt realisieren – vorausgesetzt die Gutachten, die nach einem etwaigen positiven Votum im Bürgerentscheid in Auftrag gegeben würden, zeigen einen wirtschaftlich vernünftigen Weg auf.
Doch so weit ist es noch lange nicht. Jetzt geht es ums Prinzip. Um Windkraft in Nümbrecht: Ja oder Nein? Den Nümbrechtern wird anders als in vielen anderen Kommunen die Entscheidung überlassen, wo sie sich in der Klima- und Energiedebatte positionieren wollen. Das ist ein schlauer Schachzug der Verwaltung. Bei einem klaren Votum für die Idee verschafft sich das Rathaus enormen Rückenwind. Diesen wird Redenius dringend nötig haben, wenn er einer „historischen“ Entscheidung weitere folgen lassen möchte.
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