POLITIK
Neue Grundsteuer: Stücker fühlt sich von Bund und Land allein gelassen
Wiehl – Eine Entscheidung, ob es in Wiehl einen einheitlichen oder einen differenzierten Hebesatz bei der Grundsteuer geben wird, ist noch nicht getroffen - Zeitplan für Grundschulbau in Marienhagen Thema im Haupt- und Finanzausschuss.
Von Lars Weber
In allen Kommunen – nicht nur im Oberbergischen Kreis – wird sie intensiv und kontrovers diskutiert: die Grundsteuerreform. Nachdem das Bundesverfassungsgericht die bisherige Berechnungsmethode für verfassungswidrig erklärt hatte, forderte es zugleich eine Neuregelung der Grundsteuer. Dieser Forderung kam der Gesetzgeber mit dem Reformgesetz 2019 zwar nach – doch längst wird über die Rechtssicherheit neuer Berechnungsoptionen diskutiert. Auch in Wiehl, wo die Kämmerei gestern im Haupt- und Finanzausschuss zu dem Thema informiert hat. Bis Dezember muss eine Entscheidung her, wie es weitergeht. Politik und Verwaltung sehen sich in der Zwickmühle.
Nachdem die Finanzämter die Grundstückswerte neu festgestellt haben, liegt es nun an den Kommunen zu entscheiden, wie sich der Hebesatz – vor allem die Grundsteuer B ist hier entscheidend, die Auswirkungen bei der Grundsteuer A sieht die Stadt eher unkritisch – entwickeln soll. Das Zauberwort lautet Aufkommensneutralität und bedeutet im Grundsatz, dass die Einnahmen aus der Grundsteuer unverändert bleiben, um eine zusätzliche Belastung der Bürger zu vermeiden. Entsprechende aufkommensneutrale Hebesätze hat das Land für jede Kommune veröffentlicht (OA berichtete).
Aufgrund der neuen Grundstückswerte heißt es weiter, dass einzelne Bürger zwar mehr, weniger oder gleichbleibend belastet sein können, es jedoch im Gesamten der Höhe der Einnahmen nach zu keiner Veränderung des Grundsteueraufkommens im Vergleich zum Vorjahr kommen würde – es sei denn natürlich, eine Veränderung der Hebesätze, also eine Steuererhöhung, sei aus anderen Gründen erforderlich. Es liegt also an der Kommune, ob sie die Aufkommensneutralität verfolgen möchte.
Laut der Vorlage, die vom Beigeordneten und Kämmerer Peter Madel sowie von Fachbereichsleiter Alf Karsten erstellt wurde, gibt es in Wiehl im aktuellen Jahr 11.569 Grundsteuerfälle, von denen bis Mitte Oktober rund 500 noch nicht oder unzureichend veranlagt worden sind. „Diese Fälle machen einen Gesamtbetrag von etwa 220.000 Euro Grundsteueraufkommen nach altem Recht aus.“ 95 Prozent der Grundstücke seien indes veranlagt. „Ob die Daten im Vorfeld vom Finanzamt richtig verarbeitet worden sind, wird sich zeigen.“ Die Stadt rechnet jedenfalls mit einer „Flut von Rückfragen“ der Bürger, wenn im Januar die Bescheide rausgehen.
Die Frage ist nun: Bildet ein einheitlicher Hebesatz die Grundlage für die Berechnungen, was im Wesentlichen der aktuellen Vorgehensweise entspricht. Oder nutzt Wiehl die neue Option eines differenzierten Hebesatzes. Der einheitliche Hebesatz für die Grundsteuer B gemäß des Vorschlags des Landes beträgt 670 Prozent (aktuell 508 Prozent), wobei die stadtinternen Berechnungen ergaben, dass man auch mit 631 Prozent zur Aufkommensneutralität käme. Das Hauptproblem aus Sicht der Verwaltung und auch der Politik: Bei den Grundstücken mit Einfamilienhäusern würden die Bürger massiv, beim Hebesatz von 670 Prozent mit durchschnittlich mehr als 37 Prozent zusätzlich belastet, während die Geschäftsgrundstücke massiv entlastet werden, heißt es in der Vorlage.
Die Stadt kommt zu dem Schluss, dass die Be- und Entlastungen bei einem differenzierten Hebesatz (das Land kommt auf 561 Prozent bei Wohngrundstücken und 1.052 Prozent bei Nichtwohngrundstücken, die Stadt auf 535 und 960 Prozent) besser verteilt würden. Entgegen eines juristischen Gutachtens, dass das Land in Auftrag gegeben hatte, hält das Rechtsgutachten des Städte- und Gemeindebunds die Anwendung der differenzierten Hebesätze aber für nicht rechtskonform. Klagen könnten die Folge sein, sogar die Hebesatzung könnte im für die Stadt schlimmsten Szenario unwirksam werden.
Sich für den einheitlichen Hebesatz zu entscheiden, um Schaden von der Stadt anzuwenden, obwohl der differenzierte Hebesatz den Bürgern gegenüber gerechter erscheint: In dieser Zwickmühle befinden sich Verwaltung und Politik. „Ich hätte es schön gefunden, wenn wir die Gerechtigkeit den Leuten auch erklären könnten“, kritisierte Bürgermeister Ulrich Stücker das insgesamt undurchsichtige Reformgesetz. „Damit wurde uns ein Ei ins Nest gelegt.“ Das Stadtoberhaupt sprach von Chaos, dass dadurch ausgelöst werde. „Wir fühlen uns von Land und Bund allein gelassen“, so Stücker weiter. Denn die Kommunen seien am Ende diejenigen, die sich mit den Klagen auseinandersetzen müssen.
Nächste Woche bei der Ratssitzung am Dienstag wird nun der Haushalt für das Jahr 2025 eingebracht, über den voraussichtlich im Dezember abgestimmt wird. Dann muss sich die Politik entscheiden, welche Grundsteuer wie im kommenden Jahr erhoben werden soll.
Aus dem Ausschuss
Positive Nachrichten hatte Kämmerer Peter Madel für die aktuellen Haushaltszahlen dabei. So hätten sich die Gewerbesteuereinnahmen „überraschend erfreulich“ entwickelt. 25 Millionen Euro seien im Haushaltsplan festgehalten gewesen, nun werden es „gegen den Trend“ zehn Millionen Euro mehr. 35 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen insgesamt würden ein Rekordergebnis bedeuten, wodurch auch das bei der Einbringung prognostizierte Defizit von vier Millionen Euro am Ende des Jahres zu einem positiven Jahresergebnis werden würde.
[Visualisierung: pvma architekten.]
Hochbauamtsleiter Andreas Zurek hat bei der Sitzung Informationen dazu gegeben, wie für die Erweiterung und die Sanierung des Grundschulstandorts in Marienhagen (OA berichtete) ein Zeitplan aussehen könnte. Demnach könnte bestenfalls nach zwei Leistungsphasen – in denen unter anderem das Projekt an einen Total- beziehungsweise Generalunternehmer vergeben werden soll – ein Baustart im Frühjahr 2027 erfolgen. Fertig könnte die Schule zwei Jahre später sein. Kritik gab es unter anderem von FDP und Grünen an der Länge des gesamten Prozesses. Auch aufgrund der EU-weiten Ausschreibung, die bei einer Gesamtinvestition von aktuell geschätzten acht Millionen Euro unausweichlich sein wird, machte Bürgermeister Ulrich Stücker aber wenig Hoffnung, dass es schneller gehen wird.
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