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Ritter-Turnier: Vergangene Epoche hielt Einzug auf Schloss Heiligenhoven

vma; 26. Jan 2002, 04:31 Uhr
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Ritter-Turnier: Vergangene Epoche hielt Einzug auf Schloss Heiligenhoven

vma; 26. Jan 2002, 04:31 Uhr
(vma/12.8.2001-1:40) Von Vera Marzinski
Lindlar - Mittelalterlichen Handwerkern auf die Finger schauen, leckere Speis dazu und natürlich ein Met vom Fass – das finden die Besucher auf dem Markt, aber auch ein mittelalterliches Ritterturnier wird geboten.

[Bilder: Oliver Mengedoht - Faszinierendes Spektakel auch heute noch: Das Ritter-Turnier auf Schloss Ehreshoven in Linflar-Unterheiligenhoven.]



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Beim Landschaftsverband sei es nicht geplant, verwaltungsintern die mittelalterlichen Methoden neu zu beleben, versicherte Udo Molsberger, Direktor des Landschaftsverbandes Rheinland, zur offiziellen Eröffnung der "Ritterspiele auf Schloss Heiligenhoven" gestern Mittag: "Fußeisen und Pranger sind keine Bestandteile unseres neuen Steuerungsmodells". Eher wolle das Bergische Freilichtmuseum in Lindlar das Leben im Rheinland in vergangenen Epochen dem Publikum näher bringen, betonte Molsberger.

[Die beiden Rivalen im Gottesentscheid kurz vor dem Ende.]



Die Beteiligten der Vereinigung "Nobilitas" und der Musikgruppe "Ludus Venti" sind echte Mittelalterfans - rein nebenberuflich -, die in einer Synthese von Fantasie und historischem Nachempfinden die Menschen in eine faszinierende Epoche entführen. "Entweder man hat den Mittelalter-Virus oder man hat ihn nicht", betonte Christine Seuberth, die eine der sieben Hofratsmitglieder von Nobilitas und in Lindlar für die Hauptorganisation zuständig ist. Sonst läuft sie meist als Brezelfrau durch die Mengen.

[Die Zuschauer bekamen auf dem Schlossgelände einiges geboten.]



Brezeln gab es diesmal aus Körben anderer Mägde. Dazu in den Tavernen "Phir" (sah aus und schmeckte wie heutiges Bier), Met und auch Sarazenenblut – ein Kirsch-Johannisbeer-Likör mit Kardamom und Pfeffer. Aber auch heißen Apfel-Flieder-Trunk ließen sich manche munden. Nebenan ein Spanferkel auf dem Spieß und ein paar Schritte weiter Fladenbrot mit Schafskäse und Kräutern.



Viele kleine Ritter mit Holzschwertern und –schilden drängten sich durch die Menschen, die ihre Mini-Waffen gerade am Stand neben den Kettenhemden erstanden hatten. Einen Ring nach dem anderen setzte der Mann für das nächste schwere "Leibchen" aus Stahlringen zusammen. Etwa 200 Ringe schafft ein guter Handwerker in der Stunde, aber für ein Kettenhemd sind ungefähr 25.000 Ringe notwendig und dann wiegt das ganze rund 30 Kilogramm. Diese schweren Gewänder konnten im Ritterlager bewundert werden, wo sich die Herren auf den Kampf vorbereiteten. Welcher Kampf? Ja, davon wussten die Menschen zu berichten, die beim Marktgericht anwesend waren.

[Der Herold (l.) kündigte Regeln und Kampfdisziplinen an, die "falsche" Gräfin (M.) von Berg wartet auf das Finale.]

[Tausendsassa: Dieser Teufelskerl von Ritter traf tatsächlich den Apfel und zerteilte diesen aus dem vollen Galopp.]



Dort hatte Ritter Ludwig von Rinek zum Kampf aufgefordert, da er den Fürsprecher der Gräfin Christine von Berg, den Herold Florian von Coburg, des Meineides bezichtigte. Zuvor hatte Ludwig von Rinek die Gräfin des Ehebruchs beschuldigt und behauptete, der Grafensohn sei ein Findelkind. Da die Gräfin das Land alleine regierte – der Graf war bei einem Kreuzzug verschollen – musste sie auch Gericht halten. Doch bei solch einer Anklage konnte sie nicht gleichzeitig Richter und Angeklagte sein. Rinek hatte vorgesorgt und den Groß-Inquisitor Konrad von Marburg – einen gar finsteren und schattigen Gesell – mitgebracht, dass dieser nun richte. Es wurde beschlossen, eine Gottesentscheidung herauszufordern und das Ganze im Kampfe zu klären. In fünf Durchgängen solle sich zeigen, wer nun Recht gesprochen habe.

[Auch Artisten boten dem Volke viel für's Auge, wie hier die Seiltänzerin bei einer feurigen Darbietung.]





[Die Hofwache der Gräfin von Berg verfolgt gespannt den Wettbewerb der Streiter.]



Wenn die Ritter auf ihren mächtigen Rössern - Kaltblüter, Isländer und Araber dabei - vor den Augen des jubelnden Publikums ihre Kunstfertigkeit im Umgang mit den Waffen unter Beweis stellen, wird schnell vergessen, dass es sich um Kampfübungen handelt. Mehr Geschicklichkeit ist da gefragt, wenn zuerst im Galopp das Schwert ergriffen werden muss, sodann ein Holzklotz abgeschlagen wird, dann ein Hieb in die andere Richtung zu einem Angreifer und schließlich ein Apfel auf einem kleinen Holzpfahl gespalten wird. Jeweils drei Ritter kämpften für die beiden Seiten, um den Streit um die Gräfin zu beenden. Die Seite der Gräfin angeführt von Ritter Gerhard von Diez (Dan Cheatham), zu seiner Seite Heinrich von Ziegenhain (Klaus Dresor) und Marschall Albrecht von Rappersvyl (Gabi Bach) und die gegnerische Seite mit Ritter Ludwig von Rinek (Jan Petersen), Heinrich von Drachenfels (Wolfgang Sela) und Graf Albrecht von Hohenberg und Haigerloch (Gabi Luer).

[Drei Ringe aus vollem Galopp mit der Lanze aufsammeln - darum geht es in dieser Disziplin.]



In farbenprächtigen Umhängen und mit rasselnden Kettenhemden trabten die Rittersleut in das große Rechteck, um das sich das Publikum geschart hatte. Erwartungsvoll und mit viel Jubel wurden die Kontrahenten begrüßt. Aus eifrigem Wettstreit entwickelte sich eine spektakuläre, schnelle Handlung, die das Herz schier stillstehen ließ.

[Gar prächtige Rösser gab es in Unterheiligenhoven zu bewundern.]



Nur die Worte des Herolds hielten die Kontrahenten im Zaum, die sich nicht immer ritterlich verhielten (so mussten auch die Knappen von einer handfesten Schlägerei getrennt werden). Nach fünf Durchgängen war es entschieden: die Ritter um Gerhard von Diez gewannen (heute) haushoch – doch der Inquisitor musste das ganze Turnier als ungültig werten: war doch der Graf Albrecht von Rappersvyl die Gräfin Christine von Berg darselbst. So wurde der Höhepunkt des Turniers der Tjost, das Stechen mit der Lanze Mann gegen Mann.



Das Holz der Lanzen splitterte mehrmals, wenn die Ritter Gerhard und Ludwig aufeinander trafen. Letztendlich entschied der treue Ritter der Gräfin das Gefecht mit der Lanze.

[Selbst Museumsdirektor Hans Haas (Mitte linkes Bild) griff eifrig zur Kamera; das Volk im Mittelalter.]



Doch der "böse" von Rinek forderte den Kämpfer der Gräfin auch noch mit dem Schwerte. Es klirrte, der Sand spritzte, doch letztlich konnte auch diesen Kampf der Bessere gewinnen - der Thron der Gräfin war gerettet.

[Bogenschießen (linkes Bild) ist nicht jedermanns Sache; andere erfreuten sich am dargebotenen Geschmeide.]



Nach diesem Spectaculum wurde ein Auserwählter zum Ritter geschlagen. Doch wem diese Ehre zuteil wurde, wollte zuvor noch nicht verraten werden, es sollte ja eine Überraschung für den edlen Herrn sein. Die Ehrung wurde vor dem Marktvolke Theo Boxberg - bekannt durch die Touristik GmbH und als Fußball-Trainer des SSV Marienheide - zuteil. Ob er anschließend beim "Tavernenspiel" ab 19 Uhr mit Gauklern, Musik und Tanz seine Ehrung feierte?

[Ludus Venti aus Lindlar spielte zum Vergnügen des Volks auf (links oben); Ritter Gerhard von Diez huldigt seiner Herrin (re. oben), aber die Spitzbuben vergelten dies mit einer Attacke.]



Für mittelalterliche Musik während des gesamten Ritterturniertages sorgte die Musikgruppe Ludus Venti aus Lindlar. Auf alten Instrumenten, die sie zum Teil anhand von Bildern und Zeichnungen nachgebaut haben, zauberten sie die passende Musik hervor. Die Musiker von Ludus Venti können auch die seltenen Businen spielen. Das Ensemble hat sich zum Ziel gesetzt, das Klangbild einer Hofkapelle des 16. Jahrhunderts so originalgetreu wie möglich wiederaufleben zu lassen. Dies beinhaltet eine Mischung von Singstimmen und Instrumenten, wobei heute selten zu hörende Rohrblattinstrumente wie Krummhörner, Dulziane und Pommern einen besonderen Reiz ausmachen.

[Beilwerfen - eine ganz besonder Technik ist dafür vonnöten.]



Bogenschießen – auf eigene Gefahr – oder auch das Axtwerfen, zu dem eine besondere Technik des Werfens notwendig ist, zählten zu den sportlichen Ereignissen, denen sich die Besucher hingaben. Kleine Töpfer schufen eigene Kreationen beim Tonkrugverkäufer und beim Korbmacher konnten die Kinder auch selbst ausprobieren, wie das Flechten funktioniert. Ein fröhliches Fest für die Familie wurde geboten – das ist auch das Ziel von Nobilitas. Lindlar war in diesem Jahr die siebte Veranstaltung für die mittelalterliche Vereinigung. Für den Veranstalter, den Landschaftsverband Rheinland und sein Bergisches Freilichtmuseum, die erste und hoffentlich nicht letzte dieser Art.

[Vielerlei Handwerk wurde rund ums Schloss vorgeführt.]



Wen die Lust also gepackt hatte, eine Zeitreise ins Mittelalter zu unternehmen, konnte dies am Samstag auf Schloss Heiligenhoven in Lindlar tun – aber auch noch am Sonntag, 12. August, wird das Spectaculum von 11 bis 18 Uhr stattfinden.

[Im Endkampf hat der "böse" Ritter keine Chance und muss "tot" vom Platz getragen werden.]



Noch ein kleiner Hinweis: Gezahlt wird natürlich, wie im Mittelalter, mit Silberlingen. Der Eintritt kostet 10 Silberlinge, kleine Grafen und Gräfinnen zahlen nur 5 Silberlinge. Ein Gutsherr bezahlt für seine ganze Familie 20 Silberlinge. Der Preis für einen Tribünenplatz während des Ritterturniers beträgt 15 Silberlinge und für kleine Besucher fünf.

[Die Lanzen splitterten bei den heftigen Schlägen auf die Schilde der Gegner beim Tjost.]



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