LOKALMIX
26 Meter unter der Wasseroberfläche
Wipperfürth – Der Wupperverband hat die Staumauer der Kerspe-Talsperre saniert – Eingebaut wurde auch ein neues System mit einer höheren Sicherheit.
Ob die Aggertalsperre, die Genkel, die Brucher, die Bever oder auch die Lingese: im Oberbergischen gibt es einige Talsperren, die nicht nur der Wasserwirtschaft dienen, sondern auch beliebte Ausflugsziele sind. Anders ist das an der Kerspe-Talsperre – und das nicht etwa, weil sie streng genommen gar nicht mehr im Oberbergischen liegt, sondern zu Halver und Kierspe und damit schon zu Westfalen gehört, oder weil sie keine sehenswerte Staumauer hat und die Landschaft nicht beeindruckt. Ganz im Gegenteil.
[An der Kerspe-Talsperre wurden die Luftseite der Staumauer und das darunterliegende Tosbecken saniert.]
Weniger bekannt dürfte die Kerspe-Talsperre den Oberbergern deshalb sein, weil der unmittelbare Uferbereich in der Wasserschutzzone I liegt und damit nicht betreten werden darf. Die Kerspetal-Sperre ist eine Trinkwassertalsperre, versorgt einige Teile von Wuppertal mit Trinkwasser. Das Baden ist damit natürlich nicht erlaubt. Einen Rundweg nah am Ufer gibt es auch nicht. Stattdessen ist die Talsperre eingezäunt und normalerweise nicht zugänglich.
Gestern gab es davon allerdings eine Ausnahme. Vor rund dreieinhalb Jahren – im März 2021 – hat der Wupperverband mit der Sanierung der historischen Staumauer begonnen. Diese liegt tatsächlich auf Wipperfürther Boden – und damit im Oberbergischen. Erbaut von 1909 bis 1912 und in den 1990er Jahren saniert, war das Bauwerk zuletzt doch in die Jahre gekommen – und sollte zudem ein modernes Prozessleitsystem erhalten.
3,6 Millionen Euro für Sanierung der Luftseite der Staumauer
Zum Projektabschluss hat der Wupperverband gestern für Mitglieder und Beteiligte an der Kerspe-Talsperre eine Einweihungsfeier veranstaltet. Ingo Noppen, Vorstand des Wupperverbandes, begrüßte die Gäste und schwärmte dabei von der Talsperre und ihrer historischen Staumauer. Sie sei ein „verstecktes Kleinod“ und „eine der schönsten Talsperren“ des Landes, ihre Staumauer ein „altes Schätzchen“. Die Sanierung der Staumauer-Luftseite hat sich der Wupperverband bis zu 3,6 Millionen Euro kosten lassen.
Saniert wurde die Luftseite der Staumauer von März 2021 bis November 2023. Errichtet wurde die Mauer einst aus Bruchsteinen zum Großteil von Gastarbeitern aus Italien und Kroatien. Bei der Sanierung wurden Fugen herausgestemmt und anschließend mittels Spritzverfugung wieder aufgebaut. Schadhafte Steine des Mauerwerks wurden ausgetauscht. Auch die beschädigte Sohle des Tosbeckens, das unterhalb der Staumauer liegt, wurde saniert. Bruchsteine wurden entfernt, das Becken mit Beton wieder aufgebaut.
[Betriebsleiter Lars Hebbecker hat vor einem Schaubild erklärt, wie die Staumauer aufgebaut ist.]
Die Mauer der Kerspe-Talsperre ist 35 Meter hoch und hat eine Kronenlänge von 360 Metern. Unten weist sie eine Breite von 28 Metern auf, oben ist sie noch sechs Meter breit. Bei den Sanierungsarbeiten in den 1990er Jahren wurde unter anderem ein 200 Meter langer Kontrollgang in die Mauer gebaut, der gestern ebenfalls besichtigt werden konnte. „Hier sind wir am tiefsten Punkt der Mauer. Wir haben 26 Meter Wasser über uns“, sagte Betriebsleiter Lars Hebbecker bei der Führung.
Neue Systemtechnik bietet höhere Sicherheit – auch vor Cyberangriffen
In diesem Jahr hat das historische Bauwerk auch ein modernes Prozessleitsystem erhalten – als erste Talsperre im Wupperverband. Im Prozessleitsystem laufen alle wichtigen Daten einer Anlage zusammen. Das System dient der Anlagensteuerung und Anlagenüberwachung. „Die alte Technik hat hier jahrzehntelang gedient“, sagte Patrick Wellershaus vom Prozessleitteam. Die neue Technik zeichne sich nicht zuletzt durch eine höhere Sicherheit aus – auch was potentielle Angriffe von außen angeht.
[Patrick Wellershaus hat das neue Prozessleitsystem vorgestellt.]
„Das neue Prozessleitsystem ist ein wichtiges Puzzle-Teil für die Digitalisierung und System-Vereinheitlichung an unseren Anlagenstandorten“, sagte Ingo Noppen. Dazu gehören beispielsweise auch Kläranlagen. Vereinheitlicht werden soll das System aber auch deshalb, damit die Mitarbeiter an unterschiedlichen Standorten eingesetzt werden können, ohne damit auf unterschiedliche Systeme zu treffen. Nach und nach soll das System auch in anderen Anlagen installiert werden, als nächstes an der Großen Dhünn-Talsperre.
Wie sensibel die Anlage der Kerspe-Talsperre bereits in der Vergangenheit war, machte Lars Hebbecker an zwei Beispielen deutlich. Er erinnerte an das Erbeben in der Türkei und in Syrien, das es im Februar 2023 gab, und auch an den Tsunami im Dezember 2004. „Beides haben wir hier bemerkt und aufgezeichnet“, sagte der Betriebsleiter. Vorstand Ingo Noppen blickt zufrieden auf das Projekt zurück: „Mit der abgeschlossenen Sanierung ist das denkmalgeschützte Bauwerk gut gerüstet, um weitere Jahrzehnte seine Aufgaben zu erfüllen.“
[Die Bruchsteine haben sich durch den Niederschlag dunkel verfärbt. Der mittlere Teil der Staumauer wurde saniert.]
Mehr zur Kerspe-Talsperre
Die Staumauer der Kerspe-Talsperre wurde von 1909 bis 1912 nach dem Konstruktionsprinzip des Aachener Professors Otto Intze errichtet. Von 1992 bis 1995 wurde die Staumauer umfangreich instandgesetzt. Dabei wurde wasserseitig eine Stahlbetondichtwand mit Kontrollgang errichtet. Die Betriebs- und Überwachungseinrichtungen wurden damals ebenfalls erneuert. Das luftseitige Mauerwerk wurde jedoch bei den Instandsetzungsarbeiten in den 1990er Jahren nur partiell saniert.
Zum 31. Dezember 2015 hatten die Wuppertaler Stadtwerke (WSW) die Kerspe-Talsperre zusammen mit der Herbringhauser Talsperre an den Wupperverband übertragen. Seitdem betreibt der Wupperverband neben der Großen Dhünn-Talsperre auch diese beiden Trinkwassertalsperren im Wuppergebiet. Pro Jahr werden bis zu zwölf Millionen Kubikmeter Rohwasser aus der Kerspe-Talsperre an das Wasserwerk Herbringhausen zur Trinkwasseraufbereitung geleitet.
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