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Live und hinter Gittern

fj; 9. Feb 2013, 07:30 Uhr
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Live und hinter Gittern

fj; 9. Feb 2013, 07:30 Uhr
Gummersbach – Seit vergangenem Dezember tourt die Band Soundbar durch deutsche Gefängnisse – Leicht ist den jungen Musikern dieser Schritt nicht gefallen, doch nach den ersten Konzerten hat sich Skepsis in Begeisterung verwande
Von Fenja Jansen

Hohe Zäune und Mauern, ein Drogenspürhund im Tourbus und Taschenkontrollen gehören für Musiker eher nicht zu den normalen Abläufen eines Konzerts. Dass die sieben oberbergischen Musiker der Band Soundbar aber genau dies erlebten, hatten sie einer Idee ihres Managers Benjamin Kröcker zu verdanken. Inspiriert von den legendären Auftritten Johnny Cashs in den amerikanischen Gefängnissen Folsom und San Quentin Ende der 60er Jahre, wollte auch Kröcker die Band, die er 2012 unter Vertrag genommen hatte, auf eine Tournee durch Justizvollzugsanstalten (JVA) in Deutschland schicken.

Begeisterungsstürme löste diese Idee bei der Band, die ihren Musikstil als Mischung aus Reggae, Hip Hop, Dancehall und Rock beschreibt, zunächst nicht aus. „Die Idee fanden wir alle erst mal etwas komisch. Wir haben uns gefragt, ob bei so einem Konzert überhaupt Stimmung aufkommt. Bei einem normalen Auftritt kommen die Leute, um uns zu hören. Die Insassen haben nicht darum gebeten, dass wir für sie spielen“, erinnerte sich Sänger Andy Pries an die anfängliche Skepsis.

Der Glaube daran, dass jeder Mensch eine zweite Chance verdient hat sowie eine ordentliche Portion Neugier gaben dann schließlich doch den Ausschlag, auf diese Tour der etwas anderen Art zu gehen. Zwei der insgesamt fünf Stationen der „JVA-Tour“ haben die Musiker bereits hinter sich. In der nordrhein-westfälischen Jugendstrafanstalt Heinsberg spielte die Band vor etwa 50 männlichen Jugendlichen, in der JVA Rohrbach (Rheinland-Pfalz) vor rund 100 inhaftierten Männern und Frauen. „Besonders beklemmend war, dass man keine zehn Meter gehen konnte, ohne dass ein Beamter eine Tür auf- und wieder zu sperren musste. Und die Anweisungen, was im Falle eines Alarms zu tun sei, hat die Sache natürlich auch nicht einfacher gemacht“, erinnerte sich Gitarrist William Hesse an die bedrückende Atmosphäre im Gefängnis. „Und natürlich wirkten die Häftlinge auf uns anfangs auch bedrohlich. Wir haben uns schon Gedanken darüber gemacht, was passieren könnte, wenn sie während des Konzerts plötzlich anfangen zu randalieren oder auszuflippen“, ergänzte sein Zwillingsbruder, der Schlagzeuger Marvin Hesse.


Und tatsächlich trat während des Konzerts in der JVA Heinsberg plötzlich ein Jugendlicher nach einem anderen Häftling. „Da ist mein Puls richtig hochgeschnellt. Ich dachte: Ok, das war’s jetzt hier und das Konzert wird abgebrochen. Aber die Beamten sind richtige Profis. Sie haben sich den Jugendlichen geschnappt und abgeführt, wir konnten einfach weiter spielen“, erinnerte sich Gitarrist Arthur Hübner.

Dieser Schreckmoment blieb für die Band aber auch der einzige und so sind es vor allem positive Erinnerungen, die die Band aus ihren ersten zwei Gefängnis-Konzerten mitgebracht hat. „Besonders in Rohrbach sind sowohl wir, wie auch unser Publikum direkt bei den ersten Liedern aufgetaut. Wir haben in die Gesichter unser Zuhörer gesehen und gemerkt, dass sie einfach Spaß an dem haben, was sie gerade tun“, so Pries. Dass die Häftlinge spontan mitsangen, teilweise sogar mit Tränen in den Augen, habe die Band zutiefst beeindruckt und ihnen gezeigt, dass die etwas ungewöhnliche Idee ihres Managers eine gute Idee war.

„Als wir über den Gefängnishof zurück zu unserem Bus gegangen sind, haben Häftlinge unseren Bandnamen aus dem Fenster gerufen. Da haben wir uns gefühlt wie Gladiatoren. Wenn wir es geschafft haben, dass der ein oder andere über unsere Texte nachdenkt und durch unseren Auftritt gemerkt hat, was ein Leben in Freiheit alles zu bieten hat, haben wir viel erreicht“, sagte Rauschenberger.
  
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